Action, writing friday

Martin´s Café – Part 3

Der #WritingFriday erscheint in einem neuen Gewandt.

  • Nehmt den Anfang der Geschichte und baut die Schreibaufgaben jeden Freitag weiter mit ein

  • Schreibt jeden Monat eine tolle Geschichte, die bei jedem gleich anfängt aber komplett anders endet


Uff – mich hier kurz zu halten ist nicht leicht. Leider brauche ich tatsächlich soviel Worte. Dieser Plot hat es echt in sich.


Was bisher geschah:

Martin hat in Paris ein kleines gemütliches Café. Er führt es seit 1960. Er liebt es sich mit seinen Gästen über alles Mögliche auszutauschen. Eines Tages kommt eine junge Frau in sein Café. Sie wirkt etwas unsicher, aber nach dem Martin sie so freundlich willkommen hiess kam sie jeden Tag und die beiden tauschten sich aus. (Hier)

Nachdem Caroline eines Tages gehetzt in seinen Laden kommt, erfährt er einiges über ihre Vergangenheit, das sie jetzt einzuholen scheint. Es wird gefährlich. (Hier)

  • Polizisten befragten Martin über das Verschwinden der jungen Caroline.

oder

  • Martin musste die Polizei verständigen.

 

Martin sah erschrocken zu Caroline. Caroline eine Kunstdiebin? Hatte er sich so in ihr getäuscht?

„Wie konnte das geschehen?“, fragte er sie erschüttert.

„Ach Martin, ich weiß auch nicht. Ich war so verliebt und Jimmy Jr. hat es wirklich drauf gehabt mich zu umwerben und zu blenden. Es dauerte nicht lange und ich war sehr tief in ihr Geschäft verwickelt. Ich wäre nie lebend herausgekommen, wenn ich hätte aussteigen wollen. Mir blieb nichts anderes übrig, als zu verschwinden. Aber ohne Geld? Wie sollte ich das machen. Also habe ich mir einige kleine Gemälde geschnappt und bin schnell aus Amerika verschwunden. Hier bin ich unter dem Mädchennamen meiner Mutter registriert. Den kennt keiner.“ Sie blickte ihm nicht in die Augen.

„Ach je, Mädchen, was hast du nur gemacht?“ Martin zog an einer Zigarette und nahm einen tiefen Schluck des mittlerweile kalten Kaffees. Er schien es nicht zu merken, oder es machte ihm nichts aus, dass der Kaffee kalt geworden war.

Martin saß in Gedanken versunken da. Was sollte er jetzt machen? Sollte er Caroline vertreiben? Er hatte sie in sein Herz geschlossen. Sie waren so was wie beste Freunde geworden. Sein Herz wurde schwer. Es blieb ihm nur eins zu tun. Caroline musste weg. Das Land am besten verlassen und ihn.

Er seufzte tief.

„Caroline, es bleibt nichts übrig. Du wirst wohl hier verschwinden müssen. Dein Leben ist nicht sicher hier.“

Caroline blickte ihn an. „Aber wie. Ich kann die Bilder nicht verkaufen, sie würden mich sofort finden.“

Er atmete tief ein. „Ich mache das für dich. Ich kenne jemanden, der die Bilder kaufen wird. Er hat immer reiche Klienten, die auf berühmte Künstler warten. Lass mir paar Tage Zeit. Du musst aber untertauchen. Komm in drei-vier Tagen noch mal und wir besprechen da alles Weitere.“

Caroline erhob sich. Etwas unsicher drückte sie Martin an sich und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

„Danke, lieber Freund.“ So verließ sie das Café und hinterließ einen nachdenklichen und traurigen Martin.

*

Gegen Nachmittag öffnete sich die Tür und zwei Polizisten betraten das Café. Martin unterhielt sich gerade mit ein paar alten Stammkunden, als er unsanft von einem der beiden Polizisten auf die Schulter geklopft bekam.

„Bonsoir Monsieur Duboi, dürften wir sie bitten, mit uns an einen ruhigen Platz zu gehen?“

„Bonsoir Gendarmes. Um was geht es denn? Sie sehen, dass ich gerade mit meinen Kunden beschäftigt bin und ungern unhöflich wäre und das Gespräch abbräche.“

Die Polizisten schauten sich an und zuckten mit den Schultern.

„Es geht um Mlle Caroline Poir“

„Caroline Poir?“

„Ja. Uns wurde gesagt, dass sie sich hier öfter aufhält.“

„Ja, das stimmt, aber ich habe sie seit einigen Tagen nicht mehr gesehen. Um was geht es denn?“

„Kommen sie, bitte. Es soll doch diskret vonstattengehen.“

Martin tätschelte die Schulter seines Gesprächspartners und führte die beiden Polizisten in den hinteren Raum mit den Vorräten.

„Um was geht es denn?“, fragte er genervt.

„Mlle. Poir wird gesucht, um eine Aussage zu einem Mordfall und Kunstraub zu tätigen. Sie soll Zeugin sein.“ Martin schaute sie misstrauisch an.

„Zeugin bei einer Straftat? Das kann ich mir nicht vorstellen. Sie ist so zart und nett.“

„Stille Wasser sind tief.“ Erwiderte einer der Polizisten.

„Ich kann ihnen da leider nicht weiter helfen. Sie war tagelang nicht hier und ich weiß nicht wo sie wohnt. Ich kannte noch nicht mal ihren Nachnamen.“ Martin war froh, dass dies der Wahrheit entsprach. Weniger Lügen war immer gut um realistisch rüber zu kommen.

„Nun, uns bleibt ja wohl nichts übrig, als ihnen zu glauben. Bitte, kontaktieren Sie uns sollte Mlle wieder auftauchen. Es wäre sehr wichtig.“ Martin nickte und führte die beiden hinaus.

Als sie das Café verlassen hatten, atmete er tief aus. Puh. Das war sehr knapp gewesen. Im Keller hatte er die Kunstwerke, die er verkaufen wollte, deponiert. Wenn sie sein Café hätten durchsuchen wollen, dann hätte das schiefgehen können.

Das Telefon klingelte. Er schlurfte zur Theke und nahm ab.

„Martin? Martin, hier ist Caroline. Es wird dringend, ich glaube, ich werde verfolgt. Konntest du die Bilder verkaufen?“

„Mein Kontakt kommt heute Abend, nachdem ich abgeschlossen habe. Ruf morgen noch mal an, ja?“ Es klickte in der Leitung – sie hatte aufgelegt. Irritiert legte auch Martin auf. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Er hätte sich niemals da hineinziehen lassen dürfen. Seine Hand zitterte, als er sich eine Zigarette anzündete und langsam auf den Tisch zuging, an dem er und Caroline sich soviel Stunden ihre Geschichten erzählt hatten.

Was würde noch auf ihn zukommen? Eine Gänsehaut überzog seine Arme und er schloss unsicher die Augen.

Werbung
Action, Allgemein, [abc.etüden]

Etüden – Das Tier im Inneren

Die Schreibeinladung zu den Etüden kommen von Christiane

Die Wortspende kommt von Ludwig Zeidler. Sie lauten:

Fluchtsieger
füttern
wunderbar.

Die nächsten Wörter kommen am 22.01.23


Das Tier im Inneren

Arnaud trat in die Pedale. Er würde es diesmal schaffen. Seinen Atem hatte er unter Kontrolle. Es würde wunderbar werden, wäre er in dieser Etappe Fluchtsieger.

Er legte zum Sprint an. Nur noch 190 Kilometer bis zur Teilstreckengrenze. Das würde er schaffen. Er wollte sein inneres Tier füttern. Es brauchte unbedingt Nahrung. Sieg durch unbändigen Ehrgeiz war die einzige Nahrung, die es akzeptierte.

Die Besucher am Rand der Strecke verschwommen zu einer farbigen Masse. Er konnte die Rufe hören. Sie klangen wie ein Brüllen in seine Ohren. Ein Brüllen, das das Tier in ihm herausforderte. Schneller, schneller, schneller. Er hörte die Stimme seines Vaters aus dem Brüllen heraus.

„Tritt schneller in die Pedale. Wenn du deine Beine noch spürst, wirst du nie siegen. Schneller, Arnaud, sonst wirst du mich nie stolz machen.“

Diese Erinnerung brachte ihn fast ins Schleudern. Schnell gewann er wieder die Kontrolle über sein Fahrrad. Nur noch den Hügel, nur noch diese Etappe, nur noch paar Male kräftig treten.

Seine Muskeln schrien. Er schrie. Sein inneres schrie. Die Masse schrie. Sein Tier brach aus. Es übernahm die Kontrolle und brachte ihn ins Ziel. Er hatte gewonnen. Diese Etappe war seine und die seines Tieres, das er nicht mehr einfangen konnte, auch nicht wollte.

Er strauchelte. Seine Kraft war verbraucht, aber nicht die des Tieres. Er sprang vom Rad, rannte in den Wald, der sich um ihn herum ausbreitete und rannte. Rannte, getrieben von Zwängen und Verpflichtungen.

Er rannte, um sich zu befreien. Morgen, morgen würde er wieder aufsitzen. Solange würde er seinem Tier die Freiheit geben. Morgen würde er es wieder bändigen. Aber erst morgen. Morgen würde er die Fragen beantworten und die Glückwünsche entgegennehmen. Heute gehörte dem Tier, das hatte er so vereinbart.

Das war Teil des Deals.

Action, Fantasy, writing friday

#Writing Friday – Der Sieg

Die letzte Aufgabe für den Mai. Es ist schon manchmal erstaunlich wie sich die Ideen so manchmal einfinden.

Die Idee zu dieser Geschichte kam mir auf der Arbeit. Und zwar hatte ich eine Stange in der Hand um einen Paketstau zu lösen. Und irgendwie fühlte ich mich als Kriegerin – und meine Geschichte war geboren. Sie ist dann doch noch bisschen anderes ausgegangen, als ich mir erdacht hatte. Aber es hat trotzdem Spass gemacht.

Hier findet ihr noch viel mehr Geschichten

Also lest einfach:

Schreibe eine Geschichte und flechte darin folgende Wörter mit ein: Marmelade, Fingerhut, Rosenranken, Himmelblau und Oma.

 

Oma saß am Frühstückstisch und beschmierte gerade ihr Brot mit leckerer Erdbeermarmelade. Ich schwöre euch, keine je von mir gegessene Marmelade kann mit der meiner Oma mithalten. Es ist nicht nur die Liebe, mit der sie sie kocht, nein, ein wesentlicher Bestandteil ist die Magie der Natur, die unser Haus umgibt. Es ist immer wieder ein Vergnügen zu sehen, wie sie verschiedene Blumen und Kräuter mit in die Marmelade mischt. Und damit sind wir auch schon bei unserem Geheimnis.

Unser Haus liegt am Rande eines magischen Tores. Wir sind die Wächter. Seit Generationen bewachen wir dieses Tor. Ahnungslose Menschen werden darum herum geleitet, damit sie nicht versehentlich durchtreten. Das würde nicht gut für sie ausgehen. Sie sind nicht sehr beliebt in der magischen Welt. Warum, fragt ihr euch. Das ist doch eigentlich klar. Sie achten einfach die Naturgesetzte nicht. Sie trampeln einfach alles nieder ohne Rücksicht.

Aber nicht nur vor Menschen müssen wir das Tor schützen. Es gibt böse Mächte, die unbedingt eindringen wollen. Sie wollen an die Schätze und Geheimnisse unserer Welt. Sie wollen sie vergiften mit ihrem Hass und Missgunst. Dunkle Magier greifen immer wieder an. Aber sie sind nicht stark genug. Noch nicht.

„Komm Kind, setzt dich und Frühstücke gut. Wir werden es heute brauchen.“

„Wieso? Was hast du gehört?“

„Nicht gehört, gesehen. Schau in  den Spiegel.“ An der Wand hing ein magischer Spiegel. Er warnte uns, wenn Gefahr im Verzug war. Ich stand also auf und schaute hinein. Erst einmal musste sich das hübsche Himmelblau verziehen. Das war als Tarnung für Gäste. So sah es aus, als wäre es ein abstraktes himmelblaues Bild. Aber in Wahrheit war es ein Spiegel. Das Bild lichtete sich und ich konnte Dunkelheit erkennen. Aber in der Dunkelheit bewegte sich was. Reiter durchstreiften die Gegend. Sie suchten etwas. Sie suchten uns.

„Wer ist das?“

„Ich hab das Wappen gesehen. Es ist Anamon.“

„Anamon? Ich hab noch nie von ihm gehört.“

„Komm, wir haben noch Zeit. Die anderen sind informiert. Bald wird unsere Armee eintreffen. Wir sollten also gestärkt sein. Und was ist besser geeignet, als ein bisschen Marmelade? Dann erzähle ich dir von Anamon.“

Ich setzte mich auf den alten Stuhl, der so bequem war, dass ich eigentlich alles darauf machte. Lesen, Essen, Tippen, Schreiben,….ach einfach alles was nur geht. Er beruhigte mich immer wieder. Und das tat er auch jetzt. Ich biss herzhaft in das Brot und auf meiner Zunge explodierte der saftige Geschmack. Sofort spürte ich die Kraft die aus der Marmelade hervorging. Sie würde mich für den Kampf wappnen.

Oma fing an zu erzählen. Sie lehnte sich in ihren Stuhl zurück und nippte an ihrem Tee.

„Anamon war einer von uns. Das ist nicht verwunderlich, oder? Ist es nicht immer so, dass sie alle irgendwann mal gut waren und irgendwas sie veränderte. Bei Anamon war es verschmähte Liebe. Liebe ist so mächtig, aber auch so zerstörend, wenn sie nicht erwidert wird.  Sollte es dich wundern? Nein, das wird es bestimmt nicht. Denn seine Liebe galt deiner Mutter.“

Ich riss die Augen auf. Meiner Mutter? Sie war die gütigste Frau, die ich je kennen lernte. Und mein Vater vergötterte sie. Sie lebten in dem magischen Teil und besuchten uns immer wieder. Mich hatten sie in die Menschenwelt geschickt um dort zu lernen. Ich lernte – ich ging in die Armee. Ja…ihr dachtet irgendwas unnützes Menschliches? Nein, nein. Es sollte praktisch sein. Ich lernte Kriegsstrategien, die uns schon oft geholfen haben. Ich war also auch ohne magische Hilfsmittel eine Waffe. Denn bei einem Gegenzauber, könnte es schon gefährlich werden. Aber ich konnte auch so kämpfen. Ohne Prahlen zu wollen. Ich war echt gut.

Aber zurück zu Anamon. Er wollte meine Mutter.

„Ja, er liebte sie abgöttisch. Aber deine Mutter konnte schon immer gut in Seelen blicken und sie entdeckte den dunklen Fleck bei ihm. Er wäre niemals in die engere Wahl gekommen. Aber Anamon wollte nicht aufgeben. Es hätte damals schon fast einen verheerenden Krieg gegeben. Aber wir haben Anamon vertreiben können. Fast hätte er deine Mutter entführt. Aber sie ist nicht ganz so friedlich, wie sie zu sein scheint. Sie kann ganz gut kämpfen. Er zog also seinen Schwanz ein und verließ das magische Land. Wir hörten immer wieder Gerüchte, dass er sich mit dunkler Magie beschäftigte. Es war also klar, dass er auch irgendwann wieder kommen würde. Ja. Jetzt sieht er wohl die Zeit gekommen. Noch wissen wir nicht was er will. Vernichtung, immer noch deine Mutter, einfach nur Rache. Ich weiß es nicht. Aber wir sollten vorbereitet sein.“

„Alles klar. Ich werde meine Waffen prüfen. Unseren Vorrat an Fingerhut-Bomben. Und noch so einige andere nette magischen Wunderwaffen, die ich so im Repertoire habe.“

„Mach das mein Schatz. Ich werde mich mal praktischer anziehen. Im Morgenmantel wirke ich nicht sehr beängstigend, oder?“ Sie lachte herzhaft und ich konnte nicht anders als einzustimmen. Wir waren wirklich überheblich. Wir waren sicher zu gewinnen. Das Gute gewann immer.

