Die Regeln: 100 Wörter, 3 davon sind die Gewürfelten. Beugen geht, ebenso wie Mehrzahl und zusammengesetzte Begriffe. Synonyme gehen nicht.
Der Drabble-Dienstag wird im Moment von Grinsekatze ausgerichtet.
Asphalt, Knall, Schütze
Ich lag auf dem nassen und wirklich sehr kalten Asphalt. Mein Kopf schmerzte, das konnte natürlich an dem Sturz liegen, oder vielleicht auch an der Kugel, die meinem Kopf hart gestreift hatte. Woher ich das wusste? Der Knall, der war eindeutig und nicht überhörbar, ja spürbar. Ich hörte Schritte auf den Kieseln knarzen. Das musste der Schütze sein. Er wollte sein Werk bewundern? Nein, wohl eher nachschauen, ob er wirklich getroffen hatte. Er hatte. Ein Schatten fiel über meinen Körper. Ich glaube ich gurgelte unelegant. Wenn juckt´s wenn man starb durfte man auch mal gurgeln. Sanft schlossen Finger meine Augen.
Was ist ein Drabble? Ein Text der exakt aus 100 Worten besteht. Nicht mehr nicht weniger. Eine ziemliche Herausforderung. In den Text werden drei vorgegebene Worte eingebaut.
Mehr dazu findet ihr bei Klapperhorn. #drabbledienstag
Beispiel – Sauber – Umstritten
Vielen Dank an Nati, dass ich deinen makaberen Drabbel als Inspiration verwenden darf.
Umstritten ist die Kunst des Tötens.
Nehmen wir ein Beispiel: Eine Frau möchte die Scheidung und die Hälfte des Geld vom Ehegatten. Er sieht es nicht ein und will sich ihrer entledigen. Da kommt die Frage? Wie, so das man selbst Sauber bleibt?
Handelt man im Affekt, steht man unter Umständen vor seinem geöffneten Kofferraum mit einer verschnürten Leiche. Ein hysterisches Kichern auf den Lippen. Schaut sich verdächtig um, dass ihn keiner gesehen hat:
„Verdammt noch mal Olli. Hör mit diesem Quatsch auf, hilf mir dieses Ding zu entsorgen.“
Verärgert steckt Olli sein Diktiergerät weg: Das wird eventuell weiter geführt.
Ich hab es vermisst. Endlich hab ich mal wieder den Kopf frei um bisschen zu schreiben. Dank dem #Writing Friday hab ich auch genau das Richtige für mich entdeckt.
Mein Mann hat sich schon amüsiert. Er fragte mich, was ich denn da alles guckte und suchte. Und ich antwortete ihm – wie man eine Leiche entsorgt. Er war erstaunt. Sowas findet man? Ja – aber ich muss zugeben, dass es doch ein bisschen seltsam ist da nach zu suchen. Was ist, wenn einer meinen Browserverlauf hackt? Gut, dass ich eine Erklärung habe und die findet ihr jetzt im Anschluss.
Du hast gerade einen Mord begangen und musst die Leiche loswerden. Wie gehst du vor?
Da stand ich nun. Und er lag direkt vor mir. Ich stippte ihn mit der Fußspitze an. Ja. Tot. Verdammt. Also nicht dass er tot war, das war mir eigentlich egal. Aber dass ich ihn getötet hatte, das war nicht so geplant. Ich war irgendwie nicht bereit, wegen dem Saftsack mein Leben im Knast zu verbringen. Also was tun? Wie wurde ich eine Leiche los? Loraine. Die würde es wissen. Sie war ein Krimi Fan. Ständig las sie einen oder sah im Fernsehen CSI und diese anderen. Und – sie war meine beste Freundin. Wofür hatte man beste Freunde, wenn nicht dafür eine Leiche zu entsorgen. Kaffee konnte ich auch mit beliebigen Arbeitskollegen trinken.
Marvin, das war mein Hund. Eine unbestimmte Promenadenmischung mit einem Goldkelchen, dass die Nachbarn regelmäßig verzückte. Sie riefen immer so Nettigkeiten, wenn er draußen bellte. Marvin schnüffelte von der anderen Seite der Scheunentür. Er wusste was. Ja Blut bedeutet Fresschen. Loraine, ja da war ja was. Ich ging zur Tür. Wollte gerade die Tür öffnen, als mich der Schlag traf. Ich triefte vor Blut. So konnte ich wohl kaum raus. Ich würde mir ja meine Wohnung versauen. Ne, ne. Ich sah mich um und war dankbar, dass ich eine so miese Hausfrau war. Die Wäsche hing ewig, bis ich sie mal wegräumte. Ich schnappte mir eine löchrige Jogginghose und ein passendes T-Shirt und ging zum Haus.
Im Haus war ich etwas orientierungslos. Wie sollte ich Loraine das erklären. Wohl kaum am Telefon. Ich erinnerte mich an den Lauschangriffskandal. Ich musste nur das Falsche sagen, schon würden sie hier einfallen. Hmhm. Ein Mädelsabend. Das wäre das einzig unauffällige. Also gut. Ich ging zum Telefon. Wo war eigentlich mein Handy? Egal. Es tutete. „Bitte sei zu Hause.“ Konnte man eigentlich schon abhören, bevor das Gespräch angenommen wurde? Ich nahm mir vor das mal zu googlen. Hätte ich mein Handy, könnte ich das während der Wartezeit machen. Wie oft hatte es denn jetzt schon getutet? Klack. „Hallo?“ hörte ich verschlafen. Wie spät war es denn? Oh je. Mitternacht. Da würde mir doch keiner einen Mädelsabend abnehmen. In meinem Hirn war das absolute Chaos. Was konnte mich bewegen so spät anzurufen? „Hallo, Maddie?“ „Hallo? Wer ist denn da?“ Lallte ich ins Telefon. „Mir ist so schlecht. Hallo, wer ist da?“ „Maddie? Bist du betrunken?“ „Loraine, warum hast du mich denn angerufen?“ „Du hast mich…ach vergiss es. Was ist denn los. Seit wann trinkst du denn alleine?“ „Ich bin so einsam Lora. Keiner liebt mich und ich werde alleine sterben.“ Ach war ich gut. „Soll ich vorbei kommen?“ „Jaaaaa.“ Schluchzte ich. „Bring Wein mit.“ „Na ich weiß nicht, ich glaube du hattest genug.“ „Neiiin. Bitte bring Wein mit.“ „Na gut. Ich bin gleich da.“ Wir legten auf und ich führte einen kleinen Tanz auf. Da würde doch keiner stutzig werden. Haha. Dann stoppte ich. Wie pietätlos von mir. Ich ging ins Wohnzimmer. Erst wollte ich mich in meinen Lieblingssessel setzen und einkuscheln. Aber ich wollte ihn nicht mich schlechten Erinnerungen verpesten. Ich drehte mich im Raum. Dort. Der Stuhl meiner Großmutter. Den hasste ich schon immer. Der konnte dann entsorgt werden.
Ein Schlüssel drehte sich im Schloss. Natürlich hatte ich meiner besten Freundin einen Schlüssel meines Hauses gegeben. Sie trat ein. „Maddie? Wo bist du? Ich hab Ginger Ale gegen die Übelkeit, Aspirin für die Kopfschmerzen, und für davor Wein und Kräcker. Und natürlich einen Meg Ryan Film.“ Ich huschte ihr entgegen und zog sie rein. Schnell schloss ich die Tür. Dann umarmte ich sie fest und führte sie ins Wohnzimmer. „Na du hast dich aber schnell erholt.“ „Ich musste dich doch irgendwie unauffällig herlocken.“ „Ja, natürlich. Und wieso?“ Ich setzte sie ins Bild und sie setzte sich auf Großmutters Stuhl.
Nach der Flasche Wein und einer weiteren Halben, begaben wir uns in die Scheune. Marvin stand immer noch davor und begrüßte uns schwanzwedelnd. Ein so braver Hund. Jetzt standen wir also vor dem Toten. Loraine hatte die Hände in die Hüfte gestemmt und schaute sich in meiner Scheune um. „So, so. Ein Toter. Also so was. Ich muss zugeben. Liebeskummer wäre mir jetzt doch irgendwie lieber.“ Ich nickte. „Wie ist das noch mal passiert? Wer ist das?“ „Mein Barista.“ „Dein Barista. Ja klar. Warum nicht? Hat dir der Kaffee nicht geschmeckt? Oder, Gott bewahre, wollte er dir echten Kaffee ohne chemische Zusätze anbieten?“ Ich schubste sie und musste lachen. „Nein, er hat mich nach einem Date gefragt und eigentlich ist er ja ganz süß.“ „Aber? Wieso ist er denn dann jetzt tot?“ „Ein Unfall?“ „Fragst du mich das? Wenn es ein Unfall wäre, hättest du ja wohl die Polizei holen können. Und das Brecheisen in seinem Kopf, ich weiß nicht – wie soll er denn da drauf gefallen sein.“ „Ungeschickt nicht wahr?“ Loraine stampfte mit dem Fuß auf und musste gleichzeitig ihre Balance aufrecht halten. „Alscho.“ „Ähm, Also, was ist passiert?“ „Er ist dämlich.“ „Das sind so einige, deswegen laufe ich aber nicht rum und töte sie alle. Würde ich gerne – aber das ist ja doch bisschen anstrengend.“ „Wir haben uns einfach hoch geschaukelt. Jetzt habe ich meinen Barista verloren. Sein Kaffee war wirklich gut.“ „Ja, das sollte dein kleinstes Problem sein. Okay. Ich weiß, dass du Rechthaberisch bist. Das ist natürlich beim ersten Date kontra. Aber töten – das ist doch bisschen überreagiert.“ „Ich hatte einen schlechten Tag im Büro.“ Loraine rollte mit den Augen. Da fiel ihr nichts mehr ein. „Egal wir müssen ihn loswerden Schon einen Plan?“ „Ich – dafür hab ich doch dich geholt. Du bist doch die Krimiexpertin.“
Loraine öffnete die Scheunentür. Marvin kam herein und blickte sich um. Seine Nase erfasste die Situation und Loraine ging ein Stück beiseite um ihm den Blick frei zu machen. „Lora, was machst du, denn?“ „Schätzchen, du hast Recht, ich bin die Expertin und ich kann dir sagen. Die meisten Fehler passieren beim Entsorgen der Leiche. Eine Tonne hast du nicht – also können wir ihn nicht auflösen. Wo sollen wir auch so viel Bleiche her bekommen? Ne, ne. Auffressen – das ist das einzige. Und ein Hund, der frisst alles was geht. Es werden nur noch wenig Knochen übrig bleiben. Und wenn du die in einen Müllsack packst und zur Verwertung fährst – mit Fahrrad bitte. Wird da nie was raus kommen. Es weiß ja keiner von euch, oder“ „Ne, ich wollte erst mal nur schauen, was er so für ein Typ ist.“ Loraine nickte zustimmend.
