Projekt TXT*

Projekt txt verabschiedet sich.

Sehr schade – aber natürlich ist so eine Aktion auch viel Arbeit. Projekt TXT. war eines der ersten Schreibaktionen bei denen ich dabei war.

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Action, Dystopie, Projekt TXT*

Projekt TXT – Das zwölfte Wort – Weihnachten 8 von 8

Heute endet meine Geschichte – ich hoffe, denen, die dabei geblieben sind hat sie gefallen. Danke fürs lesen. 

Hoffen auf ein Weihnachtswunder

Hier findet ihr den Anfang

und HIER die einzelnen Beiträge

  1. Kapitel

Was bisher geschah: Matthew freute sich, dass seine Familie entkommen war – aber jetzt startete die Suche erneut. Wie wird er auf seine Familie stossen, hatten sie die Flucht gut überstanden? Endlich würde Mina ihre Tochter befreien. Aber die Flucht klappte nicht reibungslos. Sie wurden entdeckt und Mina musste handeln um sie retten zu können. Jetzt waren sie frei und flüchteten. Würden sie jetzt bald alle drei wieder zusammen treffen und ein Weihnachtswunder erleben?

Endlich waren sie frei. So lange waren sie in diesem furchtbaren Camp gefangen. Jetzt wurde es Zeit was Festes zu finden und zur Ruhe zu kommen. Sie wollte noch paar Fluchtpunkte auf der Karte ansteuern, für den Fall, dass Matthew noch leben würde und sie suchte. Aber es neigte sich dem Ende ihrer Reise zu. Sie konnte einfach nicht mehr lange weiter gehen. Es wurde zu anstrengend.

Dann fanden sie das kleine Häuschen wieder.

***

Matthew war noch einige Fluchtpunkte abgegangen. Endlich fand er wieder ein Lebenszeichen. Er atmete tief durch. Ihm wurde ganz schwindlig. Sie lebten. Sie lebten und er würde sie bald wieder sehen. Im letzten Unterschlupf hatte sie eine Spur hinterlassen. Er hatte alle davor schon vernichtet, um nicht zufällig entdeckt zu werden. Auch diesen Hinweis würde er vernichten, sobald er sie gefunden hatte.

***

Heute war Weihnachten. Mina saß auf der Veranda. Das Haus war sauber, geschmückt und alle Zimmer nützlich. Der Garten war teilweise vorbereitet. Im Nächsten Frühjahr würden sie anfangen, das gefundene Saatgut einzusetzen. Das Leben würde anders werden, aber sie hatten überlebt. Jetzt war es daran vorauszublicken. Der Nebel verwandelte ihr kleines Grundstück, das so gut abgeschottet war in einen Zauberwald. Sie hatte eine Tasse Kräutertee in der Hand, als sie ein Geräusch vernahm. Ein Schatten bewegte sich durch den Nebel. „Nadja, hol mir schnell mein Gewehr.“ Nadja stolperte ins Haus und kam mit dem Gewehr, das ihr eigentlich viel zu schwer war, wieder hinausgewankt. Unsicher versteckte sie sich hinter ihrer Mutter, die sich mühevoll aus dem Stuhl gequält hatte. „Bleiben sie stehen.“ Rief sie in den Nebel. „Ich hab ein Gewehr und kann damit umgehen.“ Leicht zitterte sie. Aber sie war fest entschlossen ihr Heim zu verteidigen. Aus dem Nebel schälte sich eine Figur. Sie konnte erkennen, dass sie die Arme nach oben hielt.

Ruhig versuchte sie tief einzuatmen, was ihr in letzter Zeit nicht leicht fiel. Ein Mann manifestierte sich. Sein Gesicht hatte einen dichten Bart. Aber die Augen – sie ließ das Gewehr sinken. Nadja bemerkte eine Veränderung an der Stimmung ihrer Mutter und trat schüchtern hinter ihr vor. „Mami?“ Mina streichelte beruhigend ihren Kopf. Langsam trat sie die Treppe hinab. Der Mann kam auf sie zu. Sie standen etwas entfernt gegenüber. Das Gewehr fiel ihr aus der Hand. Dann rannte sie, so gut sie noch konnte, auf ihn zu. Er fing sie auf und drückte sie, so dass sie fast keine Luft mehr bekam. „Matthew.“ Sie weinte und lachte.