Wir waren bereit und warteten. Anamon ließ sich Zeit. Soviel Zeit, dass Oma noch ihre Socken fertig stricken konnte. Okay – ihre Nadeln strickten, sie hatte sie magisch etwas angeschubst. Aber die Socken waren immer schön kuschelig und warm. Denn hier wurde es verdammt kalt im Winter. Wir sangen Lieder und die Vögel tanzten dazu. Auch die Bienen hatten sich angeschlossen. In diesem Moment trafen die Hornissen ein. Eine machtvolle Armee. Sie warfen ihre Speere in das Gebüsch und schlossen sich unserem Gesang an. Hornissen hatten wundervolle Stimmen. So nach und nach trudelte unsere Armee ein und da Anamon wirklich langsam war, hatten wir am Ende eine kleine Gartenparty. Honig floss und leckere Früchte wurden herum gereicht. Getanzt und gelacht wurde.

Fast hätten wir Anamons Ankunft verpasst. Aber ein kalter Wind zog auf und warnte uns. Natürlich sahen wir erst mal nicht ein unser Fest zu unterbrechen. Warum auch. Es war so friedlich. Im Hintergrund hörten wir die stolzen Schritte Anamons Armee und seiner Pferde. Dann stand er vor uns. Ich drehte mich zu ihm um und lachte. Sein Blick war unbezahlbar. Während seine furchtbaren Krieger sich hinter ihm versammelten, sangen und tanzten wir weiter. Ich glaube, der Honig war schon eher Honigwein gewesen.  Wir waren betrunken.

Anamon stieg vom Pferd. Bewaffnet bis an die Zähne. Er trat auf die Lichtung. Die Rosenranken schlossen sich zum Schutz. Er konnte nicht eintreten.

Es donnerte mahnend. Anamon war sauer. Und wir tanzten und tanzten. Wir konnten einfach nicht anders.

„Eranika. Was soll das hier? Ich weiß, dass du vorbereitet bist auf mich. Ich habe deinen Blick gespürt. Du weißt, dass ich eindringen werde, egal wie.“

Meine Oma tänzelte an die Ranken und streckte ein Glas Honig durch.

„Anamon. So lange haben wir dich nicht gesehen. Und ihr habt uns heute so lange warten lassen. Du weißt, dass wir nicht so geduldige Warter sind. Also was sollten wir machen. Das eine ergab das andere und ich glaube wir müssen deinen Krieg erst mal verschieben. Wir sind nicht mehr nüchtern. Das wird nicht gut ausgehen. Komm trink mit mir.“

Er dampfte und schlug ihr das angebotene Glas aus der Hand. Ich konnte sehen wie sich sein Pferd daran labte. Dann klickte es und es war ebenfalls betrunken. Der Honig war wirklich sehr stark gegärt. Im Hintergrund konnte ich sehen, wie sich seine Krieger die Lippen leckten. Es war ein langer Ritt gewesen. Lange Wege machten immer durstig. Ich schickte die Vögel heimlich los und sie verteilten hinterrücks von dem leckeren Honig. Die Männer tranken gierig und waren verloren.

Schade, eigentlich hatte ich mich auf einen kleinen Kampf gefreut. Es war schon einige Zeit her, dass ich meine Fähigkeiten anwenden konnte. Aber heute und hier, würde das wohl nicht mehr stattfinden.

Anamon drehte sich um und sah seine betrunkenen Männer. Seine Wut entlud sich. Da trat meine Mutter vor.

„Anamon. Mein Freund.“

Anamon erstarrte. Er errötete sogar. Ach, das war fast niedlich. Ein so böser Krieger – Magier und errötete schüchtern wie ein kleiner Schuljunge.

„Miranda.“

„Anamon. Was soll denn das? Ein Krieg, weil du nicht bekommen konntest was du wolltest? Ist das nicht zu albern. Komm. Trink und lach mit uns. Es ist schon so lange her. Frana ist auch da.“

Meine Tante? Was hatte denn meine Tante damit zu tun?

„Du weißt, dass sie dich immer schon mochte? Aber du warst zu stolz sie zu beachten. Wie wäre es denn jetzt? Schluck deinen Stolz herunter, steig ab, trink ein Glass Honig mit uns und tanze mit Frana.“

„ich bin nicht zum Tanzen und feiern hier. Ich bin hier um meine Schande zu rächen.“

„Ach sei nicht albern. Du weißt, dass du nicht gewinnen kannst. Schau dich doch um. Unsere Armee ist viel mächtiger. Deine ist schon betrunken. Arnika. Meine Tochter.“ Bemerkte sie nebenbei.

„Arnika, komm hilf unserem Gast herunter. Ihr könnt euch über Kriegskunst unterhalten. Aber erst wird noch getanzt.“

Meine Mutter war eine Meisterin im Überreden. Und ich konnte sehen, wie der dicke Panzer von Anamon riss. Er zierte sich, aber er hatte schon verloren. Diese Gegend hatte schon andere bezwungen. Er war harmlos.

Heute würde es keinen Krieg mehr geben. Heute nicht. Aber ich wusste, dass ich irgendwann mal meine Kunst beweisen müsste.

ENDE

Action, writing friday

Writing Friday – Wir schaffen das….2 von 2

So, hier kommt die Fortsetzung zum gestrigen Writing Friday.

Gestern habt ihr gelesen, dass Sam und Martin in ein ziemliches Unwetter geraten sind und jetzt auf der Suche nach Miriam sind. Die Frau und Mutter. Heute begeben sie sich weiter auf die Suche.

Dort stand sie. So verloren und klein. Als sie ihn um die Ecke kommen sah rannte sie auf ihn zu und ließ sich auffangen. „Da bist du ja. Ich dachte du bist tot.“ „Was und lass dich hier alleine. Das wirst du nicht erleben. Ich sterbe nicht bevor du verheiratet bist und ich wenigstens Uropa bin.“ Sie giggelte und kuschelte sich an ihn. „Komm ich weiß wo Mami hin wollte. Sie wollte uns suchen.“ Auf dem Weg zum Auto klärte er seine Tochter auf. Das nächste Ziel: Kino.

Als sie am Kino ankamen erwartete sie ein ähnlich zerstörerisches Bild wie beim Salon. Der wunderschöne, riesige Weihnachtsbaum war entwurzelt worden und genau auf den Eingang des Kinos gefallen. Dort war Miriam gewiss nicht hinein gegangen. Hineingelangt. Sie hatte bestimmt den Parkplatz nach ihrem Auto abgesucht. Nein, hier hätte sie keine Zeit verschwendet. Schnell stiegen sie wieder ins Auto uns fuhren vorsichtig weiter. Die Kirche stand noch. Martin atmete auf. Sie war auf einem kleinen Hügel errichtet worden und somit nicht ganz so den Witterungen ausgesetzt, da das Wasser abfließen konnte und keine hohen Bäume vor Ort waren.

„Bleib im Wagen, ich gehe schnell zu Pater Ernest und frag nach Mami.“ Sam wollte widersprechen, aber Martin erhob den Zeigefinger und sie blieb still sitzen. Nicht ohne zu schmollen. Er stieg aus und begab sich zur Eingangstür. „Martin, schön, ihr habt es geschafft.“ „Hallo Pater. Nur ich und Sam. Wir suchen Miriam. Ist sie hier gewesen?“ „Miriam? Ich glaube nicht. Warte ich frage Wanda. Sie hat die Leute aufgelistet. Wanda?“ Eine ältere Frau drehte sich zu ihnen um. „Pater? Hallo Martin.“ „War Miriam hier?“ „Ja, ja sie war hier. Aber weil sie euch nicht gefunden hat, ist sie weiter gegangen. Sie sucht euch.“ Martin ließ die Schulter hängen. Aber immerhin lebte sie noch. „Danke ihr beiden. Ich werde dann mal weiter suchen.“ Am Auto angekommen, ließ er sich auf den Beifahrersitz plumpsen und schüttelte nur den Kopf. „Auf zum Gemeindesaal.“ Lächelte er ihr zuversichtlich zu.

Der Gemeindesaal lag in Richtung ihres zu Hauses. Martin wendete und fuhr wieder vorsichtig an. Im Rückspiegel konnte er den Pater und Wanda erkennen. Hätte er Sam vielleicht bei ihnen lassen sollen? Da wäre sie bestimmt sicherer gewesen. Ein Blick neben sich, versicherte ihm, dass sie mitzunehmen die richtige Entscheidung war. Sie wäre sowieso nicht dort geblieben.

Am Gemeindesaal angekommen, wurden sie von einem unüberblickbaren Chaos begrüßt. Wie sollten sie hier Miriam finden? Nein, ziellos herum irren hätte keinen Sinn. Wieder verwies er Sam auf ihren Platz und ging zum Eingang. Zum Glück gab es dort schon Helfer, die die Namen der Leute im Inneren notiert hatten. „Martin, hallo.“ „Marv. Toll ihr habt es geschafft. Hast du Miriam gesehen?“ „Ja, sie war hier. Hier, das hat sie mir gegeben, als sie euch nicht gefunden hatte. Sie wusste, dass ihr hier herkommen würdet. Wohin auch sonst?“ „Nach Hause.“ „Ich weiß nicht, die Brücke hat einiges abbekommen. Es könnte sein, dass sie einstürzt, wenn ihr drauf fahrt. Bleibt doch besser hier.“ Martin drehte sich zur Brücke um. Der einzige Weg zu ihrem Haus. Er schaute aufs Auto. Sollte er Sam jetzt hier lassen? Nein. Nein. Sie würden das schaffen. Vielleicht war er egoistisch. Sie wäre hier sicher, aber nicht in seiner Obhut. Was wenn es wieder los gehen würde. Nein, sie würde ihm helfen, Miriam zu finden. „Danke Marv. Ich denke wir versuchen es. Ich werde es mir genau anschauen.“ Er klopfte Marv dankend auf die Schulter und ging zum Auto zurück. Als er sass schaltete er die Innenbeleuchtung an und lass den Zettel. Martin, Sam. Ich hab euch überall gesucht. Ich weiß, ihr lebt noch. Ich würde es spüren, wenn nicht. Ich gehe jetzt nach Hause. Dort werde ich auf euch warten.

Miriam. Sie war immer so nüchtern. Sie mochte keine große Gefühlsduselei. Das mochte er so an ihr. Er wusste dann immer, wenn sie Gefühle zeigte, dann waren sie auch echt. „Was meinst du? Fahren wir heim?“ Sam rückte sich zurecht. „Auf jeden Fall. Hasi will in seinem Bett schlafen. Er bekommt Rückenschmerzen im Auto.“ Ich musste lächeln. „Dann mal los.“

Martin startete den Wagen und fuhr zur Brücke. Dort stieg er aus und betrachtete sich die Substanz. Die Taschenlampe beleuchtete alles nur notdürftig. Aber er konnte schon einige bedenkliche Risse auf der Oberfläche sehen. Er blickte über das Brückengeländer und sah, dass sich dort einige große Bäume am Pfeiler gesammelt hatten. Es kamen immer mehr und die drückten gegen ihn. Sie würden ihn vielleicht zum einstürzen bringen. Es war riskant. „Was ist los, Papa?“ „Die Brücke ist nicht sicher. Sie könnte einstürzen.“ „Sie wird halten. Steig ein. Ich bekomme Hunger.“ „Du hast Recht, sie wird halten.“

Noch einmal startete er das Auto. Langsam bewegten sie sich auf die Brücke zu. Martin wagte kaum zu atmen. „Schatz, nimm die Taschenlampe und schau dir die Seiten an, dort wo die Scheinwerfer nicht hinkommen. Wenn etwas bröckelt sag Bescheid.“ Sie schnappte sich die Taschenlampe und ließ das Fenster hinunter. „Alles klar. Kannst fahren. Langsam, langsam. Laaangsam.“ Ein knirschen ließ ihn aufs Bremspedal treten. Sie hätten das Auto stehen lassen sollen. Aber der Weg nach Haus mit Wagen betrug schon eine Stunde. Und im Dunkeln, wollte er das auf keinen Fall riskieren. „Fahr weiter, fahr weiter, es bröckelt. Schnell, Papi, schneller. Da vorne bröckeln die Steine aus dem Geländer. Ich glaube der Riss verbreitert sich. Fahr schneller, schneller, schneller.“ Schrie Sam. Er drückte aufs Gas. Ein Riss vor ihnen hatte sich gefährlich verbreitert. Wenn er zu langsam darüber fuhr, könnten die Reifen hängen bleiben. Er musste Gas geben und hoffen, dass die Brücke hielt. Er drückte das Gaspedal durch und ließ die Reifen quietschen. Ein kleiner Hopser und das Auto fuhr. „Der Spalt wird breiter, Papi, schneller, schneller. Fahr schneller.“ Martin versuchte die Angst in ihrer Stimme auszublenden und bretterte über diesen Spalt. Einen kleinen Moment hielt er die Luft an, als es sich anfühlte, als würden sie stecken bleiben. Aber die breiten Reifen stolperten nur kurz darüber. Samantha drehte sich um. Und jauchzte. „Jeah..oh nein. Schneller, die Brücke stürzt ein. Sie bricht zusammen. Fahr, fahr, fahr.“ Bei jedem Wort schlug sie auf die Rückseite seines Sitzes. Im Rücklicht konnte er sehen, wie der Spalt sich verbreiterte und hinter ihnen die Brücke einstürzte. Die Reifen drehten durch und das Auto schlingerte. Dann fing sich der Wagen wieder und sie fuhren dem Riss davon. Auf der anderen Seite angekommen, hielt Martin das Auto an. Seine Hände zitterten und er musste den Kopf auf das Lenkrad legen. Tief durchatmen, tief durchatmen. Bloß nicht ohnmächtig werden. Kleine Arme schlangen sich um seinen Hals. „Wir haben es geschafft. Die blöde Brücke kann uns nichts anhaben. Wir sind schneller.“ Sie stiegen aus.

Sam schaute zu ihrem Vater: „Paps?“ „Hm?“ Meinst du wir finden sie?“ „Natürlich, mein Schatz, wenn sie noch lebt finden wir sie.“ Mit großen Augen in denen die Tränen schimmerten fragte sie: „Könnte sie tot sein?“ Martin überlegte kurz. Nach diesem Tag war sie kein Kind mehr. Sie konnte die Wahrheit ertragen. „Ja mein Schatz, das könnte sie.“

Ende

 

 

Action, Allgemein, writing friday

Writing Friday – Wir schaffen das….1 von 2

Und schon wieder ist eine Woche um. Ich habe doch tatsächlich fleissig für den Writing Friday geschrieben. Wirklich fleissig und es ist viel geworden. Deswegen werde ich den Text teilen. Damit ihr ihn besser lesen könnt und es euch nicht zu langatmig wird.

Eine Geschichte, die ich aus einem Bruchstück eines Traumes geschrieben habe.

Schreibe eine Geschichte die mit dem Satz “Es war eine Nacht, wie es sie noch nie zuvor gegeben hatte, zum ersten Mal sah man…” beginnt


Es war eine Nacht wie es sie noch nie zuvor gegeben hatte, zum ersten Mal sah man die Ausmaße des Geschehenen. Martin hatte Samantha an der Hand und blickte zum anderen Ufer, auf ihre Stadt herüber.