„Aber Marvin wird ja ewig für ihn brauchen.“ „Wolltest du nicht immer einen zweiten Hund?“ „Ne eigentlich nicht. Aber – im Hundepark hat mich ein netter Mann angesprochen – sehr süßer Kerl. Er will paar Tage mit seinen Freunden wegfahren und hat noch keine Unterkunft für den Hund.“ „Perfekt. Wir können ihn jetzt nicht zerkleinern, das macht zu viel Krach. Morgen werden wir ihn bisschen zersägen, und ihn in die Truhe verfrachten. Marvin hat dann leckeres Essen und du bist deine Leiche los.“ „Du bist genial.“ „Ich weiß.“ Lachend gingen wir ins Haus. Marvin ließen wir schon bisschen knabbern. Der restliche Wein und die Kräcker landeten auf dem Tisch. Der Meg Ryan Film wurde eingelegt und der Abend entspannt ausklingen gelassen. So wurde es doch noch ein netter Mädelsabend.
HIER findet ihr die gesamte Geschichte in einem Teil
Am Freitag nahm ich mir vor, so wenig wie möglich auf den Fall einzugehen. Ich wollte einfach nur Martas Gegenwart genießen. Wir gingen gemütlich Essen. Dann noch auf einen Kaffee in ein kleines gemütliches Lokal und unterhielten uns vorzüglich. Wir kamen uns näher, je später es wurde. Ich lud sie zu einem Absacker in meine Wohnung ein und dort verbrachten wir noch weiter genüssliche Stunden. Wir lagen im Bett, sie hatte es sich auf meiner Brust gemütlich gemacht. Sie fing an: „Was meinst du wer Marcello getötet hat?“ „Marta, ich darf dir leider zu den Ermittlungen nichts sagen, aber ich höre mir gerne deine Theorien an. Vielleicht finde ich noch einen Schlüssel zu meinen.“ Sie blickte mich an und mein Herz klopfte. Sie war perfekt.
„Lass mich überlegen.“ Sagte sie leicht verschlafen. „Vega – sie könnte es getan haben, weil sie unbedingt erben wollte. Ihr Bruder war eine Gefahr.“ Ich nickte. „Jan, er will unbedingt das Gut erben, er würde bei mir an erster Stelle stehen.“ Wieder nickte ich. „Dann Sarah. Sarah war es bestimmt nicht. Warum sollte sie? Ich weiß, dass sie Vega das Gut geben wollte und Marcello Geld. Wenn dann hätte man eher sie umgebracht, bevor sie das Testament schrieb.“ Wieder nickte ich. Sie war so weit wie ich in meinen Ermittlungen. Nur hatte ich noch einige Geheimnisse herausgeholt, die sie wohl nicht wusste, oder mir verschwieg. Aber genug davon. Ich zog sie hoch und küsste sie um den Abend perfekt enden zu lassen.
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Es wurde Zeit den Fall zu lösen. Dafür nahm ich Kontakt mit dem Butler auf und teilte ihm mit, dass ich am nächsten Tag vorbei kommen wollte um eine letzte Befragung durchzuführen.
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Ich fuhr die beeindruckende Auffahrt zum Haus hoch. Gefolgt von zwei weiteren Polizeiautos, die ich aber anwies sich bedeckt zu halten. Sie sollten die Ausgänge sichern, da ich von einem Fluchtversuch des Mörder ausgehen musste.
Im Salon traf ich tatsächlich alle Familienmitglieder an. „Guten Tag. Schön, dass sie sich alle Zeit nehmen konnten, und wir das hier klären können. Wo ist Vincenco und Marta? Die beiden sollten doch bitte auch teilnehmen an dieser illustren Runde.“ Sarah klingelte nach den beiden.
„Wo wir jetzt so zahlreich versammelt sind, werde ich ihnen die Fakten meiner Ermittlungen darlegen. Ich werde ihnen erst mal die Motive aufzeigen und dann am Ende mein Ergebnis.“ „Sie machen es aber spannend, Herr Inspektor.“ Sagte Jan. Ich blickte ihn tief an und genoss seine Unruhe.
„Ja, das ist doch der schönste Teil meiner Arbeit. Den Mörder entlarven. Vega, “ Fing ich an. Sie rutschte nervös in dem Sesseln hin und her. „Sie sind die Haupterbin des Weingutes. Ihre Mutter wird ihnen alles vermachen und hatte vor Marcello mit Geld abzuspeisen, obwohl er geeigneter gewesen wäre, von seinem Wissen und Kontakten. Ich denke er hat sie unter Druck gesetzt um ihre Mutter zu beeinflussen. Er wollte, dass sie in ihren geliebten Lehrerberuf nachgehen und mit dem Geld, das er eigentlich bekommen sollte hätten sie ausgesorgt. Aber so ganz verzichten wollten sie doch nicht. Denn Finelli ist ein guter Name und man hätte ihn zu Finelli und Scherke ausbauen können. So einen berühmten Namen kann man sehr gut einsetzen. Ihr Bruder ist ihnen zu dicht aufgerückt. Da sind sie beim Gassi gehen im Weinberg aneinander geraten und sie haben ihn geschupst. Dabei gerat er ins Stolpern und fiel unglücklich. Ein Missgeschick. Ein Unfall.“ Sie blickte mich an wie ein Reh vor einem Autolichtkegel. „Aber ich war es nicht. Ich liebte Marcello und er hätte das Gut haben können. Ich muss nicht die Leitung hier haben. Das ist mir viel zu viel Verantwortung, Mutter.“ Sagte sie und drehte sich zu Sarah um. „Aber Kind, ich will, dass das Gut in weiblicher Hand bleibt. Dein Bruder war zu unbesonnen. Vielleicht hätte er es gut leiten können, aber ohne Familie. Er wollte nicht heiraten und sesshaft werden. Das war mir einfach zu unsicher.“
„Wo wir doch gleich zu ihrem Motiv kommen, verehrte Frau Finelli. Marcello war einfach uneinsichtig. Er wollte immer mehr und mehr, er wollte das Gut noch grösser heraus bringen. Aber dafür hat er sich mit den falschen Leuten eingelassen. Er hat die Mafia mit ins Spiel gebracht und so ihr Allerliebstes in Gefahr gebracht. Sie wollten auf keinen Fall die Mafia in ihrem Unternehmen rumfuschen haben. Waren sie ihr doch in Italien davon gekommen. Ihr Sohn war eine Bedrohung. Als sie ihn auf dem Weinberg zu rede stellten, gerieten sie in einen heftigen Streit. Er stolperte und fiel auf die Rebenverankerung.“ „Was für ein Blödsinn. Ja, er hatte tatsächlich Kontakte zur Mafia geknüpft um deren Lokale mit günstigen Schwarzgebrannten zu versorgen. Ein Zweig, den er ohne mein Wissen eröffnet hatte. Weder wollte ich harten Alkohol noch den Kontakt zur Unterwelt. Das ist ein ehrliches Unternehmen. Aber ich würde doch meinen einzigen Sohn nicht töten. Ich hätte ihn vielleicht nach Italien geschickt, Mehr nicht.“ Ich nickte
„Jan, mein Favorit. Sie haben das stärkste Motiv Marcello los zu werden. Sie sind hier nicht sehr beliebt. Nicht unbedingt der Traumschwiegersohn. Sie haben sich hier in die Familie gedrängt, indem sie Vega überstürzt heirateten nur um hier das Erbe abzusahnen. Sie waren Mittellos und die Gläubiger saßen ihnen im Nacken. Das Arbeitshaus hatte schon angeklopft. Da trafen sie zufällig auf die liebevolle, leicht zu beeindruckende Vega. Nichts für ungut.“ Meinte ich zu Vega, da ich sie nicht beleidigen wollte. Sie nickte nur ermattet. „Marcello wollte sie nicht in der Familie haben und nicht bei seiner Schwester. Außerdem wusste er, dass sie Vega betrogen. Schon kurz nach der Hochzeit sind sie regelmäßig Fremd gegangen.“ Ich beobachtete Vega. Sie zuckte zusammen, wie nach einem Schlag. Mehr nicht. Sie wusste es. Sie duldete es. Sarah schnaufte. „Was? Jan? Du Hurenbock. Du betrügst meine Tochter und bringst Schande über diese Familie. Wie konntest du nur. Hast du Marcello getötet?“
„Nein. Er hat mich angezählt. Er meinte ich solle das lassen mit der Betrügerei, oder er würde dafür sorgen, dass Vega mich verlassen würde. Ich wollte auch aufhören, aber …bei Vega und mir läuft es nicht so gut – ich bin auch nur ein Mann. Ich hab Bedürfnisse.“ Vega schluchzte. „Musst du unser Schlafzimmer hier ausbreiten? Warum meinst du wohl, warum ich mich zurückgezogen habe? Denkst du ich kann dich noch ansehen, wenn ich weiß, dass du mit jeder hergelaufenen Hure ins Bett gehst?“ Das waren starke Wort, die ich von ihr nicht erwartet hätte. „Ja, das wäre mein Motiv, für sie. Sie wollten Marcello still legen. Also trafen sie sich im Weinberg. Hier haben wir Motiv, Gelegenheit und Kraft. Jan? Sie sind einer meiner Favoriten.“ „Ich war es nicht. Ich war nicht mal in der Nähe. Ich war bei Mime Violetta.“ „Das weiß ich, aber nur bis einundzwanzig Uhr. Der Mord wurde gegen Mitternacht verübt.“ Jan schwieg. „Wo waren sie danach?“ „Im Gästezimmer.“ „Ein schwaches Alibi, das müssen sie schon zugeben.“