***

Der Nebel erschwerte Matthew den Weg. Er stapfte durch diesen kleinen Wald, der das Grundstück, das sie markiert hatte, umgab. Sie hatte eine gute Wahl getroffen. Dieses Gebiet war nicht einsehbar. Selbst jetzt im Winter. War es dicht genug, dass sogar Licht geschluckt wurde. Langsam bewegte er sich vorwärts. Er wollte niemanden erschrecken. Mit erhobenen Händen betrat er das Grundstück. Er hörte die Warnung, die sie aussprach. Seine Hände zitterten. Sein Herz schlug bis zum Hals. Seine Familie. Hinter ihr stand ein kleines Mädchen. Seine Nadja. Er trat aus dem Nebel in das Licht. Sie ließ die Waffe sinken. Er starrte sie an. Eine Wölbung war unter dem Dicken Pullover zu erkennen. Ja – sie war schwanger. In diesem Moment stürmte sie auf ihn zu. Er fing sie auf und musste sie drücken. Er drückte sie so fest, dass sie schnaufte. Niemals wieder würde er sie los lassen. Seine große Liebe. Sein Leben.

***

„Matthew.“ Flüsterte sie. Sie löste sich unsicher von ihm. Trat einige Schritte zurück. Vorsichtig streichelte sie ihren Bauch und blickte ihn herausfordernd an. Er trat auf sie zu. Streckte seine Hand aus und streichelte ebenfalls über den Bauch. „Wir bekommen ein weiteres Kind.“ Strahlte er. Er bemerkte wie sie sich entspannte. „Ja, wir bekommen ein weiteres Kind.“ Nadja trat hinter ihr auf die Treppe. „Mami?“ Sie drehte sich um und hielt ihren Arm auf. “Komm Schatz, lerne endlich deinen Vater kennen.” Nadja trat Matthew entgegen. Beide sahen sich unsicher an. Matthew bückte sich und hielt vorsichtig die Arme auf. Dann stürmte Nadja in seine Arme und er konnte nach so langer Zeit seine Tochter umarmen. Ein Weihnachtswunder. Sie schloss die Augen und dachte an den Weihnachtsmann und den Wunschzettel, den sie heute Morgen auf das Fensterbrett gelegt hatte. Dort stand nur ein einziger Wunsch drauf. Und der Weihnachtsmann hatte ihn ihr erfüllt. Sie drückte sich fest an ihren Vater. Und wenn man ganz genau hinhörte, konnte man in der Ferne leises Glockenklingen hören.

ENDE

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Projekt TXT – Das zwölfte Wort – Weihnachten 7 von 8

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  1. Kapitel

Was bisher geschah: Matthew hatte das Camp gefunden in dem Mina und Nadja waren. Nadja wurde mittlerweile deportiert. Die Kinder wurden in einem separaten Camp gedrillt. Das war nötig um den Fluchtplan umzusetzen. Aber es begann eine harte Zeit für sie, in der sie aber nie die Hoffnung verlor.

In den letzten Tagen war Mina fast an gebrochenen Herzen gestorben. Sie wusste, dass es nur vorübergehend sein würde. Aber was wäre, wenn es nicht funktionieren würde? Wenn Angela es nicht schafften, dass sie verbannt werden würde? Eine tiefe Verzweiflung machte sich breit. Sie verfiel in eine Depression. Das nutzte Angela für ihre Zwecke.

„Walt, wie lange willst du eigentlich Mina noch durchfüttern? Sie ist nutzlos. Fast eineinhalb Jahre jetzt hier und immer noch nicht schwanger. Und jetzt. Sie bekommt nicht mal mehr ihren Hintern aus dem Bett, wenn ich sie nicht raus trete. Schieb sie endlich ab. Ihre Tochter hast du, was willst du noch mit ihr?“ Walt blickte sie nachdenklich an. „Ich dachte ihr wärt Freundinnen?“ „Was, mit der eingebildeten Ziege. Sie hält sich für was Besseres, seit der Tag an dem sie hier ankam. Und was ist – nichts. Untauglich für deine Zwecke. Sie futtert nur und bringt nichts. Schieb sie endlich ab.“ Er strich sich durch den Bart. „Ja, du hast wohl Recht. Sie taugt nichts mehr. Alle hatten schon ihren Spaß und keiner will mehr so richtig was von ihr. Sie ist am Ende. Sie muss gehen.“ Zufrieden nickt Angela. Sie hatte es geschafft. Jetzt musste sie nur noch Marnie im Kinderheim kontakten, dass dort auch alles wie geplant von statten gehen würde. Sie verließ Walts Zimmer und rieb sich zufrieden die Hände. Wieder eine Frau die gerettet werden könnte. Und ein Kind.