Sam schaute zu ihrem Vater: „Paps?“ „Hm?“ Meinst du wir finden sie?“ „Natürlich, mein Schatz, wenn sie noch lebt finden wir sie.“ Mit großen Augen in denen die Tränen schimmerten fragte sie: „Könnte sie tot sein?“ Martin überlegte kurz. Nach diesem Tag war sie kein Kind mehr. Sie konnte die Wahrheit ertragen. „Ja mein Schatz, das könnte sie.“

Martin seufzte und dachte einige Stunden zurück.

Er war mit Sam und Miriam im Auto unterwegs. Sie wollten in die Innenstadt. Ihr Haus lag ziemlich abseits. Sie liebten die Ruhe. Vor Jahren waren sie aus der Stadt aufs Land gezogen. Martin hatte eine gutgehende Web-Design Firma von der er meist zu Hause arbeiten konnte und Miriam war Grundschullehrern. Samantha war sieben. Sie liebte das Landleben. Überall Tiere, Pflanzen, Pfützen. Sie konnte ihrer Fantasie freien Lauf lassen.

In der Stadt hatten sie Miriam beim Friseur raus gelassen. „Ich muss unbedingt zum Friseur. Meine Haare sehen aus wie ein Rabennest. Sie müssen mal wieder verwöhnt werden. Da gönn ich mir gleich  mal das Komplettverwöhnpaket. Maniküre, Pediküre, Kopfmassage. Oh, das werde ich genießen. Ihr zwei könnt also mindestens eine Stunde machen worauf ihr Lust habt.“ Sam und Martin schauten sich an. „Kino?“ „Kino!“ Sie eilten zum Auto. Ein kurzer Blick zurück zu Miriam. Ein Handkuss und schon drängelte Sam ihn zur Eile.

Der Himmel war grau in grau. Es sah nach Regen aus. Martin hatte es gerade zu Ende gedacht, da platschten die ersten großen Regentropfen auf die Autoscheibe. Sam blickte fasziniert dem Verlauf des Tropfens hinterher, als sich der nächste Tropfen einfand und der Spur des Vorgängers folgte. Sam ließ ihren Finger die Scheibe entlang, dem Weg des Tropfens folgen. Danach öffneten sich die Himmelsschleußen. Ein Platzregen ergoss sich über das Auto. Sam schrie erschrocken auf. Die Scheibenwischer schafften es nicht mehr, die Massen von Wasser zu verdrängen. Es lief wie ein Sturzbach an dem Auto herab.

Sam blickte zu Martin: „Papa, ich hab Angst. Das ist so viel Wasser und es ist so dunkel.“ „Ich weiß mein Schatz. Das ist nur einen Moment. Solche Regengüsse halten sich nicht lange. Ich versuche an den Straßenrand zu kommen und dann warten wir einfach. Okay.“ Sie nickte. Martin gab es schnell auf, das Auto weiter zu bewegen. Er ließ es einfach stehen und die Lichter blieben an, damit sie von anderen Autofahrern gesehen werden konnten. Er hoffte allerdings, dass die anderen auch stehen bleiben würden. Sam zitterte. „Komm Schatz. Klettre auf meinen Schoss.“ Sie ließ sich nicht lang bitten. Er holte die Decke vom Rücksitz und sie kuschelten sich aneinander.

Wenige Minuten später ruckelte das Auto. Martins Herz setzte einen Schlag aus. Das Auto bewegte sich. Es wurde von den Wassermassen mitgezogen. Er musste sehen was da draußen los war. Vorsichtig setzte er Sam auf den Beifahrersitz und drückte ihr, ihren Kuschelhasen in die Hand.

Er öffnete die Tür. Der Wind riss sie aus seiner Hand und er konnte das ganze Ausmaß der Katastrophe sehen. Ein Regenvorhang war vor ihm. Kein einziger Lichtstrahl vermag ihn zu durchdringen. Absolute Dunkelheit umgab ihn. Unter sich konnte er schwach das Wasser erkennen. Aus einem kleinen Rinnsal war ein kleiner Bach geworden. Schnell versuchte er sich gegen den Wind zu stemmen und die Tür wieder zu verschließen. Es fühlte sich an, als wolle der Wind ihm die Arme aus den Gelenken reißen. Aber er schaffte es und zog die Tür heftig zu. Er überlegte den Motor zu starten um die Heizung anzumachen. Er war nass, das Autoinnere war nass. Aber er hatte Angst, dass die Batterie zu stark belastet werden würde. Das durfte nicht passieren. Sobald es möglich war, mussten sie weiter fahren.

Er überlegte fieberhaft was zu machen wäre. Er zog sein Handy vor. Natürlich gab es keinen Empfang. Hoffentlich war Miriam in Sicherheit. Viel mehr musste er sich um sie beide Gedanken machen. Das Städtchen war umgeben von Hügeln. Es lag in einer Art Tal. Martin befürchtete, dass dieser starke Regen den Untergrund der Hügel instabil werden lassen könnte. Und dann würde hier eine Lawine von Geröll und Erde herunter kommen.

Ihm blieb jetzt erst mal nichts anderes übrig, als im Auto zu bleiben. Der Wind und die Massen von Wasser würde sie wie ein Pingpongball über den Asphalt zerren. Das Auto ruckelte und Sam quickte. „Wir sind hier sicher. Hab keine Angst, das geht vorüber.“ Sie blickte ihn voll vertrauen an. Dieser Blick versetzt ihn einen kleinen Dolchstoß ins Herz. Er hoffte ihr Vertrauen in ihn wär gerechtfertigt. Er hoffte sie würden hier heil rauskommen. Wie lange noch? Das Radio, es würde bestimmt einen Notfallsender geben. Schnell drehte er an dem Knopf. Ein statisches Rauschen drang in sein Ohr. Kein Empfang. Aber es würde bestimmt einen Notfallkanal geben. Er zwang sich den Knopf zur Sendersuche langsam zu betätigen. Ein nervzerreisendes Rauschen, war das einzige Geräusch. „….in ihren Häusern zu bleiben.“ Da. „Starke Regengüsse behindern den Verkehr. Die Bevölkerung wird gebeten, die Autos stehen zu lassen und in ihren Häusern zu bleiben. Sobald der Regen nach gelassen hat, können sie sich in den Notunterkünften einfinden, die entweder in den Schulen oder Gemeindesälen eingerichtet wurden. Bitte bleiben sie zu ihrer eigenen Sicherheit in den Gebäuden. Sollten sie in einem Auto eingeschlossen sein, verlassen sie dieses auf keinen Fall. Rettung wird geschickt, sobald die Lage es zu lässt.“

Na toll. Die Rettungsleute kamen also auch nicht durch. Kein Problem. Bis auf die Nässe, war es zum Glück nicht kalt. Zu trinken und zu Essen hatten sie auch eine Kleinigkeit. Das würde für einige Stunden reichen. Martin ließ sich im Sitz zurück sinken. Legte die Hände an die Schläfen und versuchte den beginnenden Kopfschmerz weg zu massieren.

„Papa?“ „Ja Kleines?“ „Werden wir sterben?“ „Was, ach nein. Das ist nur Regen. Irgendwann hört der schon auf. Dann fahren wir zu Mami und danach nach Hause. Da mach ich eine große Portion Pommes und wir kuscheln uns gemeinsam auf die Couch und gucken einen lustigen Film. Irgendwann wird das hier nur eine Erinnerung sein, von der wir erzählen können. Ein Abenteuer.“ „Okay. Ich bin bisschen müde. Vielleicht schlaf ich ein bisschen? Dann geht die Zeit schneller rum.“ „Mach das.“

Sanft streichelte er ihren Kopf und strich ihr das Haar aus der Stirn. Sie war sehr tapfer. Er musste auch tapfer sein. Das würde er schaffen. Sie mussten dieses Unwetter doch nur aussitzen, oder?

++

Ein heftiger Ruck ließ Martin aufschrecken. Er war wohl selbst eingeschlafen. Das Auto bewegte sich. Verdammt. Ein Blick auf Sam bestätigte, sie schlief noch.  Es war immer noch dunkel und man konnte nichts sehen. Das Licht der Scheinwerfer verpuffte einfach. Er griff nach dem Lenkrad. Ein weiterer Ruck und das Auto löste sich. Der Schweiß brach ihm aus. Seine Hände rutschten am Lenkrad entlang. Er versuchte es gerade zu halten und hoffte auf keinen anderen Wagen zuzusteuern. Soweit er sich erinnerte, war der Strassenverlauf hier recht gerade. Vielleicht hatte er die Chance irgendwie an den Bordstein zu kommen um sich dort festzukeilen.

Vorsichtig lenkte er nach rechts. Er wollte sanft andocken, sonst würde er sich die Achse ruinieren und könnte dann nicht mehr fahren, wenn die Sicht wieder frei wäre. Er schlitterte langsam. Das Auto tanzte, wie nach einem nur für es selbst hörbaren Song, nach rechts, nach links, nach rechts. Dann spürte Martin einen Widerstand. Ein Bordstein. Sie standen. Er atmete tief aus und löste die verkrampften Finger vom Lenkrad.

Vorsichtig ließ er das Fenster herunter. Der Regen schien schwächer geworden zu sein. Es würde nicht mehr lange dauern und sie könnten los fahren.

++

Wieder musste er eingenickt sein. Sein Nacken schmerzte. Der Regen schien aufgehört zu haben. Er drehte sich um und sah wie sich Sam in die Decke gekuschelt hatte. Nur ihr Haarschopf und die Ohren ihres Stoffhasen waren zu sehen.

Es war stockdunkel draußen. Die Laternen waren ausgefallen. Die ganze Stadt war dunkel. Es gab also keinen Strom mehr. Er startete den Motor. Die Straße stand unter Wasser – aber mit seinen Geländewagen war das kein Problem. Seine Reifen verdrängten das Wasser und er glitt durch die Nacht. Er würde zurückfahren um Miriam aus dem Salon abzuholen. Sie war bestimmt bei diesem Wetter dort geblieben. Im Schritttempo bewegte sich das Auto. Bloß nirgends dagegen fahren, das Auto war ihre Sicherheit. Auf der Rückbank bewegte sich Sam. „Papa? Ist es vorbei?“ „Ja Süße. Es ist vorbei. Wir fahren jetzt Mama holen und dann schnell nach Hause. Dann machen wir eine heiße Schokolade und erzählen von unserem Abenteuer. Klingt das gut?“ Sie krabbelte auf den Vordersitz und schnallte sich an. „Oh ja, ich kann ihr erzählen wie gruselig es war. Wie laut der Regen war und dass Hasi ganz viel Angst hatte.“ „Genau.“ Martin verwuschelte Ihr das Haar und kniff ihr in die Wange.

Er war etwas orientierungslos, da durch die fehlende Beleuchtung alles anders aussah. Die Fixpunkte an denen er seinen Weg immer orientierte existierten nicht im Dunkeln. Waren sie überhaupt noch da? Dieses Unwetter hätte bestimmt einiges zerstört. „Da, Papa, da ist der Friseur. Da, die Ecke.“ Martin starrte aus dem Fenster. Die Ecke existierte nicht mehr. Ein LKW hatte die Gewalt über sein Fahrzeug verloren und war in den Laden gefahren. Er hatte ihn einfach eingedrückt. Er trat erschrocken auf die Bremse. Durch das Wasser verlor er etwas die Spur und schlitterte. Gegenlenken, gegenlenken. Ganz ruhig. Dann standen sie. Er öffnete die Tür und stieg aus. Sam kam von ihrer Seite aus zu ihm. „Wo ist der Laden?“ „Hinter dem LKW“. „Und Mama?“ „In Sicherheit.“ Sam schaute zu ihm nach oben. Hoffentlich strahlte er mehr Zuversicht aus, als er fühlte. Langsam bewegte er sich Richtung Laden. „Bleib da stehen, Schatz. Es kann sein, dass noch Teile herunterfallen. Ich gucke mal nach Mami.“ Sam nickte langsam und drückte ihren Hasen noch enger an sich. So verloren sah sie auch. Am liebsten hätte er sie ebenso an sich gedrückt wie sie ihren Hasen.

Aus dem Handschuhfach hatte er eine Taschenlampe entnommen und leuchtete den Eingang ab. Es gab keinen Eingang mehr. Er lief um den LKW herum. Es gab kein hineinkommen. Er bückte sich, vielleicht konnte er von unten dran. Ja, da war eine Lücke. Er konnte unter dem LKW durch hinein. Er legte sich hin und zog sich unter die Achse. Dann drehte er sich auf den Bauch. Die Taschenlampe schob er immer ein Stück vor sich her und robbte dann nach. Überall lag Glas. Er musste aufpassen, dass er sich nicht die Hände zerschnitt. Dann war er durch. Er stand auf und betrachtete die Überreste des Friseursalons. Überall lagen Lockenwickler und Haarklemmen. „Miriam?“ rief er zaghaft. Keine Antwort. „MIRIAM?“ rief er nun lauter. Er kletterte über Geröll und umgestürzte Friseurstühle. Dort hinten, war das eine Hand? Sein Mund wurde trocken. Langsam ging er darauf zu. Die Hand war blutig und ragte unter den Steinen hervor wie ein makabres Kunstwerk.

Er wollte nicht wissen, wer darunter lag. Was wenn sie es war? Zaghaft bückte er sich und räumte die Steine weg. Legte die Hand frei, bis er das Bündchen eines Pullovers erkennen konnte. Er stoppte und atmete tief aus. Miriam hatte sein Jeanshemd gegriffen. Sie war es nicht. Erleichtert ließ er sich auf den Boden nieder. Er brauchte paar Sekunden um seinen Kreislauf wieder in den Griff zu bekommen. Sie war es nicht. Sie war es nicht.

Er musste weiter gehen. Die selbe Situation traf er noch zwei weitere mal an. Jedes Mal war es kein Jeanshemd. Er ging weiter nach hinten. Dort mussten die Lagerräume und Privaträume sein. Dort sah es noch recht gut aus. Die Zerstörung hatte sich auf den Laden beschränkt. Eine Tür war angelehnt. Ein Quietschen entwich ihr als Martin sie aufdrückte. Dort war keiner mehr. Er blickte sich genau um. Auf dem Tisch lag ein Zettel. Von Miriam: Das heutige Datum war vermerkt. Die Uhrzeit 19:25 Uhr. Ein Blick auf seine Uhr zeigte ihm, dass es schon 23:45 war. Sie hatte ihren Plan notiert. Hinterausgang, Hinterhof, Kino. Wenn nicht dort: Gemeindehaus, Kirche, Zu Hause. Gruß Miriam. Man konnte ihr nicht vorwerfen zu ausführlich zu sein. Aber das reichte ihm. Sie lebte und sie war auf der Suche nach ihnen. Schnell stopfte er den Zettel in die Tasche, als er ein Rumpeln vernahm. Er ging in den Laden und sah, dass ein großer Betonblock von einem oberen Stockwerk auf den LKW gefallen war und ihn sofort tiefergelegt hatte. Auf diesen Weg kam er nicht mehr zurück. Aber er wusste ja von dem Hinterausgang. Schnell lief er in die Richtung Flur. Dort hinten vernahm er den Schemen einer Tür. Die Taschenlampe warf beim rennen gruselige Effekte an die Wand. Die Tür öffnete sich leicht und stolpernd bewegte sich Martin hinaus. Welche Richtung? Egal. Nein – dort – links, da standen die Mülltonnen. Dort würde es bestimmt zur Straße gehen.

Fortsetzung

Action, Dystopie, Projekt TXT*

Projekt TXT – Das zwölfte Wort – Weihnachten 8 von 8

Heute endet meine Geschichte – ich hoffe, denen, die dabei geblieben sind hat sie gefallen. Danke fürs lesen. 