„Vincenzo. Sie wissen ja was man im Volksmund so sagt: Der Butler war es, oder der Gärtner. Aber wieso immer der Butler? Ich denke sie haben das Motiv, da sie Marcellos Verhalten nicht guthießen. Sie wussten von der Mafia, ein Butler weiß immer alles. Sie wollten ihn Stoppen, aber das ging tödlich aus.“ „Aber nein, ich wusste, dass Marcello nicht immer legal operierte. Aber ich hätte eher der gnädigen Frau Bescheid gesagt. Nur wollte ich sie nicht belasten, also habe ich geschwiegen.“
„Marta?“ „Christian?“ „Du bist die perfekte Frau. Ich würde alles geben eine solche Frau an meiner Seite zu wissen. Du hast eine schwere Zeit hinter dir.“ Marta blickte mich misstrauisch an. Ich beobachtete jeder ihrer grazilen Bewegungen. „Du kamst mit Nichts aus Italien hier an. Irgendwo musstest du unterkommen. Aber mit der Sprachbarriere ist das nicht so einfach hier Fuß zu fassen. Gegen Ausländer ist man hier immer etwas zurückhaltend.“ Sie wurde etwas nervös. „Was willst du andeuten? Ich bin immer loyal der Familie gegenüber.“ „Das stimmt. Der Familie gegenüber, das hast du richtig ausgedrückt. Marcello war mit dabei bei der „Familie“ Aber er wollte aussteigen, da er wusste, dass seine Mutter nie zustimmen wollte. Aber die „Familie hatte schon investiert. Und den Patron betrügt man nicht. Oder sollte ich eher Patronin sagen?“ Ihr blick wurde hart. „Ich verstehe nicht was du sagen willst.“ „Marcello ist auf dich zugekommen um dich um Geld anzupumpen. Er wusste, dass du zur hiesigen Mafia gehörst, dass du sie leitest. Aber er wollte sich zurückziehen. Das konntest du nicht zulassen. Du hättest als Köchin nie die Chance gehabt hier was zu erben. Selbst wenn sie sagen, du gehörst zur Familie – es ist nie so. Du bist eine Angestellte. Vielleicht hättest du bisschen Geld bekommen, aber mehr nicht. Dafür hast du hier zu viel investiert. Marcello sollte deine Eintrittskarte sein. Irgendwann hätte dir die Hälfte gehört – aber er hat Angst bekommen. Er wollte alles seiner Mutter beichten. Das wäre nicht drin gewesen. Du wusstest dass Sarah nichts mit der Mafia zu tun haben wollte. Sie hätte dich mit Schimpf und Schande vom Gut vertrieben und deine Arbeit wäre zunichte gewesen. Also hast du den Auftrag erteilt Marcello zu entledigen. Einer deiner Schergen hat die Schmutzarbeit für dich getätigt, während du in der Küche alles für den nächsten Tag vorbereitet – dein Alibi ausgebaut hast.“ „Was für ein Blödsinn. Wie willst du das beweisen?“ „Man muss nur bisschen zuhören und die Augen öffnen. Ich hab mich bei den Arbeitern umgehört und es gab Gerüchte einer weiblichen Mafiachefin. Ich hab dann Polizeiarbeiten getätigt und dein Leben zurückrecherchiert. Er brach mir das Herz. Dass du tatsächlich eine Mafiosa bist und wie du überhaupt in den Kreis gelangt bist. Alte Polizeiberichte mit deinem Namen sind aufgetaucht. Dass du deinen Namen behalten hast, war sehr überheblich. Du warst dir einfach zu sicher. Ich hab deinen Werdegang verfolgen können. Von kleinen Diebstählen zur Prostitution und zum Betrug. Ich konnte deinen Lebenslauf anhand deiner Fall Akte verfolgen. Wirklich überheblich.“ „Es war nie geplant, dass es soweit kommen würde. Mein Name hätte eigentlich schon aus den Akten verschwunden sein sollen. Ich hatte meine Leute, die das erledigen sollten. Das war wohl nichts. Da werden wohl einige Köpfe rollen. Da hat bestimmt einer meiner Konkurrenten die Finger im Spiel. Das kannst du dir vorstellen, Ein weiblicher Pate. Meine männlichen Gefährten fanden das nicht so toll. Aber ich habe mir den Platz schwer erkämpft und so leicht gebe ich nicht auf.“ Kaum hatte sie ausgesprochen fing sie an zu laufen. Sie drehte sich Richtung Fenster und sprang. Sie sprang durch das geschlossene Fenster. Ich war im ersten Moment bewegungslos. Dann spurtete ich ihr hinter her. Die Frau war schnell. Meine Kollegen standen alle an den Türen – keiner rechnete damit, dass eine Person aus dem Fenster springen würde. Ich verfolgte sie, wurde aber langsamer. Ich sollte an meiner Ausdauer arbeiten. Sie war weg. Meine Kollegen waren mittlerweile aufgeschlossen und wir drehten das gesamte Weingut um. Sie war weg. Verdammt. Sie hatte mich überrumpelt. Sie war weg. Ich ließ sie zur Fahndung ausschreiben, wusste aber, dass ich sie nie fangen würde. Sie war schon zu lange an der Spitze um sich erwischen zu lassen. Sie würde untertauchen, endlich ihren Namen ändern und ihr Erscheinungsbild. Sie würde aus meinem Leben verschwinden. Ein Stich ging mir durchs Herz, die Frau hatte mich tief berührt.
Zurück im Haus, traf ich auf eine aufgelöste Gruppe der Finelli-Familie. „Herr Inspektor, haben sie sie erwischt?“ „Nein, meine Männer sind noch auf der Suche, aber sie hatte wohl schon einen Fluchtweg geplant. Jemand der so hoch in der Mafia angesiedelt ist, legt sich immer einen Fluchtweg zurecht.“ „Sie war so lange bei uns gewesen, hat meine Kinder mit aufgezogen. Ich habe in ihr eine Freundin gesehen. Jetzt so was. Es erschüttert mich bis ins Mark. Wie soll ich je wieder jemanden trauen?“ „Das weiß ich nicht verehrteste. Das wird nicht leicht, aber sie haben ihre Tochter an ihrer Seite. Mit ihr werden sie das schon schaffen.“ Sie drehte sich zu Vega um und winkte sie zu sich. Die beiden Frauen lagen sich weinend in den Armen. Das hier war zu Ende.
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Vega saß auf der Terrasse. Sie hatte einen Brief in der Hand. „Liebste Freundin, schade, dass wir uns so plötzlich voneinander trennen mussten. Aber ich hoffe alles ist zu deiner Zufriedenheit ausgegangen. Ein neues Leben erwartet dich. Und wenn die Umstände sich ändern, werden wir uns vielleicht mal wieder sehen. Achte gut auf dich und deine kleine wachsende Familie. Für immer in Liebe deine Tante M.
Sarah strich sich behutsam über den leicht gewölbten Bauch. Irgendwann würde sie ihre Freundin wieder treffen. Solange würde sie sich gut um ihr Erbe kümmern um es für ihre Tochter zu sichern.
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Ich beendete meinen Bericht über den Fall Finelli. Es ärgerte mich, dass ich zu lange gebraucht habe um Marta zu entlarven. Oder ärgerte es mich, dass ich sie entlarvte? Sicher war ich mir nicht. Ein Brief landete auf meinem Tisch. „Danke Oskar“, rief ich dem Postjungen hinter her. Er winkte nur ab. Ich öffnete ihn. Ein Flyer fiel mir entgegen. Es war ein Weingut in Italien. In der Nähe von Palermo. Eine Einladung zur Besichtigung und Verköstigung. Ein kleiner Zettel war im Inneren befestigt. „Wenn du jemals nach Italien kommst. Vergiss mich nicht.“
Ich betrat die Küche und beobachtete Marta etwas bei ihrer Tätigkeit. Sie hatte gerötete Wangen und ihre Haare waren schon etwas aufgelöst. Sie sah einfach toll aus. Still mein Herz….
„Christian, schön dass du noch mal vorbei kommst. Hast du Hunger? Ich hab eine leckere Kürbiscremesuppe. Eine meiner Spezialitäten.“ „Wenn du mich so nett einlädst, kann ich wohl kaum nein sagen.“ Sie führte mich zum Stuhl und drückte mich herunter. Dann landete schwungvoll ein Teller vor mir und mit einer gekonnten Bewegung schenkte sie mir die Suppe ein und sie hatte nicht übertrieben. Sie war einfach köstlich. Ich würde dick werden mit dieser Frau.
Nach dem Essen saßen wir noch gemütlich bei einem Kaffee und Kerzenlicht am Esstisch. Ein massiver Tisch aus Holz – sehr gemütliche Atmosphäre. Ein bisschen romantisch. Aber leider musste ich die Stimmung etwas dämpfen. Ich musste sie fragen. „Sag mal. Ich habe mit Vincenco geredet. Er ist nicht so familiär eingestellt wie du. Er wird wohl nicht so integriert?“ „Ach, das liegt aber auch bisschen an ihm. Er ist sehr distanziert. Und ich habe ja auch bei den Kindern geholfen. Da war die Beziehung zur Familie bisschen anders.“ Hm stimmt wohl. „Erzähl mir doch bisschen was über die Familie.“ „Ich weiß nicht, ich will nicht tratschen.“ „Ich werde sowieso alles herausfinden, ich bin wirklich gut in meinem Job.“ „Und so bescheiden.“ Schmunzelte sie. Ich musste mich zurückhalten meinen Kopf nicht auf meiner Hand abzustützen und sie anzuhimmeln.