***

Matthew freute sich zwar, dass Mina und Nadja es geschafft hatten zu entkommen, aber jetzt musste er weiter suchen. Das Land war groß, wo würde sie sich verstecken. Ob sie die Fluchtpunkte weiter abgehen würde? Oder hatte sie aufgegeben an ihn zu glauben. Sie hatte viel durch gemacht. Er konnte verstehen, wenn sie sich irgendwo sicher zurückziehen würde. Er musste genau überlegen. Als erstes würde er den nächsten Punkt auf der Karte suchen. Dort würde er es dann wissen.

Einige Tage später betrat er den Friedhof einer kleinen Stadt. Sie war unscheinbar und man konnte schnell daran vorbei fahren. Er erinnerte sich, an sie, da er sie für perfekt hielt. Hier hätte man sein neues Lager aufschlagen können. Sein Herz pochte laut. Waren sie hier gewesen? Hatten sie eine Nachricht hinterlassen?

***

Es war soweit. Angela hatte ihr gesagt, wie sie zum Heim der Kinder kommen würde. Sie hatte alles Wichtige gepackt und wartete nur noch auf den Rausschmiss. Seit sie von Angela Bescheid bekommen hatte, dass es nicht mehr lange dauern würde, war ihre Stimmung um einiges aufgehellt. Die Männer besuchten sie kaum noch. Was sie als befreiend empfand. Umso eher konnte sie sich überlegen, wie und wohin sie entkommen würden. Angela hatte ihr den Plan noch mal erläutert. Marnie würde dafür sorgen, dass Nadja als tot erklärt werden würde und in ein Zwischenlager gebracht wurde. Dort würde sie dann verbrannt werden. Das Zeitfenster war sehr klein. Meist warteten die Männer nicht sehr lange mit der Entsorgung.

Abends wurde sie zu Walt gerufen. „So, so. Es ist jetzt etwas über ein Jahr her, dass du zu uns gekommen bist.“ Mina biss sich auf die Zunge um sich einen Kommentar zu verkneifen. „Leider hat das mit uns nicht geklappt, meine Liebe. Es wird dann wohl Zeit, dass wir getrennte Wege gehen. Wir lassen dich gehen. Einen kleinen Rucksack mit Verpflegung für zwei Tage und unseren Segen für dein neues Leben.“ Er grinste sie überheblich an. Mina tat wie Angela ihr geraten hatte. Sie hielt ihren Kopf gesenkt, dass er nicht das kampflustige leuchten in ihren Augen sehen würde.  Ihre Schultern hingen, wie bei einem Menschen, dem alles egal war. Keinerlei Körperspannung, hatte Angela gesagt.

Sie hatte ihr erzählt, wie die gebrochenen Frauen aussahen und sich bewegten. Mina glaubte nicht, dass Walt auf die Details achten würde. Sie verhielt sich ruhig und wankte immer leicht hin und her.

„Andy. Komm. Verabschiede dich von deiner Gespielin. Sie wird ein neues Leben beginnen. Freu dich für sie.“ Andreas kam zu ihr. Ein Schwall übelerregender Geruch erreichte sie. Sie unterdrückte ein schaudern. Bloß nicht aus der Rolle fallen. Dachte sie. Er schnappte sie. Drückte sie und quetschte zum Abschied ihre Brüste schmerzhaft. Sie biss sich auf die Innenseite ihrer Wange um ein Stöhnen zu unterdrücken. Keine Gefühlsregung durfte sie verraten. Nach seiner verkehrten Zärtlichkeit stieß er sie von sich weg, so dass sie ins Stolpern kam. Unsanft landete sie auf dem Hintern. Dann kam der Räumungstrupp. Sie schnappten sie bei den Haaren und schleiften sie hinaus. Mit den Füssen, versuchte sie sich abzustoßen, damit sie ihr nicht die Kopfhaut abrissen. Sie sah wie Angela an Rand stand. Verhalten winkte sie ihr zum Abschied. Dann drehte sie sich um und ging.