Hoffen auf ein Weihnachtswunder

Hier findet ihr den Anfang

und HIER die einzelnen Beiträge

  1. Kapitel

Was bisher geschah: Matthew freute sich, dass seine Familie entkommen war – aber jetzt startete die Suche erneut. Wie wird er auf seine Familie stossen, hatten sie die Flucht gut überstanden? Endlich würde Mina ihre Tochter befreien. Aber die Flucht klappte nicht reibungslos. Sie wurden entdeckt und Mina musste handeln um sie retten zu können. Jetzt waren sie frei und flüchteten. Würden sie jetzt bald alle drei wieder zusammen treffen und ein Weihnachtswunder erleben?

Endlich waren sie frei. So lange waren sie in diesem furchtbaren Camp gefangen. Jetzt wurde es Zeit was Festes zu finden und zur Ruhe zu kommen. Sie wollte noch paar Fluchtpunkte auf der Karte ansteuern, für den Fall, dass Matthew noch leben würde und sie suchte. Aber es neigte sich dem Ende ihrer Reise zu. Sie konnte einfach nicht mehr lange weiter gehen. Es wurde zu anstrengend.

Dann fanden sie das kleine Häuschen wieder.

***

Matthew war noch einige Fluchtpunkte abgegangen. Endlich fand er wieder ein Lebenszeichen. Er atmete tief durch. Ihm wurde ganz schwindlig. Sie lebten. Sie lebten und er würde sie bald wieder sehen. Im letzten Unterschlupf hatte sie eine Spur hinterlassen. Er hatte alle davor schon vernichtet, um nicht zufällig entdeckt zu werden. Auch diesen Hinweis würde er vernichten, sobald er sie gefunden hatte.

***

Heute war Weihnachten. Mina saß auf der Veranda. Das Haus war sauber, geschmückt und alle Zimmer nützlich. Der Garten war teilweise vorbereitet. Im Nächsten Frühjahr würden sie anfangen, das gefundene Saatgut einzusetzen. Das Leben würde anders werden, aber sie hatten überlebt. Jetzt war es daran vorauszublicken. Der Nebel verwandelte ihr kleines Grundstück, das so gut abgeschottet war in einen Zauberwald. Sie hatte eine Tasse Kräutertee in der Hand, als sie ein Geräusch vernahm. Ein Schatten bewegte sich durch den Nebel. „Nadja, hol mir schnell mein Gewehr.“ Nadja stolperte ins Haus und kam mit dem Gewehr, das ihr eigentlich viel zu schwer war, wieder hinausgewankt. Unsicher versteckte sie sich hinter ihrer Mutter, die sich mühevoll aus dem Stuhl gequält hatte. „Bleiben sie stehen.“ Rief sie in den Nebel. „Ich hab ein Gewehr und kann damit umgehen.“ Leicht zitterte sie. Aber sie war fest entschlossen ihr Heim zu verteidigen. Aus dem Nebel schälte sich eine Figur. Sie konnte erkennen, dass sie die Arme nach oben hielt.

Ruhig versuchte sie tief einzuatmen, was ihr in letzter Zeit nicht leicht fiel. Ein Mann manifestierte sich. Sein Gesicht hatte einen dichten Bart. Aber die Augen – sie ließ das Gewehr sinken. Nadja bemerkte eine Veränderung an der Stimmung ihrer Mutter und trat schüchtern hinter ihr vor. „Mami?“ Mina streichelte beruhigend ihren Kopf. Langsam trat sie die Treppe hinab. Der Mann kam auf sie zu. Sie standen etwas entfernt gegenüber. Das Gewehr fiel ihr aus der Hand. Dann rannte sie, so gut sie noch konnte, auf ihn zu. Er fing sie auf und drückte sie, so dass sie fast keine Luft mehr bekam. „Matthew.“ Sie weinte und lachte.

***

Der Nebel erschwerte Matthew den Weg. Er stapfte durch diesen kleinen Wald, der das Grundstück, das sie markiert hatte, umgab. Sie hatte eine gute Wahl getroffen. Dieses Gebiet war nicht einsehbar. Selbst jetzt im Winter. War es dicht genug, dass sogar Licht geschluckt wurde. Langsam bewegte er sich vorwärts. Er wollte niemanden erschrecken. Mit erhobenen Händen betrat er das Grundstück. Er hörte die Warnung, die sie aussprach. Seine Hände zitterten. Sein Herz schlug bis zum Hals. Seine Familie. Hinter ihr stand ein kleines Mädchen. Seine Nadja. Er trat aus dem Nebel in das Licht. Sie ließ die Waffe sinken. Er starrte sie an. Eine Wölbung war unter dem Dicken Pullover zu erkennen. Ja – sie war schwanger. In diesem Moment stürmte sie auf ihn zu. Er fing sie auf und musste sie drücken. Er drückte sie so fest, dass sie schnaufte. Niemals wieder würde er sie los lassen. Seine große Liebe. Sein Leben.

***

„Matthew.“ Flüsterte sie. Sie löste sich unsicher von ihm. Trat einige Schritte zurück. Vorsichtig streichelte sie ihren Bauch und blickte ihn herausfordernd an. Er trat auf sie zu. Streckte seine Hand aus und streichelte ebenfalls über den Bauch. „Wir bekommen ein weiteres Kind.“ Strahlte er. Er bemerkte wie sie sich entspannte. „Ja, wir bekommen ein weiteres Kind.“ Nadja trat hinter ihr auf die Treppe. „Mami?“ Sie drehte sich um und hielt ihren Arm auf. “Komm Schatz, lerne endlich deinen Vater kennen.” Nadja trat Matthew entgegen. Beide sahen sich unsicher an. Matthew bückte sich und hielt vorsichtig die Arme auf. Dann stürmte Nadja in seine Arme und er konnte nach so langer Zeit seine Tochter umarmen. Ein Weihnachtswunder. Sie schloss die Augen und dachte an den Weihnachtsmann und den Wunschzettel, den sie heute Morgen auf das Fensterbrett gelegt hatte. Dort stand nur ein einziger Wunsch drauf. Und der Weihnachtsmann hatte ihn ihr erfüllt. Sie drückte sich fest an ihren Vater. Und wenn man ganz genau hinhörte, konnte man in der Ferne leises Glockenklingen hören.

ENDE

Action, Dystopie, Projekt TXT*

Projekt TXT – Das zwölfte Wort – Weihnachten 7 von 8

Weiter geht es mit meiner Geschichte

Hoffen auf ein Weihnachtswunder

Hier findet ihr den Anfang

und HIER die einzelnen Beiträge

  1. Kapitel

Was bisher geschah: Matthew hatte das Camp gefunden in dem Mina und Nadja waren. Nadja wurde mittlerweile deportiert. Die Kinder wurden in einem separaten Camp gedrillt. Das war nötig um den Fluchtplan umzusetzen. Aber es begann eine harte Zeit für sie, in der sie aber nie die Hoffnung verlor.

In den letzten Tagen war Mina fast an gebrochenen Herzen gestorben. Sie wusste, dass es nur vorübergehend sein würde. Aber was wäre, wenn es nicht funktionieren würde? Wenn Angela es nicht schafften, dass sie verbannt werden würde? Eine tiefe Verzweiflung machte sich breit. Sie verfiel in eine Depression. Das nutzte Angela für ihre Zwecke.

„Walt, wie lange willst du eigentlich Mina noch durchfüttern? Sie ist nutzlos. Fast eineinhalb Jahre jetzt hier und immer noch nicht schwanger. Und jetzt. Sie bekommt nicht mal mehr ihren Hintern aus dem Bett, wenn ich sie nicht raus trete. Schieb sie endlich ab. Ihre Tochter hast du, was willst du noch mit ihr?“ Walt blickte sie nachdenklich an. „Ich dachte ihr wärt Freundinnen?“ „Was, mit der eingebildeten Ziege. Sie hält sich für was Besseres, seit der Tag an dem sie hier ankam. Und was ist – nichts. Untauglich für deine Zwecke. Sie futtert nur und bringt nichts. Schieb sie endlich ab.“ Er strich sich durch den Bart. „Ja, du hast wohl Recht. Sie taugt nichts mehr. Alle hatten schon ihren Spaß und keiner will mehr so richtig was von ihr. Sie ist am Ende. Sie muss gehen.“ Zufrieden nickt Angela. Sie hatte es geschafft. Jetzt musste sie nur noch Marnie im Kinderheim kontakten, dass dort auch alles wie geplant von statten gehen würde. Sie verließ Walts Zimmer und rieb sich zufrieden die Hände. Wieder eine Frau die gerettet werden könnte. Und ein Kind.

***

Matthew freute sich zwar, dass Mina und Nadja es geschafft hatten zu entkommen, aber jetzt musste er weiter suchen. Das Land war groß, wo würde sie sich verstecken. Ob sie die Fluchtpunkte weiter abgehen würde? Oder hatte sie aufgegeben an ihn zu glauben. Sie hatte viel durch gemacht. Er konnte verstehen, wenn sie sich irgendwo sicher zurückziehen würde. Er musste genau überlegen. Als erstes würde er den nächsten Punkt auf der Karte suchen. Dort würde er es dann wissen.

Einige Tage später betrat er den Friedhof einer kleinen Stadt. Sie war unscheinbar und man konnte schnell daran vorbei fahren. Er erinnerte sich, an sie, da er sie für perfekt hielt. Hier hätte man sein neues Lager aufschlagen können. Sein Herz pochte laut. Waren sie hier gewesen? Hatten sie eine Nachricht hinterlassen?

***

Es war soweit. Angela hatte ihr gesagt, wie sie zum Heim der Kinder kommen würde. Sie hatte alles Wichtige gepackt und wartete nur noch auf den Rausschmiss. Seit sie von Angela Bescheid bekommen hatte, dass es nicht mehr lange dauern würde, war ihre Stimmung um einiges aufgehellt. Die Männer besuchten sie kaum noch. Was sie als befreiend empfand. Umso eher konnte sie sich überlegen, wie und wohin sie entkommen würden. Angela hatte ihr den Plan noch mal erläutert. Marnie würde dafür sorgen, dass Nadja als tot erklärt werden würde und in ein Zwischenlager gebracht wurde. Dort würde sie dann verbrannt werden. Das Zeitfenster war sehr klein. Meist warteten die Männer nicht sehr lange mit der Entsorgung.

Abends wurde sie zu Walt gerufen. „So, so. Es ist jetzt etwas über ein Jahr her, dass du zu uns gekommen bist.“ Mina biss sich auf die Zunge um sich einen Kommentar zu verkneifen. „Leider hat das mit uns nicht geklappt, meine Liebe. Es wird dann wohl Zeit, dass wir getrennte Wege gehen. Wir lassen dich gehen. Einen kleinen Rucksack mit Verpflegung für zwei Tage und unseren Segen für dein neues Leben.“ Er grinste sie überheblich an. Mina tat wie Angela ihr geraten hatte. Sie hielt ihren Kopf gesenkt, dass er nicht das kampflustige leuchten in ihren Augen sehen würde.  Ihre Schultern hingen, wie bei einem Menschen, dem alles egal war. Keinerlei Körperspannung, hatte Angela gesagt.

Sie hatte ihr erzählt, wie die gebrochenen Frauen aussahen und sich bewegten. Mina glaubte nicht, dass Walt auf die Details achten würde. Sie verhielt sich ruhig und wankte immer leicht hin und her.

„Andy. Komm. Verabschiede dich von deiner Gespielin. Sie wird ein neues Leben beginnen. Freu dich für sie.“ Andreas kam zu ihr. Ein Schwall übelerregender Geruch erreichte sie. Sie unterdrückte ein schaudern. Bloß nicht aus der Rolle fallen. Dachte sie. Er schnappte sie. Drückte sie und quetschte zum Abschied ihre Brüste schmerzhaft. Sie biss sich auf die Innenseite ihrer Wange um ein Stöhnen zu unterdrücken. Keine Gefühlsregung durfte sie verraten. Nach seiner verkehrten Zärtlichkeit stieß er sie von sich weg, so dass sie ins Stolpern kam. Unsanft landete sie auf dem Hintern. Dann kam der Räumungstrupp. Sie schnappten sie bei den Haaren und schleiften sie hinaus. Mit den Füssen, versuchte sie sich abzustoßen, damit sie ihr nicht die Kopfhaut abrissen. Sie sah wie Angela an Rand stand. Verhalten winkte sie ihr zum Abschied. Dann drehte sie sich um und ging.

Niemals würde sie Angela vergessen. Ihr ewiger Dank würde sie begleiten. Sie hatte ihr gesagt, dass sie versuchen würde sie zu befreien. Aber sie winkte nur ab. „Nein – du weißt die anderen Frauen brauchen mich. Geh deinen Weg. Hol dein Kind und achte auf die Kleinen. Leg Wegweiser für deinen Mann aus. Wenn er noch lebt, wird er bestimmt nach euch suchen. Lebe dein Leben für uns.“ Dann drückte sie Mina ganz fest und die beiden zündeten eine Kerze in Gedenken an, die armen Frauen an, die noch leiden mussten.

***

Marnie kam abends zu Nadja. „Nadja, hör mir zu. Du bist schon ein großes Mädchen. Du kannst bestimmt genug verstehen um zu Helfen. Hier, nimm diese Tablette. Sie wird dir helfen beim Schlafen. Und wenn du wieder wach bist, wird deine Mami bei dir sein. Solltest du früher aufwachen, dann versprich mir, dich ruhig zu verhalten, bis deine Mami dich holt. Kannst du das für mich machen?“ Nadja nickte unsicher. Sie würde ihre Mutter wieder sehen. Niemals hatte sie die Hoffnung aufgegeben. Allerdings dachte sie immer seltener an die Rettung. Jetzt sollte es soweit sein. Sie lächelte und drückte Marnie kurz. Ganz kurz und erschrocken schaute sie sich um, dass auch ja niemand diese Zärtlichkeit bemerkte. Sonst würde es wieder Bestrafungen geben. Und das könnte ihr Vorhaben gefährden. Ja, gar zum Scheitern bringen.

Zur Schlafenszeit schluckte sie die Tablette. Es dauerte nicht lange und sie wurde schläfrig. Mit einem Lächeln und einem beruhigten Gedanken schlief sie ein. Wenige Stunden und sie würde ihre Mutter sehen. Gäbe ein besseres Geschenk?

***

Angela hatte ihr erzählt, dass sie mit Marnie ein Zeichen verabredet hatten. Bei Sonnenaufgang wurden die Mädchen geweckt. Und Nadja dürfte nicht aufgewacht sein. Es gab keinen Arzt in dem Heim, der bestätigen konnte, dass Nadja nur schlief. Die einfältigen Männer glaubten Marnie, dass Nadja tot sei. Dann musste Mina schnell reagieren. Das provisorische Krematorium war nicht überwacht – wer würde schon eine Tote klauen? Marnie wollte die Hintertür offen lassen. Im Dunkeln würde Mina eindringen und hoffentlich gleich Nadja finden. Sie war sehr aufgeregt. Wenn es doch schon dunkel wäre. Die Warterei machte sie verrückt.

Dann war es endlich soweit. Sie hatte beobachtet wie mehrere Leichensäcke in die Halle gebracht wurden. Es erschwerte ihr Herz, wie viel Kinder hier starben. Für die Männer im Lager war das kein Problem. Die Frauen gebaren ja ständig Neue. Gut, dass die Mütter nicht wussten, wie es ihren Kindern hier erging. Aber vielleicht sollten sie es wissen, dann würden sie vielleicht mal aufstehen und kämpfen, statt sich alles gefallen zu lassen. Aber das sollte nicht Minas Aufgabe sein. Ihr war nur Nadja wichtig.