„Gut. Wo fange ich an?“ „Erzähl am besten bisschen über Marcello. Ich will ihn besser kennen lernen. Er ist der Einzige, der mich nicht mehr belügen kann.“ „Hei.“ „Na, Anwesende immer ausgenommen.“ Zwinkerte ich ihr zu. „Ich hatte dir ja schon gesagt, dass er ein toller Junge war. Er konnte einen wirklich um den Finger wickeln. Diese großen braunen Augen. Ich sag dir, man konnte nur schmelzen in seiner Nähe. Kein Wunder, dass er so viel Mädchen in seinem kleinen schwarzen Buch stehen hatte. Sie gaben sich wirklich die Klinke in die Hand. Aber binden wollte er sich nicht. Obwohl es besser gewesen wäre. Er hätte eher die Chance gehabt zu Erben. Sarah ist müde, sie will sich bald zurückziehen. Sie weiß schon dass Marcello besser geeignet wäre, aber sie will eigentlich, dass das Gut in Frauenhand bleibt. Sie will alles Vega vererben und wollte Marcello auszahlen. Aber das weißt du auf keinen Fall von mir.“ „Was ist mit Jan?“ „Jan, er ist kein guter Mensch. Er hat Vega umgarnt und unter Druck gesetzt. Er will definitiv alles Erben, deswegen haben sie so schnell geheiratet im letzten Jahr. Erst dachten wir, es wäre was Kleines Unterwegs, weil es so plötzlich kam. Aber er hat sie nur manipuliert.“ „Will Vega denn das Weingut führen?“ „Ich glaube nicht. Sie könnte es, aber eigentlich ist sie zu nett. Das wäre dann wohl Jans Part. Sie wäre gerne Lehrerin, da geht sie wirklich drin auf. Aber sie könnte das Gut führen, ich traue es ihr zu. Sie müsste nur etwas härter werden.“ Ich nickte. Es war spät. Ich erhob mich. Ich sollte jetzt gehen. Es fiel mir schwer, da ich die Gesellschaft von Marta wirklich genoss, aber ich musste noch etwas arbeiten.
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Im Revier angekommen sammelte ich nochmal die Fakten.
Sarah wollte das Gut abgeben, am liebsten an Vega.
Jan wollte auf jeden Fall das Gut Erben – ein Motiv um Marcello los zu werden
Marcello hatte eigentlich kaum Chance auf das Gut. Er war Sarah wohl zu unbeständig, obwohl er geeignet gewesen wäre.
Meine Motive hielten sich in Grenzen.
Morgen würde ich mich mal bisschen bei den Arbeitern umhören. Die hatten meist den besseren Überblick und die Gerüchteküche brodelte dort meist am stärksten.
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Am nächsten Morgen versuchte ich noch mal mein Glück Sarah Finelli abzupassen, aber ich wurde schon wieder vertröstet. Ich solle es einfach später versuchen. Das würde ich, und es würde Frau Finelli nicht gefallen.
Ich begab mich unter die Arbeiter und fragte hier und da etwas die Leute aus. Sie waren sehr redselig. Eigentlich wurde die Polizei immer etwas auf Distanz gehalten, da nicht immer jeder Gelegenheitsarbeiter unbescholten war. Ich war sehr erfreut hier einige Gerüchte aufzufangen. Da gäbe es doch einiges aufzuarbeiten. Ich hatte einiges an Geheimnissen aufschnappen können. Das Bild der Familie verdichtete sich. Ich fing an den Mörder einzukreisen, dachte ich.
Zurück im Revier dauerte es keine halbe Stunde, als mir mein Gast angekündigt wurde. Im Verhörraum saß eine ziemlich angesäuerte Frau Finelli. „Frau Finelli, schön, dass sie es endlich einrichten konnten mit mir zu sprechen.“ „War das nötig? Es sollte doch diskret von statten gehen.“ „Sie liessen mir keine andere Wahl, gnädigste. Ich hatte mehrfach versucht sie in ihrem Haus anzutreffen, aber sie haben mich immer vertröstet. Ich bin nicht ihr Hampelmann. Das ist eine ernste Sache und für ihre Familie sieht das hier nicht ganz so rosig aus. Es gibt einige Motive.“ „Motive. Wer aus meiner Familie sollte ein Interesse daran haben meinen Sohn zu töten? Ich vielleicht?“
„Dazu werde ich noch später kommen. Ich will jetzt erst mal von ihnen wissen, wo sie am besagten Tag waren?“ „Ich war zu einem Abendessen bei Freunden geladen. Den Micellis, da können sie gerne nachfragen. Ich bin so gegen zweiundzwanzig Uhr dort weg. Mein Butler kann ihnen bestätigen, dass ich etwa eine halbe Stunde später zu Hause ankam. Natürlich bin ich alleine gefahren, ich habe schon lange keine Chauffeur mehr. Also für diese halbe Stunde habe ich kein Alibi. Aber ich benötige diese Zeit um von den Micellis zu mir zu kommen. Das können sie testen. Also kann ich meinen Sohn nicht getötet haben. Ich bin gleich auf mein Zimmer gegangen und meine Zofe kann dies bestätigen. Ich habe mir von ihr ein Schlafmittel geben lassen, da ich unter Schlafstörungen leide. Das können sie alles erfragen.“ Mir ging ihre überhebliche Art ziemlich auf die Nerven. Aber ihr Alibi klang belegbar.
„Das werde ich natürlich alles gegenchecken. Was ist mit Marcello. Haben sie eine Ahnung mit wem er sich in den Weinbergen getroffen hat?“ „Nein, mein Sohn hat mir schon lange nicht mehr mitgeteilt, was er wann mit wem unternimmt. Er war ein erwachsener Mann. Nicht einfach aber sehr selbständig.“ „Gut. Sehen sie, es hat doch gar nicht wehgetan. Ich bedanke mich für ihr entgegenkommen. Mein Assistent wird sie hinausbegleiten.“ Sie schnaubte verärgert über die verschwendete Zeit. Innerlich ging mir das runter wie Öl.
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Als ich am nächsten Tag wieder bei den Finellis auftrat, ging ich gleich in die Küche. Die Tür war angelehnt und ich konnte einen heftigen Streit zwischen Marta und Sarah hören. Sie stritten sich auf Italienisch. Verdammt. Eine wirklich sehr emotionale Sprache, die wirklich erotisch klang, wenn gestritten wurde. Ich hörte die Tür zum Treppenhaus zu schlagen und betrat die Küche. „Christian, wieder hier?“ „Kann ich denn weg bleiben? Wo doch die Verlockung so groß ist? Aber ich bin zum Arbeiten hier. Was war denn los, bei euch beiden?“ „Hm? Ach Sarah. Sie ist manchmal sehr hitzköpfig. Sie erwartet am Samstag Gäste und hat wieder mal ausgefallene Wünsche. Aber ich bin alleine in der Küche und das ist nicht so leicht zu stemmen. Jetzt bekomme ich eine Aushilfe. So ist das wenn zwei italienische Frauen streiten.“ Lachte sie. Trotzdem war ich skeptisch, das klang nicht nach einem Haushaltsstreit für mich. Aber was wusste ich schon. Wir plauderten noch etwas und verabredeten uns schließlich für den Freitag zum Essen und natürlich um noch über den Fall zu reden.
Ich ging noch mal zum Tatort. Die Spurensicherung hatte alles abgesperrt. Aber die meisten Spuren waren auch schon verwischt. Nach der Aufnahme war es nicht mehr wichtig ihn aufrecht zu erhalten. Ich wunderte mich schon, dass Sarah nicht drauf drängte ihn frei zu geben um die beschädigte Rebe zu beschneiden.
Ich ging zurück zum Auto und verließ erst mal ohne neue Kenntnisse den Ort. Im Revier angekommen stellte ich mich wieder an die Tafel und pikte neue Erkenntnisse daran.
Der Kreis zog sich immer enger um Jan Scherke. Er hatte Motiv, Gelegenheit und die Kraft. Ich brauchte nur noch Beweise.
Ich stand in dem pompösen Salon und hätte mir liebend gerne ein Glas Bourbon eingeschenkt. Aber ich war ja im Dienst. Das wurde wirklich, mittlerweile, sehr eng genommen. „Inspektor, was verschafft mir ihren Besuch? Haben sie Neuigkeiten über den unglücklichen Sturz meines Sohnes?“ „Frau Finelli, entschuldigen sie mein frühes Auftauchen, aber sie wissen ja – alles soll schnellstens erledigt werden. Die Statistiken und der Bürgermeister und, und, und. Sie sehen hervorragend aus.“ Sie war etwas überrumpelt von meiner Begrüßung und nickte nur hoheitsvoll.
„Sind das Fräulein und ihr Gatte auch zugegen?“ „Ich denke sie schlafen noch, sie waren noch nicht beim Frühstück. Müssen sie dabei sein?“ „Das wäre natürlich hervorragend. Danke für das Angebot sie holen zu lassen.“ Ich grinste frech in mich hinein. Ich liebte es einfach die oberen Zehntausend etwas zu überrumpeln. Sie zog an einem Bändchen, das an einer Klingel im Untergeschoss bei den Angestellten endete. Kurz darauf erschien der Buttler. „Bitte holen sie doch Vega und Jan zu uns in den Salon. Es ist wichtig, sie sollen nicht trödeln.“ „Sehr wohl, gnädige Frau.“
„Wollen sie mir schon erzählen, was sie herausgefunden haben?“ „Ach, wir warten doch auf die beiden anderen, ich wiederhole mich so ungerne. Wie wird dieses Jahr der Wein? Es war ja recht trocken. Ist das ein gutes Weinjahr?“ Wieder stutzte sie. „Äh, ja trockene Jahre bescheren oft einen guten Wein. Es ist zwar nicht unbedingt einfach die Wasserversorgung aufrecht zu halten, aber es ist wesentlich besser wenn es trockener ist, als wenn die Wurzeln der Reben im feuchten Matsch stehen. Kennen sie sich aus mit Weinen?“ „Eigentlich nicht – ich trinke sie gerne und habe so ein bisschen Laienwissen um die Damen zu beeindrucken.“ Bevor sie etwas erwidern konnte, öffnete sich die Tür und zwei verschlafene Gestalten betraten den Raum.
„Ah, Herr und Frau Scherke. Schön, dass sie zu uns treffen. Da kann ich doch gleich mit meinen Ermittlungen weitergehen.“ „Ermittlungen?“ Fragte Jan verschlafen. „Ja, ja. Ermittlungen. Wie sich herausstellte, war es leider kein Unfall an dem Herr Finelli verstarb. Er wurde gestoßen.“ Vega zog scharf die Luft ein. Jan blickte verunsichert im Raum umher. Die einzige, die eiskalt blieb, war Sarah. Die Eisweinkönigin. Ich beobachtete die drei. Es war wirklich die beste Zeit die Verdächtigen anzutreffen. Noch ungeschminkt und ungeschützt. Da konnte man die Emotionen am besten beurteilen. Außer bei Sarah. Sie war ein Vollprofi in Gefühlen verstecken. Das würde nicht leicht werden.