Niemals würde sie Angela vergessen. Ihr ewiger Dank würde sie begleiten. Sie hatte ihr gesagt, dass sie versuchen würde sie zu befreien. Aber sie winkte nur ab. „Nein – du weißt die anderen Frauen brauchen mich. Geh deinen Weg. Hol dein Kind und achte auf die Kleinen. Leg Wegweiser für deinen Mann aus. Wenn er noch lebt, wird er bestimmt nach euch suchen. Lebe dein Leben für uns.“ Dann drückte sie Mina ganz fest und die beiden zündeten eine Kerze in Gedenken an, die armen Frauen an, die noch leiden mussten.

***

Marnie kam abends zu Nadja. „Nadja, hör mir zu. Du bist schon ein großes Mädchen. Du kannst bestimmt genug verstehen um zu Helfen. Hier, nimm diese Tablette. Sie wird dir helfen beim Schlafen. Und wenn du wieder wach bist, wird deine Mami bei dir sein. Solltest du früher aufwachen, dann versprich mir, dich ruhig zu verhalten, bis deine Mami dich holt. Kannst du das für mich machen?“ Nadja nickte unsicher. Sie würde ihre Mutter wieder sehen. Niemals hatte sie die Hoffnung aufgegeben. Allerdings dachte sie immer seltener an die Rettung. Jetzt sollte es soweit sein. Sie lächelte und drückte Marnie kurz. Ganz kurz und erschrocken schaute sie sich um, dass auch ja niemand diese Zärtlichkeit bemerkte. Sonst würde es wieder Bestrafungen geben. Und das könnte ihr Vorhaben gefährden. Ja, gar zum Scheitern bringen.

Zur Schlafenszeit schluckte sie die Tablette. Es dauerte nicht lange und sie wurde schläfrig. Mit einem Lächeln und einem beruhigten Gedanken schlief sie ein. Wenige Stunden und sie würde ihre Mutter sehen. Gäbe ein besseres Geschenk?

***

Angela hatte ihr erzählt, dass sie mit Marnie ein Zeichen verabredet hatten. Bei Sonnenaufgang wurden die Mädchen geweckt. Und Nadja dürfte nicht aufgewacht sein. Es gab keinen Arzt in dem Heim, der bestätigen konnte, dass Nadja nur schlief. Die einfältigen Männer glaubten Marnie, dass Nadja tot sei. Dann musste Mina schnell reagieren. Das provisorische Krematorium war nicht überwacht – wer würde schon eine Tote klauen? Marnie wollte die Hintertür offen lassen. Im Dunkeln würde Mina eindringen und hoffentlich gleich Nadja finden. Sie war sehr aufgeregt. Wenn es doch schon dunkel wäre. Die Warterei machte sie verrückt.

Dann war es endlich soweit. Sie hatte beobachtet wie mehrere Leichensäcke in die Halle gebracht wurden. Es erschwerte ihr Herz, wie viel Kinder hier starben. Für die Männer im Lager war das kein Problem. Die Frauen gebaren ja ständig Neue. Gut, dass die Mütter nicht wussten, wie es ihren Kindern hier erging. Aber vielleicht sollten sie es wissen, dann würden sie vielleicht mal aufstehen und kämpfen, statt sich alles gefallen zu lassen. Aber das sollte nicht Minas Aufgabe sein. Ihr war nur Nadja wichtig.

Im Dunkeln schlich sie sich an die Hintertür. Sie versuchte sie zu öffnen. Sie war verschlossen. „Verdammt.“ Flüsterte sie. Irgendwas war schief gegangen. Was jetzt? Es blieb nur der Vordereingang. Sie setzte sich ins nahliegende Gebüsch überlegte und beobachtete. Es war unbewacht – aber es stand im Mittelpunkt des Platzes. Und ein Lichtkegel bewegte sich ständig hin und her. Sie musste die dunkle Phase und die Runde der Wache abpassen. Sie griff in ihren Hosenbund und fühlte das beruhigende Gefühl des Messers, das sie gestohlen hatte. Sie würde kämpfen – sie würde Nadja befreien, oder beide starben bei dem Versuch.