Im Dunkeln schlich sie sich an die Hintertür. Sie versuchte sie zu öffnen. Sie war verschlossen. „Verdammt.“ Flüsterte sie. Irgendwas war schief gegangen. Was jetzt? Es blieb nur der Vordereingang. Sie setzte sich ins nahliegende Gebüsch überlegte und beobachtete. Es war unbewacht – aber es stand im Mittelpunkt des Platzes. Und ein Lichtkegel bewegte sich ständig hin und her. Sie musste die dunkle Phase und die Runde der Wache abpassen. Sie griff in ihren Hosenbund und fühlte das beruhigende Gefühl des Messers, das sie gestohlen hatte. Sie würde kämpfen – sie würde Nadja befreien, oder beide starben bei dem Versuch.

Sie passte eine dunkle Phase ab. Geduckt rannte sie zur Vordertür. So leise wie möglich versuchte sie diese zu öffnen. Ein blechernes Geräusch entsprang der Tür. Sie hielt die Luft an. Sie traute sich nicht sich umzublicken. Nicht mehr lange und der Lichtkegel würde sie erfassen. Da aber keiner Reagierte, war das Geräusch wohl untergegangen. Sie blickte nach links – der Kegel kam. Er erfasste gerade noch die sich schließende Tür, als sie hineinschlüpfte und sie zuzog. Im Inneren lehnte sie sich atemlos an die Tür. Eine kleine Taschenlampe, die Angela ihr überlassen hatte. Spendete minimalst Licht – es musste ausreichen. Es roch furchtbar hier drinnen. Es wurden wohl doch nicht alle Leichen sofort verbrannt. Im Dunkeln hörte sie die Fliegen summen, die sie aufgescheucht hatte. Sie meinte auch andere Geräusche zu vernehmen und bildete sich das Gewusel auf den Leichen ein. Ein würgen entschlüpfte ihr. Sie hielt ihre Hand vor dem Mund um die Geräusche zu dämpfen. Dann ging sie los. „Nadja?“ flüsterte sie. „Nadja?“ „Mami?“ Ihr Herz setzte für einen Schlag aus. „Nadja?“ „Mami, ich bin hier.“ „Bleib stehen – ich komme zu dir.“ Sie hörte ein Schluchzen. Trotzdem schlug ihr Herz Purzelbäume. Ihre kleine Tochter – sie hatten sich solange nicht gesehen und in den Armen gehalten. Dann fand sie sie. Sie stand in der Ecke. Verängstigt blickten sie zwei riesige braune Augen an. Sie stürzte auf Nadja zu und riss sie in ihre Arme. „Ach, endlich mein Schatz. Ich hab dich so vermisst. Mein Herz. Jetzt wird alles gut. Wir werden hier entkommen und endlich Frieden finden. Ach meine Süße. Komm, trockne dir die Tränen. Wir müssen hier noch raus kommen, dann nur noch bisschen ruhig sein, dann ist es vorbei. Schaffst du das?“ Tapfer wischte sie sich die Augen trocken und nickte entschlossen. „Gut, dann bleib ganz dicht hinter mir, das muss jetzt ganz schnell gehen.“ Sie spürte die kleine Hand an ihrem Hintern. Sehr gut. Jetzt nur noch das ganze rückwärts schaffen, dann konnten sie endlich fliehen.

Sie öffnete vorsichtig die Tür. Wieder erschall ein dumpfes blechernes Geräusch. Sie hörte schwere Schritte. Der Wachmann machte seine Runde. Dann blieb er stehen. Sie konnte durch den Spalt erkennen, wie er lauschte. Verdammt. Sie konnte die Tür nicht wieder zuziehen, sonst würde das Geräusch ihre Lage verraten. Sie hoffte, dass ihm der Spalt nicht auffiel. Die Taschenlampe hatte sie schnell ausgemacht und hielt Nadja den Finger vor dem Mund um ihr zu signalisieren, dass sie unbedingt ruhig sein solle.

Er blieb stehen. Direkt vor der Leichenhalle. „Hei, Mark – hast du das Geräusch gehört?“ „Hm, ne was für ein Geräusch? Hab nichts gehört. Hast du ne Kippe?“ „Ja, klar. Hier.“ Mina hörte wie eine Zigarette aus der Packung geschüttelt wurde und das Feuerzeug anging. So ein Mist – jetzt machten die hier Zigarettenpause. „Ich hab bald mal paar Tage Urlaub. Dann kann ich endlich mal wieder zu den Weibern. Es wird mal Zeit. Ständig die Gören hier. Selbst wenn sie ja ruhig sind – aber trotzdem nerven sie mich. Und die Pflegerinnen – naja da vergeht es einem.“ Lachte der eine. „Du Glücklicher – ich muss noch paar Wochen aushalten, bis ich mal wieder zum Schuss komm.“ Meinte Mark. „Na, das wird schon. Danke für die Kippe, ich gehe mal meine letzte Runde drehen, bevor die Ablösung kommt.“ „Alles klar. Ich bleib noch paar Minuten. Ich hab was Seltsames gehört, dem will ich erst mal nachgehen.“ „Bis später“. Sie winkten sich und Mina wollte gerade verzweifeln, als sie hörte, wie sich die Schritte der offenen Tür näherten. Mist – sie drängte Nadja wieder zurück in den Raum. Selbst stellte sie sich neben die Tür. Sie hoffte, dass er nicht eintrat. Leider tat er ihr nicht den Gefallen. Er öffnete vorsichtig die Tür. Der Lauf des Gewehrs kam als erstes in ihr Blickfeld. Er trat ein, ging etwas in den Raum und Mina verschloss so leise wie möglich die Tür hinter ihm. Er drehte sich schnell um, da er den Lichteinfall vermisste. Im Verlöschenden Licht erkannte er die Frau und wollte gerade schießen, als ihm etwas um die Beine geworfen wurde. Ein Kind? Er versuchte sie abzuschütteln und kam dabei ins Straucheln. Plump fiel er auf den Boden. Mina hoffte, dass die Geräusche durch die verschlossene Tür gedämpft wurden. Sie stürzte sich auf ihn und rammte ihm ihr Messer in den Hals. Ein entsetzliches Gurgeln verließ seine Kehle.

Außer Atem, stand Mina auf und schaltete die Taschenlampe an. Nadja klammerte sich immer noch an seine Beine. Sanft öffnete sie die kleinen Hände und hob sie auf. Sie nahm sie fest in die Arme und küsste sie auf die Stirn. Dann deutete sie auf die Tür. Wieder öffnete sie diese. Der Lichtkegel streifte sie gerade. Sie zog sich schnell in den Schatten zurück. Dann öffnete sie schnell die Tür. Zog Nadja mit sich und sie rannten so schnell es ihnen möglich war. Erst als sie am rettenden Gebüsch angelangt waren blickten sie zurück. Keiner hatte es bemerkt. Aber sie konnten nicht verweilen, da der Lichtkegel gerade auf dem Rückweg war und gleich die offene Tür erreichen würde. Sie schubste Nadja. „Wir müssen schnell weiter. Ausruhen können wir später. Lauf mein Schatz.“ Und beide liefen. Sie liefen, bis sie erschöpft zusammen brachen. Im Hintergrund hatten sie die Geräusche der Männer vernommen, die die offene Tür besichtigten. Als sie den Toten entdeckten, ging das Geschrei los. Aber sie blieben nicht stehen. Die Angst im Nacken, wurden sie angetrieben. Eine kleine Anhöhe noch und sie wären erst mal in Sicherheit. Dann konnten sie sich langsamer bewegen. Nur Pause konnten sie nicht machen, da die Männer alles absuchen würden.

***

Nadja erwachte. Es stank furchtbar und es war sehr kalt hier. Sie erinnerte sich an Marnies Worte, dass sie auf jeden Fall ruhig bleiben sollte, bis ihre Mami auftauchte. Sie zitterte vor Kälte und Angst. Wie viel Zeit vergangen war, konnte sie nicht erfassen. Sie hörte ein blechernes scharrendes Geräusch, dann die Stimme ihrer Mutter. Sie war gekommen. Sie war wirklich gekommen um sie zu retten. Die weiteren Vorgänge bekam sie gar nicht richtig mit. Sie erinnerte sich dunkel auf die Beine eines Mannes losgestürmt zu sein. Sie spürte seinen Fall und lies nicht los. Mit geschlossenen Augen klammerte sie sich an seine Beine, bis sie die sanften Hände ihrer Mutter spürte, die sie löste und auf den Arm nahm. Sie bettete ihren Kopf an Minas Schulter und ein leichtes Schluchzen entschlüpfte ihr. Dann ging es schon weiter. Sie waren draußen und rannten und rannten. Nadja bekam Seitenstechen und konnte kaum noch atmen – aber sie rannte. Die Angst war ein guter Antreiber. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit stoppte ihre Mutter. „Jetzt können wir langsamer machen. Alles okay bei dir?“ Sie nickte nur, da sie zu erschöpft war um zu antworten. Ihre Mutter streichelte ihr Sanft über den Kopf. „Lass uns weiter gehen. Nicht mehr lang und es wird hell. Da müssen wir weit genug entfernt sein.“ Nadja nickte nur.

Action, Dystopie, Projekt TXT*

Projekt TXT – Das zwölfte Wort – Weihnachten 6 von 8

Weiter geht es mit meiner Geschichte

Hoffen auf ein Weihnachtswunder

Hier findet ihr den Anfang

und HIER die einzelnen Beiträge

  1. Kapitel

Was bisher geschah: Matthew wurde unruhig. Er wollte endlich aufbrechen um seine Familie zu suchen. Er hatte eine gute Zeit bei Carl verbracht, aber diese Unruhe liess ihn nicht locker. Mina und Nadja waren in ein Camp gekommen, in dem Frauen als Gegenstand verwendet wurden. Sie waren nur nützlich wenn sie schwanger würden. Aber dies klappte bei Mina nicht. Sie wurde immer und immer wieder misshandelt. Bis Angela endlich eine Lösung hatte, sie zu befreien.

Irgendwie musste er sich Einlass zu diesem Camp verschaffen. Dank Carl sah er wieder gut und kräftig aus. Vielleicht suchten sie noch Männer, die anpackten. Er straffte sich. Er würde Nadja und Mina finden. Vor dem Eingang wurde er gleich aufgehalten. „Hei, hei du. Bleib stehen. Was willst du hier? Betteln verboten, verschwinde.“ Kam die unfreundliche Aufforderung. „Ich suche Arbeit. Ich will nicht betteln. Ich bin kräftig und hab kein Problem unangenehme Aufgaben zu erledigen.“ Der Redner blickte sich um. „Manni. Hier will einer Arbeit.“ Aus einem Bretterverschlag kam ein ungepflegter, hagerer Kerl, der schon lange kein Wasser mehr an sich heran gelassen hatte. Es fehlte nur noch einen Kranz aus Fliegen um seinen Kopf schwirren zu sehen. Seine Ausdünstungen waren wirklich widerlich. Matthew zog die Augenbrauen nach oben und verzog das Gesicht. „Iss was?“ Fragte der ungepflegte. „Ne. Ich such Arbeit. Egal was.“ „Ich sag Andreas Bescheid, er wird wissen, ob Walt noch jemand braucht.“ “Warte hier.“ Matthew nickte und war froh, dass der Stinker sich verdünnisierte.

Kurze Zeit später tauchte er wieder auf und hatte einen anderen Mann, der nicht weniger unappetitlich aussah, bei sich. „Was kannst du?“ „Alles was nötig ist.“ Misstrauisch blickte Andreas ihn an. „Ich weiß nicht. Walt ist nicht da. Eigentlich brauchen wir keinen.“ „Hey. Ich wisch auch das Scheisshaus. Ist mir egal. Für einen Teller Suppe, mach ich alles. Komm schon. Lass einen Bruder nicht hier so stehen.“ „Bruder? Na das werden wir dann wohl noch sehen. Okay, komm rein. Ich zeig dir die Kantine und das Scheisshaus. Das kann wirklich mal eine Säuberung brauchen. Stinkt übel da.“ Und ein dreckiges Lachen begleitete die beiden Männer auf ihrem Weg.

***

Angela hatte Matthew überzeugt, dass Nadja deportiert werden sollte. Der Tag rückte näher und Nadja schrie wie aufgespießt. Sie war durch das ganze Camp zu hören. Mina zerriss es das Herz. Sie ließen sie nicht zu ihr. Das würde den Schmerz noch verstärken, sagten sie. So würde sie besser abnabeln können. Sie hielt sich die Ohren zu und wippte vor und zurück. Wie sollte sie diesen Schmerz in der Stimme ihrer Tochter jemals vergessen. Sie hasste sich dafür, ihr das anzutun. Aber die Alternative war wesentlich schlimmer. Dann war es ruhig. Sie waren weg. Angela kam zu ihr und schloss sie in ihre Arme. „Das wird schon. Der Schmerz vergeht. Vielleicht wirst du jetzt Schwanger. Wenn ein Kind weg ist, sorgt die Natur für nachfolge.“ Die anderen Frauen blickten teilnahmslos zu ihnen. Sie hatten selbst schon so viel Kinder weggegeben, für sie war es nichts Außergewöhnliches und sie verstanden nicht, was Muttergefühle waren. Sie hatten sie nie erleben dürfen.

Mina weinte und biss sich in die Hand um sich zu beruhigen. Es war noch nicht die Zeit. Sie musste sich noch gedulden. Die Tür öffnete sich und Andreas stand in der Tür. Sie blickte durch die mit Tränenverschleierten Augen. Dann erhob sie sich um ihrer Tätigkeit nachzugehen. Es war nichts Außergewöhnliches mehr. Der Schmerz wurde einfach ausgeblendet. Sie wusste, dass die Nacht lange werden würde. Sie war nicht mehr nur Andreas zugeteilt. Da sie unnütz war, war sie einfach zur Entspannung da.

***

Nadja verstand nicht was passierte. Sie wurde gewaltsam von ihrer Mutter weggehalten. Sie versuchte sich zu wehren, aber die Männer waren natürlich viel zu stark. Sie konnte zwar paar kräftige Tritte austeilen und hörte mit Genugtuung dass so mancher stöhnte. Einer wollte gerade ausholen und zuschlagen, als ein anderer seine Hand in der Bewegung aufhielt. „Du wirst sie töten. Einen Schlag von dir wird sie nicht aushalten. Halt dich zurück. Bist du ein Mann, oder eine Memme? So kleine Tritte von einem kleinen Mädchen. Also so was.“ Der angesprochene funkelte Nadja wütend an und trug sie unter seinem Arm einfach nach draußen. Dort warf er sie in einen Transporter und schloss die Tür. Sie sprang auf und rannte an die Tür um mit ihren kleinen Fäustchen, ohne Erfolgschancen dagegen zu trommeln. Ihre Stimme war schon rau vom Schreien. Es kam nur noch ein Wimmern. Sie kauerte sich in die Ecke und schluchzte. Wo war ihre Mami? Wo war der Weihnachtsmann? Seine Zeit war noch nicht gekommen. Er konnte ihr nicht helfen. Auch Mami konnte ihr nicht helfen. Sie war zwar klein, aber sie hatte genug mitbekommen. Sie wusste dass ihre Mutter misshandelt wurde. Sie verstand nicht alles. Aber ihre Schmerzen konnte sie in den Augen und Bewegungen erkennen.

Das Auto stoppte. Die Tür öffnete sich und ein Schwall hellen Lichts drang in das Auto. Nadja musste ihre Augen zu kneifen, da die Augen empfindlich reagierten. „Auf, Prinzessin, beweg dich und komm raus, sonst hole ich dich. Und glaub mir, das willst du nicht.“ Sie stand auf und kam mit hängenden Schultern und geneigten Kopf zu dem Mann. Er hob sie aus dem Auto uns schubste sie vor sich her.