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„Wie kommen sie darauf, dass er gestoßen wurde?“ Frage Jan. „Anhand der Spurensicherung. Wir können einen Sturz rekonstruieren. Die Fußabdrücke zeigen, dass er nicht stolperte. Wenn man die Höhe der Streben bedenkt, hätte sie ihn nie aufspießen können, wenn er einfach nur gefallen wäre. Er muss angehoben und draufgespießt worden sein. Anders ist das nicht möglich. In seinem Blut befand sich kein Alkohol. Ein Unbetrunkener versucht einen Sturz abzufangen. Das war hier nicht der Fall. Außerdem konnten wir feststellen, dass jemand versucht hat, seine Fußabdrücke zu verwischen. Ist natürlich bei so trockenem Boden recht einfach – aber nicht natürlich herstellbar. Ein geübtes Auge erkennt das. Und meine Leute im Labor haben schon einige Tatorte inspiziert.“
Jan blickte nachdenklich zu seiner Frau, die schluchzend auf dem Sofa saß. „Und jetzt, Herr Inspektor? Wie wird es weiter gehen?“ Fragte Sarah. „Nun, wie soll es wohl weiter gehen, gnädige Frau. Ich werde jetzt die Ermittlungen aufnehmen und einige Personen befragen.“ „Kann man das unter Ausschluss der Öffentlichkeit machen? Sie wissen, der gute Ruf. Solange nichts Genaues bekannt ist, würde ich gerne Gerüchten vorgreifen.“ „Ich kann ihnen nichts versprechen. Sie wissen wie die Reporter sind. Wenn sie einen Knochen finden, stürzen sie sich wie verhungernde Hunde darauf. Ich werde mein Möglichstes tun.“ Im Prinzip war es mir eigentlich egal, ob die Presse davon Wind bekam. Manchmal setzte ich sie als strategisches Druckmittel ein. Wir würden sehen, wie weit ich sie hier brauchen würde.
„Wenn es ihnen alle Recht ist, würde ich meine Befragungen gerne hier im Haus vornehmen. Das ist doch gemütlicher als auf dem Revier. Wäre das in Ordnung Frau Finelli?“ „Ähm, ja natürlich. Ich habe noch ein Zimmer, das können sie nutzen, da ist auch ein Schreibtisch und Utensilien vorhanden. Wenn es denn sein muss.“ „Ja, da werden wir wohl nicht drum herum kommen. Wenn es passt würde ich doch am liebsten mit ihnen anfangen Frau Scherke. Fühlen sie sich in der Lage mit mir zu sprechen?“ Sie schaute mich wie ein verängstigtes Häschen an. Ich glaube ihre Nase wackelte auch. Ich musste mich zusammenreisen um nicht zu lachen. Es sah einfach zu ulkig aus. Wie unprofessionell von mir. Sie nickte ergeben und wir zogen uns in das zugeteilte Zimmer zurück. „Könnte ihr Butler uns vielleicht etwas zu trinken bringen?“ Sarah nickte.
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In dem Zimmer war es wirklich gemütlich. Es gab den angekündigten Schreibtisch, einen gemütlichen Sessel, einen Kamin, der leise vor sich hin flackerte. Hier könnte ich mich wohlfühlen. Ich hoffte auch, das Vega sich etwas entspannen würde. Eine heulende Befragung war wirklich sehr anstrengend. „Darf ich ihnen was zu trinken einschenken?“ Sie nickte und schnäuzte sich noch mal kräftig. Dann straffte sie die Schultern, bereit dem sich entgegenzustellen, was auf sie zukommen würde. „Erzählen sie mir doch bisschen was von sich.“ Sagte ich und setzte mich ihr gegenüber. Einen Notizblock vor mir, wartete ich auf ihre Erzählung. „Von mir? Ich dachte es geht um Marcello?“ „Ich will mir ein umfassendes Bild machen. Dazu brauche ich auch einige private Informationen von ihnen.“ Sie errötete leicht. „Ähm. Gut, ähm. Mein Name ist Vega Scherke, geborene Finelli. Ich bin achtundzwanzig und mit Jan Scherke verheiratet. Seit letztem Jahr. Ich bin Lehrerin in der Grundschule. Ich liebe es zu unterrichten.“ „Ach, Lehrerin, ich dachte sie würden auch hier eingespannt arbeiten?“ „Wenn man hier aufgewachsen ist, arbeitet man unweigerlich immer mit. Bei der Ernte, bei der Presse, bei der Abfüllung, bei der Buchhaltung. Das ist so bei einem Familienbetrieb. Mich wundert’s, dass meine Eltern nicht noch mehr Kinder hatten, dann könnte man gut Personal sparen.“ Die letzten Worte klangen etwas bitter und ich lauschte aufmerksam ihrer Stimmungsschwankung. „Werden sie als Lehrerin arbeiten, oder hier einsteigen?“ „Meine Mutter möchte dass ich hier einsteige, aber ich würde am liebsten als Lehrerin arbeiten. Es macht so Spaß mit den Kindern. Sie sind so aufnahmefähig. Wie ein Schwamm. Sie wollen alles wissen.“ Ihre Augen leuchteten, als sie berichtete. „Was ist mit Marcello? Wie war er so?“ Sie seufzte. „Marcello? Er war ein Lebemann, aber immer sehr ehrgeizig. Er wollte schon als kleiner Junge immer der Beste sein. Er hatte, trotz seiner Ausschweifungen, immer gute Noten. Er ist, er war einfach ein Naturtalent. Alles was er anfasste gelang ihm. Ich musste immer schwer arbeiten um meine Noten zu erhalten, er konnte die Nacht davor feiern und bestand seine Prüfungen am nächsten Tag mit Bravour.“ Ich hörte den leichten Neid, aber auch erhebliche Bewunderung heraus. „Können sie sich vorstellen, wer etwas gegen ihren Bruder hatte. Hatte er mit irgendjemanden streit?“ „Er hatte immer irgendwie Streit. Er war ein Hitzkopf und es gab auch so ein oder anderen gehörnten Ehemann. Die Liste ist nicht unerheblich.“ Innerlich stöhnte ich, das waren Informationen, die eine umfassende Befragung im Dorf erforderten. „Wo waren sie gestern, wenn ich so direkt fragen darf?“ Sie blickte rechts, links sie überlegte, was sie mir sagen durfte. „Ich war in meinem Zimmer.“ „Den ganzen Tag?“ „Die meiste Zeit. Natürlich war ich zu den Mahlzeiten zugegen, aber mir ging es gestern nicht so gut, und ich zog mich zurück.“ „Das kann jemand bestätigen?“ Sie blickte mich erschrocken an? „Verdächtigen sie mich?“ „Aber nein, ich muss nur ein umfassendes Bild erschaffen, dazu brauche ich doch alle Informationen.“ Sie nickte verstehend. „Ähm. Das Zimmermädchen, Jan und meine Mutter dürften die meiste Zeit bestätigen können.“ „Gut, vielen Dank Frau Scherke. Das war es erst mal. Seien sie so nett und halten sie sich zu meiner Verfügung, wenn ich noch Fragen haben sollte. Also bitte keine weiteren Ausflüge.“ Ich lächelte ihr freundlich zu und half ihr aus dem Sessel. „Wenn sie so nett währen ihren Mann herein zu bitten.“ Sie nickte und verließ den Raum mit gesenktem Kopf.
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Ich dachte kurz nach, über die gute Vega. Sie war wohl das schwächste der Familienmitglieder. Ein liebes Mädchen, aber immer irgendwie unterdrückt. Nun – vielleicht wollte sie auch nur ausbrechen aus diesem Trott. Sie hatte ihre Träume und vielleicht wollte sie endlich mal etwas für sich und nicht immer für die Familie machen? Ich versah sie mit einem zögerlichen Fragezeichen.
Es klopfte herrisch und die Tür wurde fast aufgestoßen, als Jan Scherke den Raum betrat. Sein gesamtes Auftreten strahlte schon Unsympathie aus. Ich mochte ihn nicht. Aber ich wollte meinem Motto der Unvoreingenommenheit treu bleiben. Also atmete ich tief ein, betrachtete meinem neuen Gast und wartete. Er hatte sich in der Zwischenzeit umgezogen. Der Schlafanzug und sein Morgenmantel waren einer sportlichen Hose und einem Hemd gewichen, darüber hatte er eine Weste gezogen. Er sah aus wie ein wichtiger Mann. Wir würden sehen.
„Was soll das hier werden?“ polterte er gleich los. „Nehmen sie doch erst einmal Platz. Einen Kaffee?“ Er zog sich einen Stuhl heran und ich schenkte ihm einen Kaffee ein. Er winkte ab, als ich Milch und Zucker hinzufügen wollte. „Also, was soll das, sie verdächtigen die Familie. Wie kommen sie darauf?“ „Im Moment verdächtige ich noch niemanden, Herr Scherke. Ich nehme lediglich ihr Wissen und ihre Beobachten auf um mir ein Gesamtbild der Situation um Marcello zu verschaffen. Das ist einfache Polizeiarbeit, reine Routine.“ Er schnaufte. Ein Zyniker und Querulant. Na toll. „Was wollen sie wissen?“ „Wie war ihr Verhältnis zu Marcello?“ „Wie mein Verhältnis? Nicht so gut. Ich wurde nie wirklich als Familienmitglied anerkannt. Ich war Geduldet nicht Erwünscht. Das wird ihnen Sarah bestimmt noch ausführlich mitteilen.“ „Wie kommt das?“ „Ich bin ehrgeizig. Und als ich Vega traf, war ich vielleicht etwas zu forsch und drängend, was die Heirat anging. Man unterstellte mir, dass ich nur an ihr Vermögen wolle. Aber das stimmt nicht, ich liebe Vega. Und warum soll ich lange warten, mit der Heirat, wenn ich die Frau, die ich liebe gefunden habe? Oder, was meinen sie?“ „Das kann ich nicht beurteilen, ich bin nicht verheiratet. Wie war, also ihr Verhältnis mit Marcello? Feindlich?“ „Nein keines Wegs. Ich bewunderte sein Wissen. Er kannte sich sehr gut mit dem Weingut und Wein generell aus. Er war zwar vielleicht etwas sprunghaft, aber er war ja auch ein junger Mann, der Spaß haben wollte. Er würde bestimmt alles mal erben, wenn die Gutsherrin mal abdanken würde. Er war immer der Liebling von allen. Niemand war ihm lange böse. Ein Charmeur, der sich gut verkaufen konnte. Und er konnte gut mit den Weinhändlern. Er hat immer gute Preise rausgehauen. Er hatte Verkaufs Talent. Aus ihm hätte mal ein großer Weingutbesitzer werden können.“ Die letzten Worte presste er aus zusammengekniffenen Lippen hervor, während er auf den Boden starrte. Dann, als ihm wohl bewusst wurde, dass ich ihn beobachtete, ging ein Ruck durch ihn und er setzte sich aufrecht hin. Sei n Blick war provokativ. „Wo waren sie gestern Abend?“ „Hier, im Haus. Meiner Frau ging es nicht gut und da wollte ich nicht so weit weg gehen. Sie hat manchmal solche weiblichen Anwandlungen mit Depressionen und Migräne. Wie Frauen halt so sind. Ich habe mich hier im Haus rumgedrückt.“ „Kann das einer bestätigen?“ „Hm, Vega wohl und vielleicht das Personal. Ich habe nicht darauf geachtet, wer noch im Haus mit mir herumwandert.“ „Okay. Ich bedanke mich. Bitte verlassen sie die Gegend nicht. Es kann sein, dass ich nochmal Fragen habe.“ Er stand ruckartig auf und verließ den Raum. Ich rief ihm noch hinterher, dass er doch bitte Sarah reinschicken solle.