Sie passte eine dunkle Phase ab. Geduckt rannte sie zur Vordertür. So leise wie möglich versuchte sie diese zu öffnen. Ein blechernes Geräusch entsprang der Tür. Sie hielt die Luft an. Sie traute sich nicht sich umzublicken. Nicht mehr lange und der Lichtkegel würde sie erfassen. Da aber keiner Reagierte, war das Geräusch wohl untergegangen. Sie blickte nach links – der Kegel kam. Er erfasste gerade noch die sich schließende Tür, als sie hineinschlüpfte und sie zuzog. Im Inneren lehnte sie sich atemlos an die Tür. Eine kleine Taschenlampe, die Angela ihr überlassen hatte. Spendete minimalst Licht – es musste ausreichen. Es roch furchtbar hier drinnen. Es wurden wohl doch nicht alle Leichen sofort verbrannt. Im Dunkeln hörte sie die Fliegen summen, die sie aufgescheucht hatte. Sie meinte auch andere Geräusche zu vernehmen und bildete sich das Gewusel auf den Leichen ein. Ein würgen entschlüpfte ihr. Sie hielt ihre Hand vor dem Mund um die Geräusche zu dämpfen. Dann ging sie los. „Nadja?“ flüsterte sie. „Nadja?“ „Mami?“ Ihr Herz setzte für einen Schlag aus. „Nadja?“ „Mami, ich bin hier.“ „Bleib stehen – ich komme zu dir.“ Sie hörte ein Schluchzen. Trotzdem schlug ihr Herz Purzelbäume. Ihre kleine Tochter – sie hatten sich solange nicht gesehen und in den Armen gehalten. Dann fand sie sie. Sie stand in der Ecke. Verängstigt blickten sie zwei riesige braune Augen an. Sie stürzte auf Nadja zu und riss sie in ihre Arme. „Ach, endlich mein Schatz. Ich hab dich so vermisst. Mein Herz. Jetzt wird alles gut. Wir werden hier entkommen und endlich Frieden finden. Ach meine Süße. Komm, trockne dir die Tränen. Wir müssen hier noch raus kommen, dann nur noch bisschen ruhig sein, dann ist es vorbei. Schaffst du das?“ Tapfer wischte sie sich die Augen trocken und nickte entschlossen. „Gut, dann bleib ganz dicht hinter mir, das muss jetzt ganz schnell gehen.“ Sie spürte die kleine Hand an ihrem Hintern. Sehr gut. Jetzt nur noch das ganze rückwärts schaffen, dann konnten sie endlich fliehen.

Sie öffnete vorsichtig die Tür. Wieder erschall ein dumpfes blechernes Geräusch. Sie hörte schwere Schritte. Der Wachmann machte seine Runde. Dann blieb er stehen. Sie konnte durch den Spalt erkennen, wie er lauschte. Verdammt. Sie konnte die Tür nicht wieder zuziehen, sonst würde das Geräusch ihre Lage verraten. Sie hoffte, dass ihm der Spalt nicht auffiel. Die Taschenlampe hatte sie schnell ausgemacht und hielt Nadja den Finger vor dem Mund um ihr zu signalisieren, dass sie unbedingt ruhig sein solle.

Er blieb stehen. Direkt vor der Leichenhalle. „Hei, Mark – hast du das Geräusch gehört?“ „Hm, ne was für ein Geräusch? Hab nichts gehört. Hast du ne Kippe?“ „Ja, klar. Hier.“ Mina hörte wie eine Zigarette aus der Packung geschüttelt wurde und das Feuerzeug anging. So ein Mist – jetzt machten die hier Zigarettenpause. „Ich hab bald mal paar Tage Urlaub. Dann kann ich endlich mal wieder zu den Weibern. Es wird mal Zeit. Ständig die Gören hier. Selbst wenn sie ja ruhig sind – aber trotzdem nerven sie mich. Und die Pflegerinnen – naja da vergeht es einem.“ Lachte der eine. „Du Glücklicher – ich muss noch paar Wochen aushalten, bis ich mal wieder zum Schuss komm.“ Meinte Mark. „Na, das wird schon. Danke für die Kippe, ich gehe mal meine letzte Runde drehen, bevor die Ablösung kommt.“ „Alles klar. Ich bleib noch paar Minuten. Ich hab was Seltsames gehört, dem will ich erst mal nachgehen.“ „Bis später“. Sie winkten sich und Mina wollte gerade verzweifeln, als sie hörte, wie sich die Schritte der offenen Tür näherten. Mist – sie drängte Nadja wieder zurück in den Raum. Selbst stellte sie sich neben die Tür. Sie hoffte, dass er nicht eintrat. Leider tat er ihr nicht den Gefallen. Er öffnete vorsichtig die Tür. Der Lauf des Gewehrs kam als erstes in ihr Blickfeld. Er trat ein, ging etwas in den Raum und Mina verschloss so leise wie möglich die Tür hinter ihm. Er drehte sich schnell um, da er den Lichteinfall vermisste. Im Verlöschenden Licht erkannte er die Frau und wollte gerade schießen, als ihm etwas um die Beine geworfen wurde. Ein Kind? Er versuchte sie abzuschütteln und kam dabei ins Straucheln. Plump fiel er auf den Boden. Mina hoffte, dass die Geräusche durch die verschlossene Tür gedämpft wurden. Sie stürzte sich auf ihn und rammte ihm ihr Messer in den Hals. Ein entsetzliches Gurgeln verließ seine Kehle.