Er öffnete eine Tür und stieß sie hinein. „So, hier ein Neuankömmling. Eine Trotzige – es wird Zeit, dass sie Manieren bei gebracht bekommt.“ Die Frau hinter dem Schreibtisch blickte Nadja streng an. Sie hatte grau melierte Haare, die streng zu einem Dutt zusammen gefasst waren. Er sah so straff aus, dass man meinen konnte, er würde die Stirn gleich mit straffen. Sie hatte ein schwarzes Gouvernantenkleid an. Langsam erhob sie sich und  kam um den Tisch. In der Hand hatte sie ein langes Lineal. Sie stand vor Nadja, legte das Lineal unter ihr Kinn und hob es schmerzhaft an. Nadja zuckte und erhob trotzig ihren Kopf. „So, so. Eine Trotzige. Ich sehe es in deinem Blick. Hier wird sich das ändern. Hier ist keine Mami, die dich beschützt und betüddelt. Hier werden andere Seiten aufgezogen. Hier wirst du Respekt lernen. Hier wird dir deine Stellung gezeigt. Bring sie zu Marnie. Sie soll sie waschen und neu einkleiden.“ Der Mann nickte und wieder wurde Nadja vor ihm her geschubst.

Im nächsten Zimmer wurde sie von einer anderen Frau in Empfang genommen. Marnie. „Marnie – Neuzugang. Die übliche Prozedur, hat Frau Paulus angeordnet.“ „Alles klar. Ich danke dir.“ Und schon waren die beiden alleine. „Du bist Nadja, oder?“ Nadja blickte sie verängstigt an und nickte vorsichtig. „Ich bin Marnie. Eine Freundin von Angela. Ich werde versuchen etwas auf dich aufzupassen. Aber du musst dich auch etwas zurück halten. Dann wird es auch bisschen leichter für dich. Glaub mir, es wird nur vorübergehend sein. Wenn du dich gut benimmst, dann wird nichts Schlimmes geschehen. Hast du das verstanden?“ „Ja, das habe ich. Aber ich will nicht hier sein. Ich will zu meiner Mami.“ „Ich weiß, mein Schatz. Deine Mami würde dir gerne helfen. Aber sie kann noch nicht. Hab etwas Geduld.“ Nadja verstand nicht alles, aber sie nickte brav und ließ sich in die Dusche führen. Danach bekam sie ein grobes graues Kleid. Die Heimuniform.

Die nächsten Tage sollten mit die schlimmsten werden, die Nadja je erlebte.

***

Die nächsten Wochen fügte sich Matthew immer mehr in das Team. Er schleimte an den richtigen Stellen und durfte somit immer mehr unbeaufsichtigt betreten. Er hatte schon ausgelotet wo die Frauen Quartiere waren. Heute würde er endlich eintreten dürfen, da er etwas zu reparieren hatte. Er hatte auch mitbekommen, wie die Frauen hier behandelt wurden. Ihm wurde ganz schlecht bei dem Gedanken, dass seine Familie eventuell hier wäre und was sie mitmachen mussten.

Er betrat den Gemeinschaftsraum. „Hallo, ich suche Angela.“ Er schaute sich suchend um. In einer Ecke schaute eine Frau in den Vierzigern auf. „Ich bin Angela, was gibt es?“ „Ich soll etwas reparieren.“ „Du bist neu, ich hab dich noch nie gesehen. Sonst wärst du schon hier gewesen und hättest dir geholt was dir zusteht. Also steht dir noch nichts zu. Hm?“ „Ähm, ja ich bin erst ein paar Wochen hier.“ „Okay. Komm mit mir, ich zeig dir wo du Hand anlegen kannst. Es sind paar Dinge.“ Er folgte ihr. Sein Blick schweifte die anderen Frauen. Sie waren verschmutzt. Aber es schien sie nicht zu interessieren. Sie waren wie seelenlose Puppen. Einige waren Schwanger. Diese Frauen sahen gut und gesund aus. Um diese Frauen wurde sich wohl gut gekümmert. Das war klar, sie trugen die nächste Generation, das Überleben der Menschheit in sich. Aber nirgendwo konnte er Mina sehen. Kinder sah er gar nicht. Als er mit Angela alleine war, traute er sich zu fragen. „Ähm, entschuldige. Angela?“ Sie blieb stehen und sah ihn fragend an. „Ich suche jemanden. Mein Name ist Matthew.“ „Matthew?“ Sie wirkte erstaunt. „Äh, ja. Ich suche meine Familie. Mina und Nadja.“ Angela blieb abrupt stehen. Er wäre fast auf sie aufgelaufen. Hektisch drehte sie sich um und hielt den Finger vor den Mund. Dann zog sie ihn schnell in einen Raum. „Hier ist es sicher.  Du bist also Matthew. Ich hätte niemals damit gerechnet, dass du noch lebst und hier auftauchst.“ Er sah sie fragend an. „Ja, Mina und Nadja waren hier.“ Er wurde hektisch. „Waren? Was ist passiert? Leben sie noch?“ Andrea hob beschwichtigend die Hand. „Ja, als ich sie das letzte Mal gesehen habe, lebten sie noch, aber das ist schon etwa sieben Monate her.“ „Sieben Monate! Erzähl mir mehr. Ging es ihnen gut?“ „Sie lebten. Gut gehen, ist hier ein dehnbarer Begriff. Ich denke Nadja ging es gut. Sie wurde gefüttert und hatte es warm. Mehr wohl nicht. Leicht war es nicht. Mina – ja, du hast die Frauen draußen gesehen. Da brauche ich dir wohl kaum etwas zu erklären.“ Matthew war erschüttert. Er hatte es befürchtet, aber noch gehofft, Mina wäre verschont geblieben. „Ich konnte ihnen helfen. Sie konnten fliehen. Unglauben erfasste Matthew. „Wirklich?“ Sie nickte. „Ja. Sie konnten fliehen. Aber mehr weiß ich nicht. Ich hab natürlich nie wieder was von ihnen gehört. Ich weiß nicht ob sie es geschafft haben.“ „Warum bist du nicht mit ihnen gegangen?“ „Ich werde hier gebraucht. Die Frauen brauchen eine Ansprechperson, die sich auch manchmal für sie einsetzt. Ich kann sie nicht alleine lassen.“ Matthew drückte sie. „Ich danke dir, für die Info und vor allem, dass du den beiden eine so gute Freundin warst. Ich werde sie finden und ihnen von dir erzählen. Wir werden dir das nie vergessen.“ „Das ist schon gut. Ich bin froh, dass sie hier weg gekommen sind. Sie haben es bestimmt geschafft. Mina und Nadja sind wirklich starke Persönlichkeiten.“ Matthew nickte stolz. Sie hatten es geschafft. Es war Zeit, dass er sie endlich fand.

***

Die Glocke läutete. Nadja schlug die Augen auf. Alles tat ihr weh. Den Tag davor hatte Frau Paulus sie die Latrinen schrubben lassen. Danach musste sie hungrig schlafen gehen, da sie wieder einmal ihren Mund nicht halten konnte. Sie hatte zwar Marnies Ratschläge angenommen und hielt sich zurück, aber so ganz konnte sie nicht über ihren Schatten springen. Manchmal war sie immer noch aufmüpfig. Dafür wurde sie dann immer bestraft. Am Anfang waren die Strafen sehr hart gewesen. Da wurde sie von ihren Mitheimbewohnern bestraft. Da sie für ihre Aufmüpfigkeit mit bestraft wurden. Sie schlugen sie, stopften sie in die Latrine, spritzen sie bei Minustemperaturen Nass und sperrten sie aus. Aber sie gab nicht auf. Sie wurde nur schlauer. Sie merkte, dass es nichts brachte immer gegen den Strom zu schwimmen. Sie blieb jetzt immer im Hintergrund und wich aus. Sie war sich sicher, dass sie irgendwann gerettet werden würde. Von ihrer Mutter, oder wenn es Weihnachten wurde, vom Weihnachtsmann. Aber sie wusste nicht wann Weihnachten war, deswegen schreib sie jeden Tag einen Wunschzettel. „Bitte lieber Weihnachtsmann. Rette meine Mutter. Sie wird mich dann finden. Oder rette mich, damit ich sie befreien kann. Alles Liebe, deine tapfere Nadja.“ Den Wunschzettel vergrub sie dann immer heimlich. Einmal hatte ein Junge den Brief gefunden und sich erst lustig gemacht und ihn dann Frau Paulus gebracht. In der neuen Zeit, in der sie jetzt lebten, gab es kein Weihnachten mehr. Weihnachten bedeutete Hoffnung, und das war nicht erwünscht. Sie wurde auch gleich dafür bestraft an diese alten Dinge zu glauben. Eine Woche wurde sie in einen Schuppen gesperrt. Bei Wasser und Brot und einer schimmeligen feuchten Decke, harrte sie aus. Sie war tapfer. Wenn sie weinte, dann immer heimlich. Denn auch weinen wurde bestraft. Eigentlich wurde alles bestraft. Gehorsam, das war es, was sie wollten. Keine Widerworte und stets machen was gesagt wurde, ohne darüber nachzudenken. Vor allem von den Mädchen. Nadja war sich sicher. Das alles war nur vorübergehend. Sie würde bald wieder mit ihrer Mutter vereint sein. Und sie würden dann das schönste Weihnachtsfest feiern, dass sie je hatten.

Aber es sollte noch einige Monate dauern, bis endlich die ersehnte Rettung kam. Solange behielt sie sich immer ein kleines Stückchen Hoffnung in ihren kleinen Herzen.

Action, Dystopie, Projekt TXT*

Projekt TXT – Das zwölfte Wort – Weihnachten 5 von 8

Weiter geht es mit meiner Geschichte

Hoffen auf ein Weihnachtswunder

Hier findet ihr den Anfang

und HIER die einzelnen Beiträge

  1. Kapitel

Matthew hatte es gut getroffen. Will, der ihn befreit hatte, führte ihn in das Camp von Carl. Dieser war ein guter Führer, der sofort auf Matthew einging. Er sicherte ihm seine Unterstützung bei der Suche nach Mina und Nadja. Mina und Nadja kamen bei dem Hausputz gut voran. Dann hatte Mina einen Alptraum, der sie zwei Jahre zurückführte. Als sie und Nadja gefangen genommen wurden. Sie kamen in ein Camp, das für Frauen die Hölle war.

Matthew hatte sich bei Carl gut eingelebt. Er war gut angenommen worden und brachte sich immer helfend ein. Das war eine gute Gruppe. Jeder half jedem. Aber er konnte nicht entspannen. Er musste immerzu an seine Familie denken, ob sie noch lebten? Mina war alleine mit Nadja. Er hatte sie gut unterrichtet und alle Fluchtpunkte gut bestückt. Aber er musste langsam los sie suchen. Es war schon über ein Jahr her, dass sie getrennt wurden. Bis er alle Punkte abgegangen war, würde nochmal so viel Zeit vergehen. Er musste los.

„Matthew?“ Er blickte sich um. Carl hatte ihn gerufen. „Ja, was gibt es?“ „Komm doch kurz in mein Büro, ich muss was mit dir besprechen.“ Matthew runzelte die Stirn. War irgendwas vorgefallen, hatte sich jemand beschwert? Er schlenderte lässig zu Carl. Klopfte und trat ein. „Ah, schön. Setz dich. Ich hab ein Anliegen.“ „Okay, ist was vorgefallen?“ „Nein, nein. Keine Angst. Aber ich bemerke eine tiefe Unruhe und Unkonzentriertheit. Was ist los?“ Matthew zögerte. „Komm, mittlerweile müsstest du wissen, dass du mir vertrauen kannst, also was ist los, mein Freund“ Die intime Anrede lockerte Matthew etwas auf. „Meine Familie. Ich würde gerne wissen ob meine Frau und Tochter noch leben.“ „Hmm. Wie willst du das rausfinden?“ „Wir haben für die Notsituation verschiedene Fluchtpunkte ausgemacht. Die müsste ich abklappern.“ „Hm. Was hast du vor? Willst du uns verlassen um deine Familie zu suchen? Willst du sie her bringen? Du weißt sie wären willkommen.“ „Ich weiß nicht, vielleicht. Ich will sie auf jeden Fall finden. Ich bin dir so dankbar, dass du mich gerettet hast, aber ich muss wissen ob sie noch leben.“ „Ja, das musst du wohl. Okay. Lass mich etwas überlegen. Ich melde mich bald bei dir, okay?“ Matthew nickte und verließ das Zimmer. Er wanderte unruhig durch die Umgebung. Würde er Mina hier herbringen können? Wie es ihr wohl ergangen war? Er hoffte, sie wäre unbeschadet durch gekommen.

***

Mina ging zu Nadja. Sie schloss sie in die Arme und drehte sie erst mal hin und her. Sie sah gut aus. Die Kleine hängte sich an Minas Hals und weinte. „Mami, können wir hier weg? Ich will hier nicht bleiben. Die Menschen sind böse.“ „Haben sie dir wehgetan?“ Sie schüttelte schluchzend den Kopf. „Aber ich fühle, dass hier böse Menschen sind. Ich fühle mich fremd. Ich bin nicht ich. Du bist nicht du. Wir sind falsch.“ Einzelne Tränen liefen ihre pausbackigen Wangen hinunter. Ihre Augen waren trüb. Das kleine Mädchen war total verängstigt. Mina drückte sie ganz fest und flüsterte ihr ins Ohr. „Hör zu, mein Schatz. Wir werden hier schon weg kommen. Mami wird dafür sorgen. Aber es wird bisschen dauern. Es ist zu gefährlich und ich brauche einen Plan. Wirst du das durchhalten? Für mich?“ Sie nickte schnäuzend. „Das ist mein großes Mädchen. Wir schaffen alles gemeinsam. Wir sind starke Frauen.“ „Hei, Neue. Deine Zeit ist rum. Dein Date wartet auf dich.“ Mina versteifte sich. Vorsichtig drückte sie Mina von sich und streichelte ihr beruhigend über den Kopf. „Wir sehen uns bald wieder. Sei brav und halte dich ruhig. Okay?“ „Ja Mami.“ Mina blinzelte die Tränen weg um Nadja nicht noch mehr zu verängstigen. Sie drehte sich weg und straffte ihre Schultern. Viele Frauen vor ihr hatten dieses Schicksal überstanden. Sie würde es auch schaffen. Für Nadja, für ein Leben, für Matthew.

***

Einen Tag später wurde Matthew wieder zu Carl gerufen. „Matthew, mein Guter. Ich hab mir Gedanken gemacht. Ich merke, dass ich dich nicht halten kann. Das will ich auch nicht. Wir sind alle freiwillig hier. Ich hab mich mit den anderen beraten und wir lassen dich ziehen. Nicht nur das. Wir heißen deine Familie hier willkommen, wenn ihr zurückkommen wollt. Hier werdet ihr immer ein Heim haben.“ Matthew hörte zu und nickte. „Dort in der Ecke haben wir dir einen kleinen Rucksack gepackt. Viel ist es nicht, aber es wird dir am Anfang auf jeden Fall den Weg erleichtern. Ein bisschen Vorräte und paar Waffen.“ „Carl, ich bin gerührt. Das Angebot nehme ich sehr gerne an. Ich werde nie vergelten können, was du mir gegeben hast. Deine Rettung und jetzt das. Ich werde dir ewig dankbar sein und in deiner Schuld stehen.“ Carl winkte ab. „Ach komm, lass nur. Wichtig ist, ihr könnt immer her kommen.“ Matthew nahm Carl in die Arme und sie drückten sich fest. Sie wussten, dass dies wohl ein Abschied für immer sein wird.