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Es klopfte. Der Butler steckte den Kopf herein: „Gnädige Frau lässt sich entschuldigen. Ein wichtiger Termin ist ihr dazwischen gekommen. Sie bedauert es sehr.“ Gut, sie wollte die Machtverhältnisse klären. Das war kein Problem für mich. „Danke. Wenn sie schon da sind, kommen sie doch kurz zu ein paar Fragen herein.“ Er blickte mich unsicher an. Drehte den Kopf aus dem Zimmer heraus und schloss die Tür von innen. Ich war mir sicher, damit hatte Sarah nicht gerechnet. Ha! „Wie ist ihre Name?“ „Vincenco.“ Auch ein Italiener, das hätte ich mir denken können. „Wie lange arbeiten sie schon für Frau Finelli?“ „Ich habe schon für ihren Vater gearbeitet. Da war sie etwa zehn Jahre.“ „So, dann gehören sie ja schon sehr lange zu der Familie.“ „So würde ich das nicht nennen. Ich bin ein Angestellter und das wird einem gezeigt.“ Aha. Also keine happy Familie mit den Angestellten. Da würde ich Marta noch mal fragen müssen, bei ihr klang das anders. „Wie empfanden sie das Verhältnis der Familienmitglieder untereinander?“ „Darüber zu sprechen wäre indiskret.“ „Bei einer Mordermittlung ist nichts indiskret.“ Wies ich ihn darauf hin. „Mord? Ich dachte er wäre gestürzt?“ „Nein, er wurde gestoßen.“ Diese Eröffnung entsetzte den Butler. Er hielt sich die Hand vor den Mund. Wahre Betroffenheit sprach aus seinen Augen. „Ermordet? Wer? Warum?“ „Dafür bin ich da. Um das heraus zu finden. Was können sie mir also erzählen. Das Personal bekommt doch immer mit, was so zwischen den Wänden passiert.“
Er blickte mich an. Ich konnte den inneren Kampf erkennen. „Marcello war ein guter Junge, aber er hatte sich mit den falschen eingelassen. Er war immer sehr ehrgeizig und wollte immer besser als die anderen sein. Auch hier wollte er besser als sein Vater und seine Mutter sein. Er wollte mehr verkaufen, die Ernten ertragreicher machen. Ich habe manchmal seltsame Telefongespräche mitgehört. Er sprach über Geld, Macht und wie er alles hier auf puschen wolle. Ich weiß nicht worauf er sich eingelassen hatte. Aber manche Gespräche klangen sehr aufgewühlt. Ich denke, er steckte vielleicht in etwas illegalem drin. Das würde zu dem Jungen Heißsporn passen.“ Vinzenco knetete unruhig seine Hände. „Wann haben sie ihn das letzte Mal gesehen?“ „Das war an dem Tag des Unfalls, Mords. Er hatte telefoniert – ich habe das Gespräch nicht mitbekommen. Aber es wurde sehr laut und heftig. Dann hatte er den Hörer aufgeknallt. Er ist aufgewühlt aus dem Haus gestürmt und mit dem Auto weggefahren. Danach hab ich ihn nicht mehr gesehen.“ „Wo waren sie am Abend dieses Tages?“ „Im Haus. Ich habe mich um das Essen und die Organisation für den nächsten Tag gekümmert. Ich muss von einigen Leuten des Personals gesehen worden sein.“ „Vielen Dank, Vinzenco. Das war es erst mal. Sollte ihnen noch was einfallen, kommen sie bitte zu mir.“ Er nickte und verließ geknickt den Raum.
Ich würde mich noch mal zu Marta begeben. Ich hoffte etwas zu Essen abzubekommen und ihre nette Gesellschaft genießen zu können. Dabei würden vielleicht noch paar Geheimnisse gelüftet.
Das war eine wahre Herausforderung. Ich habe zwar schon viel Krimis gesehen, aber nicht viele gelesen. Ich bin eher ein Thrillerleser. Also habe ich gute zwei Wochen erst Mal einige Krimisserien geschaut und einige Tipps aus dem Internet gezogen. Dann habe ich mir auf einigen Zetteln die Charaktere notiert und alles was so zu ihnen passen könnte. Motive, Alibis, Nebengeschichte. Am Ende habe ich dann doch viel frei geschrieben – aber diese Zettel haben geholfen sich bisschen mit dem Thema auseinander zu setzen. So und hier ist meine kleine Krimigeschichte, die ich über mehrer Tage verteilen werde. Zeitlich habe ich die 40er angepeilt.
Ich denke sie ist nicht sehr unvorhersehbar und spannend – aber es war ein interessantes Schreibvergnügen.
Im Folgenden werden sechs Personen vorgestellt, die in eurer Geschichte vorkommen – Die Charaktere:
Inspektor Neusüß (59): Er arbeitet schon seit einigen Jahren bei der Polizei und kann auf allerhand Erfahrung zurückgreifen. Er kennt die Beteiligten und hat daher ihnen gegenüber keine Vorurteile.
Sarah Finelli (64): Sie kommt ursprünglich aus Italien, lebt aber schon lange in Deutschland. Ihre Familie verdient schon seit vielen Jahrzehnten mit dem Weinbau ihren Lebensunterhalt. In der Pfalz bewirtschaftet Sarah Finelli einen großen Weinberg. Sie steht kurz vor dem Ruhestand und überlegt daher, wem sie das Unternehmen vermachen soll. Als emanzipierte Frau will sie es ihrer ältesten Tochter Vega überschreiben. Ihr Sohn Marcello soll eine gute Abfindung erhalten.
Vega Finelli (28): Sie wäre bereit, den Betrieb zu übernehmen, noch viel lieber würde sie allerdings ihren gelernten Beruf als Lehrerin ausüben.
Jan Scherke (30): Vegas Mann möchte das Weingut unbedingt erben. Deswegen hat er Vega auf schnellstmöglichen Wege im vergangenen Jahr geheiratet.
Marcello Finelli (25): Er ist ein richtiger Weinkenner und lebt für das Familiengeschäft. Daher fühlt er sich dazu berufen, das Weingut zu erben. Er scheut keine Mittel, um sein Ziel zu erreichen und seine Mutter davon zu überzeugen.
Marta Campari (50): Als Köchin ist sie die gute Seele des Hauses und die Vertraute aller beteiligten Personen.
Zuerst solltet ihr euch überlegen, wie die Personen sich verhalten. Ihr könnt euch an folgenden Fragen orientieren:
Was muss geschehen, damit eine Detektivgeschichte entstehen kann? Jemand muss zum Beispiel eine kriminelle Handlung vollziehen, die der Detektiv aufklären soll.
Wer soll der Täter sein und was hat er verbrochen?
Was hat den Täter zu dieser Tat verleitet?
Wie kommt der Inspektor dem Täter auf die Spur?
Was tragen die anderen Figuren zur Klärung des Falles bei?
Wie könnt ihr die verschiedenen Charaktereigenschaften der Figuren überzeugend in den Text einbauen?
Was passiert neben der Handlung des Kriminalfalls? Verlieben sich zum Beispiel bestimmte Personen ineinander?
Ich fahre gerade die lange Auffahrt zum Haus hinauf. Es war lange her, dass ich das letzte Mal auf dem Anwesen war. Ich war noch neu bei der Mordkommission. Es musste etwa fünfzehn Jahre her sein. Der Hausherr war verstorben. Ein nicht natürlicher Tod. Man munkelte, er hätte seinem Leben ein Ende gesetzt. Gerüchte besagten, dass er sich verspekuliert hatte und er kurz vor dem Konkurs stand. Aber man sehe jetzt. Der Betrieb stand besser da als jemals vorher.
Ich stand vor dem pompösen Anwesen. Schon die Fahrt hier hoch hielt atemberaubende Aussichten parat. Diese Weinberge waren malerisch. Wie viele dieser Schauplätze in meiner langen Zeit als Inspektor hatte ich schon betreten? Zu viele!
Aber ich will mich ihnen erst einmal vorstellen. Mein Name ist Neusüß, Christian. Warum wurde ich immer zu solchen Einsätzen geschickt?
„Christian, du weißt doch, dass du am besten geeignet bist mit den Reichen und Schönen zu arbeiten. Deine Ruhe und Besonnenheit. Das ist halt dein Ding.“ Soviel zu der Erklärung meines Chefs. Ruhe und Besonnenheit.
Außerdem entspreche ich keinem herkömmlichen Polizistenklischee. Ich bin ledig, ja ein lediger Polizist, ohne schwierige Ehefrau, oder ein Trauma aus meiner Vergangenheit. Manchmal wünschte ich mir schon eine Familie. Zwei bis vier Bälger und eine hübsche liebevolle Frau, die mich nach Feierabend mit leckerem Essen begrüßt. Zuschriften bitte an das Revier. Dort halte ich mich eh am meisten auf.
Ich kann diesen Reichen Schnöseln echt nichts abgewinnen. Mein Chef schätz meine Unvoreingenommenheit. Ich behandle alle Verdächtigen gleich. Kein Vorurteil. Vor allem hier nicht. Aber dazu später noch mehr.
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Sarah Finelli hatte ein Juwel erschaffen. Eine Goldgrube, nach der sich so manch einer die Finger leckte. Aber sie regierte ihr Königreich mit eiserner Hand. Es war damals kein Mord nach zu weisen. Man tat es als Unfall ab. Wenn man ausversehen mit dem Seil um den Hals stirbt – gut, dann war es wohl ein Unfall. Das waren die Gründe, warum ich solche Aufträge verabscheute. Es ging immer um den guten Ruf.
Ich steige aus dem Auto und blicke die lange, beeindruckende Treppe hinauf. Sie war ganz in weiß. Am Fußende standen jeweils zu beiden Seiten schön gestaltete Buchsbäume. Der Butler kam mir entgegen. Er, wiederum bediente das klassische Klischee eines Butlers. Immer die Nase etwas zu hoch für seinen Stand.
„Herr Inspektor? Sie werden erwartet. Die Familie ist im Salon. Bitte folgen sie mir.“
Ich folge. Es hatte sich in den fünfzehn Jahren nicht viel geändert. Das war so in diesen Umgebungen üblich. Da wurde einmal teuer eingerichtet, und das blieb dann mindestens bis zum Tod des Kopfes der Familie. Je nachdem wie gut man sich mit den Hausherren verstand und wie viel man erbte, änderten die Kinder dann alles um es dann wieder bis zu deren verscheiden so zu belassen.
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Wir betraten den Salon. Ich erfasste schnellstens die Situation. Zwei Frauen ein Mann. Bis auf Frau Finelli waren mir die anderen Unbekannt. Ich muss zugeben, die Frau hat sich ziemlich gut gehalten. Erfolg steht ihr gut.
„Inspektor Neusüß.“ Kündigte mich der Butler an.
„Inspektor, welch eine Tragödie, die sie hier her führt. Wir wissen ja, dass wir mit ihrer Diskretion rechnen dürfen, bis der Fall gelöst ist?“ „Natürlich. Das ist selbstredend. Darf ich mir selbst ein Bild machen von der Situation?“ „Aber selbstverständlich. Folgen sie mir. Wir haben alles so belassen wie Vega es gefunden hat.“ Ich drehte mich um zu Vega und sah ein schüchternes Mädchen auf dem Sessel sitzen, die kaum ihren Kopf anhob um mich anzublicken. „Vega war mit dem Hund unterwegs. Das macht sie morgens immer. Sie ist da immer sehr gewissenhaft. Ich würde den Köter wahrscheinlich immer nur die Tür rauslassen und warten bis er von alleine zurückkam.“ Sagte ein Mann, der an der Bar stand. Er kam mit ausgestreckter Hand auf mich zu. „Mein Name ist Jan, Jan Scherke. Ich bin Vegas Ehemann.“ Ich ergriff die Hand und stellte fest, dass ich diesen Mann nicht leiden konnte. Soviel zu Unvoreingenommenheit, Chef.
„Gut, dann lassen sie uns mal den Tatort betrachten.“ Wir gingen gesammelt zum Tatort. Ich konnte von weitem schon erkennen, dass dies bestimmt nicht so aussehen sollte. In den Reben lag eine männliche Leiche. Durch seinen Torso ging ein Metallstab. Ich blickte mich um und erkannte, dass die Befestigung der Reben war. Dort wurden sie festgebunden und beim Wachsen unterstützt. Eine davon befand sich jetzt in Marcello und darunter waren bestimmt ein halbes Glas Wein zermatscht.
Ich begab mich zur Marcello und begutachtete die Situation. „Bitte bleiben sie stehen. Ich muss mir erst ein Bild machen und sie könnten wichtige Spuren vernichten. Danke“
Vega schluchzte. Jan hatte den Arm um sie gelegt. Sarah beobachtete mich genau. Ich konnte erkennen, dass sich die Befestigung durch sein Herz gebohrt hatte. Er musste sofort Tod gewesen sein. Vorsichtig, um keine wichtigen Spuren zu verwischen, umrundete ich ihn. Ich zog meine Kamera hervor und knipste einige Bilder. Das macht man jetzt so. Ich würde sie dann entwickeln lassen und dann konnte ich mir den Tatort immer wieder anschauen. Bis ich entnervt aufgeben würde. Eine tolle Zeitersparnis, ich müsste nicht ständig in die Berge hier klettern. Allerdings ist die Aussicht von hier natürlich ganz besonders hübsch. Etwas geschmälert durch den Toten.
„Gut, ich habe genug gesehen. Lassen sie uns zurückgehen.“ Und so traten wir alle wieder den Rückweg zum Haus an.
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Auf dem Rückweg zum Haus arbeitete mein Gehirn schon auf volltouren. Das Finelli Weingut war der größte Arbeitgeber hier in der Gegend der Pfalz. Das würde natürlich wieder einiges an Fingerspitzengefühl bedürfen. Ich sollte mich echt zur Sitte versetzen lassen. So langsam hatte ich wirklich die Schnauze voll von Samthandschuhen. Definitiv konnte ich jetzt schon sagen – es handelte sich nicht um einen Unfall. Selbst ohne Kriminaltechnik konnte ich erkennen, dass der gute Marcello gestoßen wurde. Jetzt musste ich nur noch meine Theorie untermauern und den Täter finden.
Ich betrachtete die Familienangehörigen.
Da war Sarah Finelli – italienische Dame im Alter von 64. Sie hatte den gesamten Betrieb unter Kontrolle. Aber man sah ihr auch an, dass sie müde war.
Vega – die schüchterne graue Maus von Tochter. Man sollte die unscheinbaren nie unterschätzen. Vielleicht war sie es?
Jan. Ihn konnte ich noch nicht einschätzen. Er war auf jeden Fall nicht zu unterschätzen. Ich glaube er setzt seiner Frau etwas zu. Das werde ich noch in Erfahrung bringen.
Im Salon angekommen, sah ich eine weitere Person – eine Frau. Fragend blickte ich Sarah Finelli an. „Das ist Marta, Marta Campari unsere Köchin und gute Seele. Sie ist schon so lange in unserem Dienst, dass sie eigentlich zur Familie gehört.“ Ich ging auf sie zu und musste feststellen, dass die gute Dame wirklich eine Augenweide war. Und dazu noch eine Köchin. Hätte ich es besser treffen können. Eine gute Seele, die alle Geheimnisse kannte. Das musste ich für mich nutzen können. Außer sie hatte selbst ein Geheimnis. Wir werden sehen. „Herr Inspektor? Sie müssen hungrig sein? Kommen sie doch mit in die Küche, ich zaubere ihnen schnell etwas Einfaches.“ Mir lief ein Schauer über den Rücken. Ihre Stimme war sinnlich und mir fielen so einige Sünden ein, die nichts mit Essen zu tun hatten. Christian, schimpfte ich mich selbst. Professionell bleiben.
„Herrschaften, ich verabschiede mich erst mal. Ich schicke die Kriminaltechniker noch vorbei, damit sie den Tatort sichern und sichten. Ich werde mich bei ihnen melden. Ich möchte nur noch mein Bedauern zum Ausdruck bringen. Ein junger Mann in der Blüte seines Lebens und so ein schrecklicher Unfall.“ Bewusst blickte ich mich in der Runde um, als ich den inszenierten Unfall erwähnte. Keine Reaktionen. Sehr professionell. Oder wirklich unschuldig?
Ich folgte Marta in die Küche. Ein wirklich netter Anblick, ihre Hinterseite. Eine rassige Frau. „Kommen sie, setzen sie sich. Ich wärme ihnen schnell ein bisschen der Lasagne auf.“ „Vielen Dank Frau Campari.“ „Nennen sie mich Marta. Frau Campari, das klingt zu förmlich. Das bin ich nicht gewohnt, da komme ich mir irgendwie unwohl vor.“ „Also gut, Marta. Dann bestehe ich aber auch darauf, dass sie mich Christian nennen.“ Sie drehte sich zu mir um und blinzelte mir zu. „Aber gerne, Christian. Jetzt setzen sie sich erst mal und trinken sie einen Kaffee.“
„Marta, sie kennen doch bestimmt alle Familienmitglieder bestens. Was war Marcello für ein Typ? Ich möchte die Trauernden noch nicht damit behelligen.“ „Marcello.“ Sie schluchzte. Schnell stand ich auf um mich tröstend anzubieten. Wie schamlos von mir, aber ich bin halt doch auch nur ein Mann. Sie löste sich von mir. „Marcello war ein Augenstern. Ein Charmeur schon im Kinderwagen konnte er einem den Kopf verdrehen. Er war gerade mal 25. Er hatte das Geschäft von der Pike auf gelernt. Er wusste alles über Weine und ihren Vertrieb. Er hätte das Geschäft übernehmen sollen. Aber ….“ „Aber?“ „Ach, ich will nicht tratschen. Das soll ihnen besser Frau Finelli erzählen. Ich habe schon zu viel erzählt. Hier ihre Lasagne. Lassen sie es sich schmecken.“ „Setzen sie sich doch bisschen zu mir. Erzählen sie mir von sich.“ „Von mir, ach was soll ich schon erzählen. Ich bin wirklich nicht interessant genug. Was wollen sie wissen?“ Alles, dachte ich. Vor allem ob es einen Herr Campari gibt. Ich schluckte erst mal den Bissen der hervorragenden Lasagne. „Im Gegenteil, sie sind äußerst interessant. Wo kommen sie her, wie lange sind sie schon hier im Dienst und sind sie verheiratet?“ Ich konnte ein schelmisches Grinsen nicht unterdrücken und bemerkte erfreut eine leichte Rötung ihrer Wangen. Sie räusperte sich und um ihre Verlegenheit zu überspielen dann fing sie an zu erzählen. „Ich komme aus Palermo. Ich bin als junges Mädchen von zu Hause weg. Es war mir einfach zu Eng dort. Ich wollte etwas erleben. Aber als Frau ist das natürlich nicht so einfach. Ich bin, mehr oder weniger fast am Traualtar weg gelaufen. Ich war schon versprochen. So einem alten Metzger. Das kam nicht in Frage. So habe ich nie geheiratet, aber man muss ja nicht immer gleich Nägel mit Köpfen machen, wenn sie verstehen.“ Jetzt war ich an der Reihe zu erröten, ich verstand. Sie registrierte, dass sie mich aus dem Konzept gebracht hatte und ein leicht hämisches Lächeln umschmeichelte ihre verführerischen Lippen. „Mrmrremrm“ räusperte ich mich. “Ähm, wie sind sie bei den Finellis gelandet?“ „Das war nicht so schwer. Italiener ziehen sich halt an. Sarah kommt aus Italien und sie hat mich einem Restaurant abgeworben. Ich war dort als Köchin tätig und sie war begeistert von meinem Künsten. Das war vor ungefähr 25 Jahren. Da war Marcello gerade geboren und ich konnte meine Hilfe auch also Nanny anbieten.“ „Vega war da schon geboren?“ „Ja, Vega ist 28. Ein so hübsches kleines Mädchen. Sie war schon immer so eine Liebe und zarte Gestalt. Sie ist eigentlich zu schade für diese Welt. Ein kleiner Engel. Und so begabt. Aber ob sie für dieses Geschäft geeignet ist? Ich bin mir nicht so sicher. Aber jetzt soll es reichen. Denken sie nicht, ich merke nicht, dass sie mich hier aushorchen, sie Schlingel.“ Ich tat unschuldig und hob entschuldigend die Hände. „Das ist wohl eine Berufskrankheit. Entschuldigen sie. Ich will sie nicht bedrängen. Lieber erfahre ich doch mehr über sie.“ Flirtete ich dezent mit ihr. „Ach sie – ich muss sie jetzt aber verjagen. Ich muss das Abendessen richten. Wobei wohl kaum einer was essen wird. Aber sie wissen ja wie das in solch einem Haushalt ist. Der Schein muss sein. Herr Inspektor, „Christian“. „Christian, ich wünsche ihnen einen guten Heimweg und einen netten Abend.“ „So nett bin ich ja noch nie hinausgeworfen worden. Marta, ich bedanke mich und hoffe auf ein baldiges Wiedersehen.“ Ich stand auf und konnte mich nicht zurückhalten. Ich griff nach ihrer kleinen Hand und drückte einen Kuss darauf.