Matthew nahm den Rucksack und ging Richtung Ausgang. Seine Kumpels standen Spalier und er verabschiedete sich von jedem. Sie würden ihm fehlen. Aber der Gedanke an seine Familie war ihm wichtiger.

***

Mina betrat den Raum, der ihr zugeordnet wurde. Ein Bett, ein Tisch mit einer Lampe ohne Schirm und ein Stuhl standen darin. Romantisch war anders. Aber das war ja auch kein romantisches Treffen. Sie war sich nicht sicher, wie sie das überstehen sollte. Aber sie würde. Die Tür ging auf und Andreas betrat den Raum. Mina blickte ihn direkt an. Ein unsympathischer Kerl stand vor ihr. Er wirkte schmuddelig und sehr, sehr ungepflegt. Die Haare waren zu lang und strähnig. Ein säuerlicher Geruch ging von ihm aus. Eine Gänsehaut überzog ihre Arme. Seine Zähne waren ungepflegt – ekliger Belag hatte sich darauf abgesetzt. Dementsprechend war auch sein Geruch. Sie erinnerte sich an ihren ersten Hund, als er alt wurde fing er an aus dem Mund zu stinken. Wie eine Kloake. So war es auch bei Andreas. Mina schloss die Augen, schluckte ihren Ekel herunter und atmete tief durch. Sie öffnete die Augen und konnte gerade noch sehen, wie er mit seiner Hand ausholte und sie ins Gesicht schlug. „Nur um schon mal zu klären, wer hier das sagen hat, Schlampe. Wenn du meinst dich irgendwie wehren zu müssen, weißt du was dich erwartet. Klar?“ Sie nickte, während sie sich das Blut von den Lippen wischte. Schon folgte der nächste Schlag. Dann zerrte er sie auf die Beine und zerrte ihr die Klamotten vom Leib. Er schlug ihr in den Magen. Sie stöhnte. Er quetschte ihre Brüste und griff ihr brutal zwischen die Beine. Am Anfang hielt sie sich noch die Hände vor ihre Blöße. Er zerrte weiter an ihr herum. Dann drehte er sie um, und hielt sie an sich zu bücken. Das war der Moment, als Mina ihren Geist abschottete. Nur so würde sie das überstehen. Sie blendete den Schmerz und die Schmach aus.

Fünf Minuten später stieß er sie von sich zog die Hose hoch und verließ sie ohne ein weiteres Wort. Mina erwachte aus ihrem Trancezustand. Ihr Körper schmerzte. Sie versuchte sich aufrecht zu halten. Ihr Magen rebellierte und sie musste sich übergeben. Kurz darauf öffnete sich die Tür und Angela betrat den Raum. Sie hüllte sie in einem Morgenmantel und nahm sie mit sich zu den Duschräumen. Dort stand ein Eimer mit heißem Wasser. Mit einem Schwamm schrubbte sie Mina, bis ihre Haut rot war und ihr Schmach erträglich. „Das wird schon. Sobald du schwanger bist, werden sie dich in Ruhe lassen. Du wirst es irgendwann besser ertragen. Man gewöhnt sich an diese ekelhaften Kerle.“ Mina nickte nur, während ihr die Tränen über die Wange liefen. Angela brachte sie in den Gemeinschaftsraum. Manche der Frauen blickten sie mitleidig an, aber die meisten schienen eher, als gönnten sie ihr dieses Treffen. Vorsichtig ließ sie sich auf einen Stuhl nieder. Ein Tablett mit Essen wurde vor sie gestellt. Jemand flüsterte: „Iss, du brauchst die Kraft. Dein Körper muss stark bleiben, wenn du nicht untergehen willst.“ Widerwillig führte sie den Löffel zum Mund. Es war ein undefinierbarer Brei ohne wirklichen Geschmack. Das Einzige, das sie aufrecht hielt, war das Wissen, dass sie Nadja heute noch mal sehen würde.

***

Matthew hatte schon einige der Punkte der Karte abgearbeitet. Er konnte überall sehen, dass Mina und Nadja dort gewesen waren. Sie hatten immer irgendwelche Nachrichten oder Hinweise hinterlassen. Jedes Mal atmete er auf, wenn er ihre Spuren entdeckte. Er war jetzt etwa drei Monate unterwegs. Seine Vorräte waren schon längst aufgebraucht. Das war kein Problem. Er fand immer etwas zu essen, oder jagte sich was. Er war guter Dinge, bis zu dem Tag an dem er den ersten Fluchtpunkt ohne ein Überlebenszeichen antraf. Er betrat die Gruft und sah sein angelegtes Versteck für die Vorräte. In ihm wuchs die Angst. Sie waren nicht hier angekommen. Mittlerweile war er schon sechs Monate unterwegs. Hier verlor sich ihre Spur. Waren sie noch am Leben? Wurden sie erwischt und wie er in ein Camp entführt. Ihm blieb nichts anderes übrig sich in der Umgebung umzuschauen. Wenn sie gekidnappt wurden, dann war das Lager bestimmt nicht weit weg. Nach einigen Wochen des Suchens, stieß er tatsächlich auf ein Lager. Einige Zeit beobachtete er es, konnte aber nie Mina sehen. Ob sie wohl dort gefangen gehalten wurde?

***

Mina wurde nicht schwanger. Sie war einerseits froh darüber, da sie ihr Kind niemals hergegeben hätte. Anderseits wurde sie regelmäßig weiter missbraucht. Nachdem Andreas sein Interesse an ihr verlor, schickten sie immer wieder andere Männer rein. Sie merkte sich noch nicht mal mehr die Gesichter. Sie ließ alles über sich ergehen, und da sie regungslos war, wurde sie auch kaum noch geschlagen. Nun kam aber die Zeit – sie war jetzt etwa achtzehn Monate in dem Camp – dass sie einfach nicht mehr konnte. Außerdem hatte sie die Männer beobachtet. Nadja war jetzt fünf Jahre. Noch weit entfernt eine junge Frau zu werden, aber trotzdem lechzten die Männer schon nach ihrem jungen Körper. Sie musste weg. Ihr war auch zu Ohren gekommen, dass sie Nadja in das andere Camp schaffen wollten, damit sie endlich die Erziehung genoss, die allen Kindern gegeben wurde. In der Zeit, in der sie hier lebte, hatte sie sich die Umgebung und die Gewohnheiten angeschaut und gemerkt. Einmal die Woche gab es Transporte. Soweit sie das sehen konnte, wurde einfach alles rein, oder raus gefahren. Es kamen entweder Lebensmittel, neue Frauen, die irgendwo entdeckt wurden, oder auch Gegenstände. Ebenso gab es Exporte. Lebensmittel, die von den Frauen geerntet und verarbeite wurden. Kinder. Auch Frauen hatte sie schon gesehen. Sie wusste, dass die Frauen, die untauglich waren verstoßen wurden. Sie konnte das spielen, aber was würde aus Nadja werden?

Sie saß, tief in Gedanken versunken in einer Ecke. In ihrer Hand hatte sie ein aufgeschlagenes Buch als Angela auf sie zukam. Hinter ihr lief Susanne, die schon wieder schwanger war. „Was beschäftigt dich?“ Fragte Susanne. „Das Buch hast du schon locker dreißig Minuten nicht mehr umgeblättert. Bist du endlich schwanger?“ „Hm? Nein, ich bin nicht schwanger. Es ist nichts.“ „Na dann. Wann ist dein nächstes Date?“ „Ich weiß nicht. Ich bin nicht mehr so gefragt. Zum Glück.“ Angela beobachtete sie still. „Na, vielleicht wenn du jetzt mehr Ruhe hast, dann klappt es mit der Schwangerschaft. Wir wissen ja, dass du es kannst.“ Sie deutete auf Nadja, die in der Ecke mit einem Malbuch saß. Minas Blick wurde weich, als sie auf ihre Tochter schaute. Angela beobachtete sie. „Susanne – musst du nicht zum Doc, zum Checkup?“ „Ach, verdammt. Gut dass du es sagst, das hätte ich fast vergessen. Tüdelü.“ Sie winkte zum Abschied. „Was geht dir wirklich durch den Kopf?“ Angela war eine gute Freundin geworden. Sie vertraute ihr zu hundert Prozent. „Ich muss weg hier.“ Sie erzählte Angela von ihrem Verdacht der Männer gegenüber Nadja. Angela schaute ernst und runzelte die Stirn. „Ist da noch was anderes?“ „Was meinst du?“ „Ach nichts. Hör zu. Ich überleg mir was. Wir treffen uns morgen zur selben Zeit wieder hier.“

Am nächsten Tag trafen sich Angela und Mina wie besprochen. „Mina, wie geht es dir?“ „Ich weiß nicht, sehr schlapp und müde. Ich brauch mal eine Auszeit vom „Arbeiten“.“ Sagte sie sarkastisch. „Hm.“ Machte Angela und blickte Mina skeptisch an. „Gut, hör zu. Ich hab vielleicht eine Möglichkeit wie du  verschwinden kannst. Es wird nicht leicht. Es kann gefährlich werden. Und wir könnten unser Leben verlieren.“ „Ist das hier ein lebenswertes Dasein? Dann sterbe ich lieber bei dem Versuch hier zu entkommen, als weiterhin als Matratze zu dienen. Ich werde eh nicht schwanger. Mein Körper weigert sich.“ „Ja – und das wird auch unser Ansatzpunkt. Ich werde versuchen Walt zu beeinflussen, dass du nutzlos bist. Nur ein weiteres Maul zu stopfen. Du weißt, dass die Frauen dann ausgesetzt werden. Aber diese Frauen sind meist schon zu schwach und gebrochen. Die schaffen es wohl kaum. Aber du bist noch stark. Du kannst es schaffen.“ Mina nickte nachdenklich. „Was ist mit Nadja?“ Angela senkte betroffen den Kopf. „Ich weiß nicht. Das wird wohl nichts werden. Sie ist noch nützlich.“

Mina schüttelte ihren Kopf. „Du weißt, dass ich sie nicht hier lassen werde. Eher werde ich uns beide töten. Sie wird das hier nie erleben. Ich schwöre es dir.“ Sie lief aufgeregt hin und her. Der Wahnsinn blitzte aus ihren Augen. Angela sah, den Ernst dahinter. Sie wusste, dass Mina nicht zögern würde. Sie würde eher ihre Tochter töten, als sie diesen Tieren von Männern zu überlassen. „Gut, hör zu. Wir machen es so.“ Sie zog Mina in den Schatten. „Es wird bisschen dauern. Aber ich kann Walt vielleicht überzeugen, dass Nadja endlich in die Erziehung gehört. Sie würde trotzig werden. Es wird einiges kosten, aber wir können einen Wärter dort bestechen. Denen sind die Kinder egal – eins mehr oder weniger. Eine der nutzlos gewordenen Frauen, der ich geholfen habe ist dort. Bei ihr habe ich dadurch noch was gut. Sie wird uns helfen. Ich habe einen geheimen Weg sie zu kontakten. Sie soll Nadja ein Beruhigungsmittel einflössen, so dass sie wie tot schläft. Die dummen Wärter kümmert es nicht. Wenn sie einen Gegenwert für ihre Verschwiegenheit bekommen. Sie sind eh vom Alkohol und den Drogen, die Walt ausgibt, degeneriert. Da funktioniert da oben nichts mehr so richtig.“ Sie tippte sich an die Stirn, zur Untermalung ihrer Erklärung. „Okay, und weiter, wie bekomme ich Nadja?“ Angela eröffnete ihren Plan und Mina atmete erleichtert auf. Bald würden sie frei sein. Endlich.

Fortsetzung folgt

Action, Dystopie, Projekt TXT*

Projekt TXT – Das zwölfte Wort – Weihnachten 4 von 8

Weiter geht es mit meiner Geschichte

Hoffen auf ein Weihnachtswunder

Hier findet ihr den Anfang

und HIER die einzelnen Beiträge

  1. Kapitel

Matthew wurde weiter verkauft. Aber während des Transportes wurde er von einem unbekannten Retter befreit. Würde er einfach nur zu einem anderen Händler kommen, oder meinte der Mann es ernst, dass er ihn befreien wollte? Etwas weiter in der Zukunft hatten Nadja und Mina ihre Suche nach Matthew aufgegeben und sind in ihr kleines Haus, das sie sich ausgewählt hatten  eingezogen. Jetzt war putzen und dekorieren angesagt – Weihnachten stand vor der Tür.

„Mami, komm hoch und schau dir mein Zimmer an.“ Mina unterbrach ihr putzen um das Ergebnis ihrer Tochter zu sehen. Sie schlenderte nach oben. Es war so entspannend sich endlich ohne Angst  zu bewegen. Dieses Grundstück lag so perfekt eingewachsen. Es war nicht zu sehen. Keiner würde sich durch Zufall hier her verlaufen. Ein Glücksfall, dass sie es gefunden hatten. Eigentlich hatte Nadja es gefunden. Der Weihnachtsmann soll es ihr im Traum verraten haben. Sie war so Fantasievoll. Einfach liebenswert. Nadja kam ihr an der oberen Stufe schon entgegen und zog sie ungeduldig in ihr Zimmer. „Wow. Das hast du ja toll gemacht.“ Mina blickte sich in dem Zimmer um. Die Wände waren vom Vorbesitzer in einem Weis und Gelbton gehalten. Das war definitiv ein Mädchenzimmer. An den Wänden tummelten sich Fabelwesen. Schmetterlinge flatterten mit Feen um Einhörner herum. Hier war auf jeden Fall jemand sehr begabt gewesen. Es sah toll aus, wie aus einem Märchenfilm. Nadja hatte sich aus der Weihnachtskiste schon viel Dekoration herausgeholt. Zwischen den Feen und Einhörnern und Schmetterlingen sah man immer wieder einen kleinen Stern aufflackern. Das Sonnenlicht fing sich darin und zauberte magische Momente an die Wand. Sie hatte sich Lametta genommen und es kunstvoll an den Wänden drapiert. Überall blickte ein Weihnachtsmann entgegen. „Mama, was ist das hier? Ich weiß nicht was das darstellen soll.“ „Oh – das ist ein Elf. Er ist der Helfer vom Weihnachtsmann. Er beobachtet die Kinder in der Vorweihnachtszeit und berichtet dann dem Weihnachtsmann. Er sitzt jeden Morgen wo anders. Das ist eine Tradition aus Amerika.“ „Oh, das ist schön, dann setz ich ihn gleich mal hier in mein Regal.“  Mina lächelte. Es war also an ihr, den Elf immer einen neuen  Platz zu suchen. Das Gefühl war so normal. Es war eine Wohltat sich so zu fühlen.

Mina ging wieder runter. Sie wollte heute noch das Wohnzimmer schaffen um mit Nadja dann morgen dort zu dekorieren.

***

„Wie ist dein Name?“ „Matthew.“ Er fragte sich, wie oft er diese Frage jetzt schon beantwortet hatte. „Ich bin Will.“ „Hallo Will. Erklärst du mir jetzt bisschen was?“ „Na das meiste hab ich dir ja schon erklärt. Wir befreien Menschen aus dem Sklavendasein. Wir sind doch nur weil es kein Strom und Regelungen mehr gibt immer noch Menschen. Du kommst jetzt erst mal mit in unser Camp. Da wirst du Carl kennen lernen. Er ist der Boss. Der wird dir mehr erzählen. Jetzt genieß den Spaziergang, ohne Ketten.“ Matthew blieb skeptisch, aber er tat was Will empfahl. Er blickte sich um. Wo war er nur? Würde er von hier aus Mina finden? Als sie im Camp ankamen wurden sie mit großem Hallo empfangen. „Hei Will, hast wieder einen gerettet?“ Will winkte nur und führte Matthew weiter. „Dort hinten wohnt Carl. Lass uns gleich zu ihm, bevor ich dir zeige wo du dich frisch machen kannst und schlafen wirst.“ Matthew war zu müde um zu denken. Er folgte einfach Will. Wird schon schief gehen, dachte er. Es war ein altes Herrenhaus, das sie betraten. Hier war geschäftiges Treiben im Gange. Matthew konnte ein ständiges kommen und gehen registrieren. Soviel Menschen auf einem Haufen hatte er schon lange nicht mehr gesehen.