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„Was sollen wir jetzt machen, Mutter?“ „Vega, beruhige dich. Der Inspektor wird das schon regeln. Er wird schon herausfinden was deinem Bruder geschehen ist.“ „Was soll schon geschehen sein?“ erwiderte Jan. „Er wird wieder mal betrunken gewesen sein und eines seiner Flittchen mit seinem Reichtum beeindrucken wollen. Er zeigte ihr den Weinberg und ist dabei in seinem Suff unglücklich gestolpert. Diese Streben für die Reben sind schon recht robust. Die halten einen Brustkorb schon aus.“ „JAN! Ich bitte dich, sei nicht so vulgär. Du sprichst über meinen Sohn.“ Jan erhob beschwichtigend die Hände. „Ja klar, der Goldjunge. Ihn hast du ja immer beschützt. Aber was ist mit Vega? Sie ist auch deine Tochter. Sie brauch uns jetzt umso mehr“ Er trat auf Vega zu und schloss sie in seine Arme. Sie erstarrte. Seit einiger Zeit war die Beziehung abgekühlt. Sie hatte ein ungutes Gefühl in seiner Nähe, konnte es aber nicht fassen.
„Jetzt beruhigen wir uns erst mal. Marta wird das Essen gleich bringen. Selbst wenn sie fast ein Familienmitglied ist, sie ist nicht unser Blut. Also Kontenance. Der Schein muss gewahrt werden. Wir sind die Finellis. Bei uns gibt es keine Skandale. Ich will keinen öffentlich machen. Schmutzige Wäsche wird in unserem Bottich gewaschen. Nicht auf der Straße.“ „Aber Mutter, wie willst du das denn verhindern. Der Inspektor wird alle unsere Geheimnisse aufdecken.“ Sie fröstelte. Sie hatten alle Geheimnisse.
„Das versuche ich zu verhindern. Ich muss sehen, dass dies hier als Unfall zählt. Ich hoffe doch es war ein Unfall?“ Sarah blickte fragend in die kleine Runde. Wer hätte auch ihrem Sohn etwas zu leide tun können? Er war ein Schatz. Nicht ohne. Ein Gigolo. Frauen liebten ihn. Aber er war ja auch noch jung. Gerade fünfundzwanzig. Er musste seine Hörner noch abstoßen. Sie stockte. Sie hatte noch nicht erfasst, dass er nicht mehr am Leben war. Am liebsten wäre sie jetzt gerade zusammen gebrochen. Aber auch sie musste den Schein wahren. Ach sie war so müde. Ihre Zeit war einfach gekommen. Und jetzt das.
Sie erhob sich und führte die kleine Familie in das Speisezimmer. Keiner hatte Appetit, aber das zählte nicht. Es ist immer der Schein. Es war ein tragischer Unfall, aber das Leben musste weiter gehen.
Sie setzte sich an den Kopf des Tisches. Das war ihr Platz seit ihr Vater und dann ihr Mann verstorben waren. Sie war die Hüterin der Familie. Das Familienoberhaupt. Sie müsste alles zusammenhalten.
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Marta war aufgewühlt. Dieser fesche Inspektor war ihr leicht unter die Haut gegangen. Aber noch viel schlimmer war: ihr kleiner Marcello war tot. Er war immer so lebenslustig und frech gewesen. Immer stibitze er ihr die Kekse vom Fensterbrett. Selbst jetzt noch, als Erwachsener ist er immer vorbei geschlichen und hat sich einen warmen Keks geklaut. Wie sollte es ohne ihn weiter gehen. Ein Stern war erloschen. Sie musste sich setzen. Die Familie würde warten, dass sie das Essen bereitete. Das Küchenmädchen kam herein und wollte das Essen abholen. Marta schnäuzte sich. „Anna, ach Herzchen. Ich bin bisschen hinten dran. Warte ich bereite alles schnell vor, dass du es nach oben bringen kannst.“ Das Mädchen stand still da. Sie hatte Marta noch nie so blass und schwach gesehen. Das ängstigte sie etwas.
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Ich war in meinem Büro angekommen. Den Film hatte ich zum Entwickeln im Labor abgegeben. Ich wollte erst mal Revue passieren lassen, was ich gesehen und gehört hatte.
Marcello fünfundzwanzig, von einer Rebenaufhängung erstochen. Beim Sturz, oder wurde er gestoßen?
Die Familie: Sarah, als Familienoberhaupt. Vega, die Tochter. Jan, der Schwager. Wer hätte einen Vorteil von Marcellos Tot? So offensichtlich keiner. Marcello war ein Schwerenöter, aber beliebt. Er war ein Weinkenner und kannte den Betrieb bis in die kleinste Presse. Ich schrieb groß Motiv auf einen Zettel und hängte es an meine Tatorttafel. Dort vereinte ich die Namen und die Steckbriefe.
Das Telefon klingelte. „Inspektor Neusüß.“ „Inspektor, die Fotos sind fertig. Sie können sie abholen.“ „Ja, danke. Ich komme sofort.“ Auf dem Rückweg würde ich mir noch schnell einen Kaffee holen. Dabei musste ich an den leckeren Kaffee von Marta denken. Da war der Präsidiumskaffee eine Plörre dagegen. Meistens blieb der Löffel stecken. Ein Männerkaffee, wie meine Kollegen gerne scherzten.
Ich hängte die Bilder an meine Tafel und betrachtete sie nachdenklich. Der Bericht der Kriminaltechniker lag mir ebenfalls schon vor. Ich blätterte ihn durch und verglich ihn mit den Aufnahmen. Das Ergebnis war eindeutig. Gleich morgenfrüh würde ich die Familie informieren. Es sollte eine Überraschung werden.
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Sarah saß am Frühstückstisch mit der Tageszeitung und ihrem Kaffee. Auf ihrem Teller lag ein leckeres Croissant. Das war seit Jahren ihr Frühstück. Da war sie sehr pedantisch. Sie blickte ärgerlich von der Zeitung auf, als ihr Butler eintrat. „Frau Finelli, der Inspektor ist da.“ „Was? So früh. Das ist schon ein bisschen ungehörig. Führen sie ihn in den Salon, ich brauche noch etwas. Ich lass mich bestimmt nicht von ihm hetzen.“ „Sehr wohl, gnädige Frau.“
Ich wusste, dass ich eigentlich etwas unverschämt früh war. Aber ich wollte nicht allzu viel Spielraum lassen. Die Familie sollte noch ungeschminkt vor mich treten. Als der Butler mich bat etwas Geduld zu haben und zu warten, verzog ich mich schnell mal in die Küche. Marta stand mit beiden Händen in einem Teig versunken und überall Mehl im Gesicht, an der Arbeitsplatte. „Christian? Du bist aber früh. Unverschämt früh.“ „Ja, ich bin ein Morgenmensch. Und ich dachte mir ich kann bei dir noch schnell einen deiner leckeren Kaffees abstauben?“ „Äh, ja natürlich. Bediene dich. Ich bin gerade etwas beschäftigt, wie du dir vielleicht denkst.“ Sie klang etwas genervt, aber das bezog ich nicht auf mich. Ich kann mir schon vorstellen, dass so ein herrschaftlicher Haufen gut bedient werden will. „Was meinst du, könnten wir noch bisschen reden. Vielleicht heute oder morgen Abend. Bei einem leckeren Essen und einem Gläschen Wein? Ich lade dich ein.“ „Ein Date?“ „Offiziell natürlich nicht. In einem laufenden Fall, würde ich nie mit einer Betroffenen ein Date einfädeln. Es dient alles zur Wahrheitsfindung.“ Schmunzelte ich und sah erfreut dass sie mich offen anlächelte. „Dann morgen, heute ist etwas knapp. Ich muss mich für das Nicht-Date erst zu Recht machen. Eine Frau in meinem Alter brauch etwas Anlaufzeit.“ Wohl wissend, dass man am besten gar nichts erwähnt wenn eine Frau ihr Alter auf den Plan bringt, stand ich auf und drückte ihr einen kleinen, zaghaften Kuss auf die Wange. Bevor sie sich beschweren konnte, hatte ich die Küche schon verlassen.
Leicht errötend fasste sich Marta an die geküsste Wange und lächelte glücklich.
Alle hier vorgestellten Romane und Kurzgeschichten haben direkt oder manchmal auch auf verschlungenen Pfaden miteinander zu tun. Träume? Phantasien? Wirklichkeit? Finden Sie es selbst heraus und folgen Sie den Abenteuern und Irrungen und Wirrungen meiner Heldinnen und Helden.