„Was ist das hier?“ „Die Zentrale. Das Head Quarter, wie man heute so sagt. Komm, hier ist Carl.“

Will klopfte und trat ein. „Carl, ich hab einen Neuen von Ollie erwischt.“ Carl stand hinter seinem Schreibtisch auf und kam schnell zu Matthew. Er nahm sein Kinn in die Hand und drehte den Kopf hin und her. „ Sie haben dich gut aufgemischt. Hast du rebelliert?

„Nein, ich wollte überleben um meine Familie zu finden. Vielleicht deswegen, weil ich mich nicht wehrte?“ „Mag sein. Du hast Familie? Weißt du wo sie ist?“ Matthew schüttelte den Kopf. „Nein, ich muss sie suchen.“ „Ok, dann wirst du wohl nicht bleiben. Schade, wir hätten dich gut gebrauchen können. Aber ich verstehe natürlich, dass du zu deiner Familie willst. Ruh dich paar Tage hier aus, dann werde ich dafür sorgen, dass du etwas Ausrüstung und Vorräte bekommst um auf die Suche zu gehen.“ „Wie soll ich das vergelten? Ich habe nichts bei mir und vielleicht komme ich nie wieder zurück.“ „Wir machen das nicht um etwas daran zu verdienen. Wir sind Menschen und wollen helfen. Die neue Welt sollte doch eigentlich besser werden, oder? Dafür wollen wir sorgen. Will, bring doch bitte Matthew in sein Zimmer. Dort kannst du dich frisch machen und schlafen. Wir sehen uns morgen.“ Matthew ging etwas beruhigter hinter Will her. Carl machte einen kompetenten Eindruck. Er hoffte, dass er ihm trauen konnte. Als er in seinem Zimmer war, fiel er sofort aufs Bett und schlief. Er war total ausgelaugt und fertig. Zwei Tage schlief er durch. Dann wachte er auf. Langsam erhob er sich. Seine Muskeln waren steif vom Liegen.

Als er sich erhob, konnte er neben seinem Bett ein Tablett mit Saft und Brot sehen. Hungrig stürzte er sich auf den Teller. Danach ging er ins Bad und schöpfte das Wasser aus dem Eimer um sich zu erfrischen. Er ging zur Tür, davor stand ein ihm Unbekannter. „Hi, wo ist Will`?“ „Er schläft. Soll ich ihn holen?“ „Ach nein, ich schaue mich nur bisschen um.“ „Gut, ich bleibe dicht hinter ihnen. Sie können sich ja denken, dass ich sie erst mal im Auge behalten soll.“ Matthew nickte. Das Camp war sehr voll. Ein wuseln wie in einem Ameisenbau. Er war beeindruckt mit welchem Eifer die Menschen an die Arbeit gingen.

Auf seiner Erkundungstour beobachtete er alles genau. Vielleicht musste er ja fliehen, da wollte er schon wissen, ob es einen Ausweg geben würde. Als er seinen Blick nach vorne richtete, sah er, das ihm Carl entgegen kam. „Matthew, schön dass du wach bist. Wollen wir noch bisschen plaudern. Dort hinten können wir einen recht passablen Kaffee trinken.“ „Ja, gerne, einen Kaffee hatte ich schon langen nicht mehr.“ „Gut, komm.“

***

Mina war fix und fertig. Schon lange hatte sie keinen Hausputz mehr gemacht und vergessen, wie anstrengend so was war. Nadja war schon seit einigen Stunden in ihrem neuen Zimmer verschwunden. Mina erhob sich vom Boden um nach ihr zu schauen. Leise ging sie nach oben. Sie öffnete die Tür zu Nadjas Zimmer und sah sie im Bett liegen. Ihre Decke hob und senkte sich ruhig. Sie schlief. Mina schaute sich im Zimmer um. Da entdeckte sie den Elf. Ihr fiel ein, dass sie ihn umsetzen musste. Nadja sollte ihren Glauben an den Weihnachtsmann so lange wie möglich beibehalten. In dieser Zeit solch ein festen Glauben, sie beneidete Nadja dafür. Sie betete fleissig darum ihren Vater kennen zu lernen. Und ließ für den Weihnachtsmann überall Zettel liegen, dass er ja ihren innigsten Wunsch nicht vergisst.

Mina schloss leise die Tür und ging wieder nach unten. Ihr Zimmer war noch nicht fertig, also legte sie sich auf die Couch. Es dauerte nicht lange und sie schlief ein. Böse Träume verfolgten sie.

Zwei Jahre zuvor.

Mina und Nadja waren unterwegs zu dem nächsten Punkt auf Matthews Karte. Sie machten gerade eine Pause an einem Fluss. Dort wuschen sie ihre Sachen und füllten ihre Wasservorräte auf. Seit die Menschen die Flüsse nicht mehr verdreckten, war die Qualität sehr gut geworden. Sie merkte nicht, dass von hinten sich jemand anschlich, da sie gerade mit Nadja sprach. Die Kleine war so aufgeregt, da sie einen Traum von ihrem Vater hatte, den sie nur von Bildern kannte. „Mami, Papa und ich, wir sind über die grüne Wiese gelaufen und er hat mit mir getanzt. Es war so toll. Ich freue mich, wenn der Weihnachtsmann mir irgendwann Papa wieder bringt.“ „Dein Papa wird sich noch mehr freuen, dich kennen zu lernen. Er liebte dich schon so sehr, als du noch in meinem Bauch warst.“ Mina hatte Nadja schon früh aufgeklärt. Es war wichtig, dass sie so viel wie möglich lernte. Sie wusste nie, ob sie nicht mal getrennt wurden. Sie wollte, dass auch die junge Nadja schon aufmerksam war. Und trotz dieser Aufgeklärtheit, hatte sie nie ihren Glauben an den Weihnachtsmann verloren.

Sie tauchte gerade ein T-Shirt in den Fluss, als sie von hinten angefallen wurde. Zwei kräftige Arme umschlossen sie und hoben sie auf. Sie strampelte und versuchte sich frei zu winden. Hektisch blickte sie nach ihrer schreienden Tochter. „Was haben wir denn da für ein Prachtpärchen?“ Hörte sie von einer verrauchten Stimme. „Bleib ruhig, sonst wird das deiner Kleinen nicht gut tun.“ Sofort hörte sie auf sich zu wehren. „So ist es brav.“ Er ließ sie los. Dann lief er einmal um sie herum. „Hübsch. Und fruchtbar wie es scheint.“ Mina fing an zu zittern. Es war klar, dass sie als Frau gefährdet war. Sie hatte immer versucht Städten oder Camps aus dem Weg zu gehen. Aber Spähern kann man kaum entkommen. Sie atmete tief ein und versuchte sich zu beruhigen. Wichtig war Nadja. Ihr durfte nichts passieren. Egal was sie mit ihr machen würden, solange Nadja in Sicherheit war, würde sie es überstehen. „Was wollt ihr von uns?“ „Na, das wirst du doch bestimmt schon wissen. Es gibt nicht so viel Frauen, die das ganze hier überlebt haben und die Menschen müssen doch überleben, oder? Also kommst du mit und wirst eine von uns.“ „Ich hab andere Pläne.“ Der Zweite Mann hatte Nadja immer noch im Arm. „Das glaub ich aber nicht. Du willst doch bestimmt dass es deiner Tochter gut geht. Wir sorgen für die Kinder. Es gibt Essen, Wasser, Schlafplätze. Du musst nur gehorchen. Also sei ein braves Mädchen und ergibt dich in dein Schicksal.“ Mina überdachte ihre Situation. Ihr blieb nichts übrig. Zu dem anderen Mann sagte sie: „lass sie los. Ich wehre mich nicht.“ Der erste Mann nickte dem Riesen zu, der Nadja hielt. Er ließ die Kleine los, die sofort zu ihrer Mutter rannte. Mina ging in die Knie. Wischte ihrer Tochter die Tränen aus den Augen und umarmte sie. Dabei flüsterte sie ihr ins Ohr: „Es wird alles gut, mein Schatz. Wir werden mit diesen Männern gehen, die werden für uns sorgen. Du musst brav sein. Nicht lange und wir werden weiter nach Papa suchen. Kannst du brav für mich sein?“ Nadja nickte und schluchzte noch einmal, dann straffte sie ihre Schultern und fasste ihre Mutter bei der Hand.

Die Männer nahmen die beiden in ihre Mitte und führten sie in ihr erstes Camp.

Sie betraten eine Art Fort. Es sah wie eine Wohnsiedlung aus, die mit Wellblechwänden und Schrottautos geschützt wurden. Auf einer Art Catwalk standen Männer mit Waffen und blickten gefährlich. Mina ließ ihre Blicke hin und her schweifen um eine Lücke zu entdecken. Da war nichts. Ihr Mut sank. Da spürte sie den Druck der kleinen Hand in ihrer und ihr Wille kam zurück. Sie würden hier wieder weg kommen. Es musste einen Weg geben.

Hinter der Mauer wurde sie schon empfangen. Andere Frauen nahmen sie entgegen und trennten sie von Nadja. „Nein, lasst mir meine Tochter. NADJA!“ „Pst, mach nicht so einen Wirbel. Das mögen sie nicht. Die Kleine kommt schon wieder zu dir zurück. Aber es ist besser wenn wir sie aus den Augen der Männer bringen. Es gibt hier kranke Tiere. Glaub mir, es ist besser so. Du musst jetzt erst zu Walt.“ „Aber…“ „Keine Angst, Nadja wird es gut gehen. Sie wird gewaschen und bekommt was zu essen. Es sind andere Kinder dort wo sie hinkommt. Wenn du fertig bist, kannst du sie sehen. Glaub mir.“ Mina blickte die Frau vor ihr an. Sie war schon bisschen älter. In den Vierzigern. Sie wirkte sehr nett und mütterlich. Aber ihr Blick wirkte gehetzt und ängstlich. Sie sah die anderen Frauen an. Viele hatten einen dicken Bauch und hielten ihren Blick immer zu Boden gewandt. Sie war in einer Babyfabrik angekommen. Hier wurden Frauen vergewaltigt, bis sie schwanger wurden. Ihre Beine wurden ganz weich. Schon stützten die anderen Frauen sie und führten sie von den Männern weg. „Angela, denk dran, dass Wart sie sehen will.“ „Ja, natürlich. Was meinst du warum ich sie mitnehme.“ Sagte sie und drehte sich weg.

Sie führten Mina in eine gemeinschaftsdusche. Sie zogen sie aus, wuschen sie und kleideten sie neu ein. Mina war wie betäubt vor Angst um Nadja. Sie ließ sich herrichten ohne sich zu wehren. Als das kalte Wasser auf ihre Haut traf wurde sie wach. „Was ist das hier? Seid ihr so eine Art Zuchtstation?“ „Sie ist fix im Köpfchen, die Hübsche. Ja Fräulein. Wir sind Zuchtstuten. Und auch dir wird dieses besondere Vergnügen zu kommen.“ Lachte die Frau gehässig. Auch sie hatte einen dicken Bauch. Es konnte nicht mehr lang dauern bis zur Niederkunft. „Glaub mir, du wirst froh sein, wenn du Schwanger bist, dann lassen sie dich wenigstens in Ruhe.“ Meinte sie dann geknickt. „Ich bin Susanne. Wie ist dein Name?“ „Mina.“ „Wo ist dein Mann?“ „Ich weiß es nicht, er ist bei der Vorratssuche nicht mehr heim gekommen.“ „Wahrscheinlich wurde er auch gekidnappt. Er lebt bestimmt noch.“ Mina blickte sie dankbar an.

„So meine Liebe“, meinte Angela. „Es wird Zeit. Walt wird dich kennen lernen wollen. Das wird schon. Wir Frauen sind wirklich zäh. Wir halten mehr aus, als du denkst. Und du hast einen Grund zu überleben. Deine kleine Tochter braucht dich.“ Mina nickte und folgte Angela ohne sich zu wehren. Sie würde hier schon irgendwie wieder heraus kommen.

Angela klopfte an einer Tür. „Herein.“ Eine tiefe, aber unsympathische Stimme bat sie herein. Eine Gänsehaut überzog Minas Arme. Sie traten ein und ein fetter, schmuddeliger Kerl saß auf einer Art Thron. Mina musste ihren ekelerfüllten Blick senken. „Ah, die Neue. Komm her mein Mädchen. Ich hab gehört, du hast eine kleine Tochter. Das ist gut, das bedeutet, du bist fruchtbar. Das macht dich sehr Wertvoll. Leider kann ich dich nicht selbst beglücken. Wir wollen ja späteren Inzest vermeiden. Sehr schade. Aber vielleicht komme ich, wenn du in guter Hoffnung bist noch mal darauf zurück.“ Ein ekelerregendes Lachen verließ seine fleischigen Lippen. Eine Welle der Wut überkam Mina. Sie spürte den Druck Angelas Hand und hielt sich zurück. Weiterhin senkte sie den Blick. „Angela ist unsere Hüterin. Sie ist zu alt für Nachwuchs. Hat aber ihre Pflichten schon erfüllt. Eins konnte sie noch gebären, bevor sie vertrocknete.“ Angela biss die Zähne zusammen. Mina konnte das Spiel ihrer Kiefer erkennen. „Du wirst an einen Neuankömmling gegeben. Er hat noch keine Kinder gezeugt. Das ist sehr gut. Du wirst es genießen, je weniger du dich wehrst. Das hast du doch bestimmt schon gehört, oder?“ Wieder lachte er dreckig. „Ihr dürft gehen. Angela, bring sie nach dem Essen zu Andreas.“ Angela nickte und verbeugte sich. Schnell drückte sie Mina aus dem Raum.

„So, das wäre geschafft. Du hast jetzt noch ein bisschen Freizeit. Ich bring dich zu deiner Tochter.“ „Was ist aus deinem Kind geworden?“ Sie schüttelte mit dem Kopf. „Ich weiß es nicht. Sobald sie geboren werden, bekommst du sie weg genommen. Andere Frauen sind die Ammen. Damit du keine zu tiefe Bindung aufbaust. Das wolle sie nicht, denn dann können Mütter gefährlich werden. Es gibt ein Camp. Weit außerhalb von hier. Dort bringen sie die Kinder hin und erziehen sie zu braven Soldaten.“ „Das ist ja schrecklich.“ „Ja. Es raubt uns allen den Schlaf. Keine Mutter, selbst wenn die Zeugung noch so furchtbar war, kann das gut verkraften. Manche Frauen haben schon mehrere Kinder hier bekommen. Sie sind nur noch ein Schatten ihrer selbst und werden dann irgendwann entsorgt.“ „Entsorgt?“ „Wenn sie Glück haben, dürfen sie, wie ich, hier noch arbeiten, wenn sie zu kaputt sind, werden sie ausgesetzt.“ „Oh mein Gott. Was sind das für Menschen hier?“ „Ja – das pure Patriachart. Schlimmer als im Mittelalter.“ In Gedanken versunken folgte Mina Angela. Das war ein furchtbarer Ort. Sie musste verschwinden, bevor Nadja alt genug war um für die Zucht eingesetzt zu werden. Noch war sie als kleines Mädchen am Leib sicher. Aber was war mit dem Geist. Sie würden sie bestimmt auch deportieren.

Fortsetzung folgt