Außer Atem, stand Mina auf und schaltete die Taschenlampe an. Nadja klammerte sich immer noch an seine Beine. Sanft öffnete sie die kleinen Hände und hob sie auf. Sie nahm sie fest in die Arme und küsste sie auf die Stirn. Dann deutete sie auf die Tür. Wieder öffnete sie diese. Der Lichtkegel streifte sie gerade. Sie zog sich schnell in den Schatten zurück. Dann öffnete sie schnell die Tür. Zog Nadja mit sich und sie rannten so schnell es ihnen möglich war. Erst als sie am rettenden Gebüsch angelangt waren blickten sie zurück. Keiner hatte es bemerkt. Aber sie konnten nicht verweilen, da der Lichtkegel gerade auf dem Rückweg war und gleich die offene Tür erreichen würde. Sie schubste Nadja. „Wir müssen schnell weiter. Ausruhen können wir später. Lauf mein Schatz.“ Und beide liefen. Sie liefen, bis sie erschöpft zusammen brachen. Im Hintergrund hatten sie die Geräusche der Männer vernommen, die die offene Tür besichtigten. Als sie den Toten entdeckten, ging das Geschrei los. Aber sie blieben nicht stehen. Die Angst im Nacken, wurden sie angetrieben. Eine kleine Anhöhe noch und sie wären erst mal in Sicherheit. Dann konnten sie sich langsamer bewegen. Nur Pause konnten sie nicht machen, da die Männer alles absuchen würden.

***

Nadja erwachte. Es stank furchtbar und es war sehr kalt hier. Sie erinnerte sich an Marnies Worte, dass sie auf jeden Fall ruhig bleiben sollte, bis ihre Mami auftauchte. Sie zitterte vor Kälte und Angst. Wie viel Zeit vergangen war, konnte sie nicht erfassen. Sie hörte ein blechernes scharrendes Geräusch, dann die Stimme ihrer Mutter. Sie war gekommen. Sie war wirklich gekommen um sie zu retten. Die weiteren Vorgänge bekam sie gar nicht richtig mit. Sie erinnerte sich dunkel auf die Beine eines Mannes losgestürmt zu sein. Sie spürte seinen Fall und lies nicht los. Mit geschlossenen Augen klammerte sie sich an seine Beine, bis sie die sanften Hände ihrer Mutter spürte, die sie löste und auf den Arm nahm. Sie bettete ihren Kopf an Minas Schulter und ein leichtes Schluchzen entschlüpfte ihr. Dann ging es schon weiter. Sie waren draußen und rannten und rannten. Nadja bekam Seitenstechen und konnte kaum noch atmen – aber sie rannte. Die Angst war ein guter Antreiber. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit stoppte ihre Mutter. „Jetzt können wir langsamer machen. Alles okay bei dir?“ Sie nickte nur, da sie zu erschöpft war um zu antworten. Ihre Mutter streichelte ihr Sanft über den Kopf. „Lass uns weiter gehen. Nicht mehr lang und es wird hell. Da müssen wir weit genug entfernt sein.“ Nadja nickte nur.

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Projekt TXT – Das zwölfte Wort – Weihnachten 6 von 8

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  1. Kapitel

Was bisher geschah: Matthew wurde unruhig. Er wollte endlich aufbrechen um seine Familie zu suchen. Er hatte eine gute Zeit bei Carl verbracht, aber diese Unruhe liess ihn nicht locker. Mina und Nadja waren in ein Camp gekommen, in dem Frauen als Gegenstand verwendet wurden. Sie waren nur nützlich wenn sie schwanger würden. Aber dies klappte bei Mina nicht. Sie wurde immer und immer wieder misshandelt. Bis Angela endlich eine Lösung hatte, sie zu befreien.

Irgendwie musste er sich Einlass zu diesem Camp verschaffen. Dank Carl sah er wieder gut und kräftig aus. Vielleicht suchten sie noch Männer, die anpackten. Er straffte sich. Er würde Nadja und Mina finden. Vor dem Eingang wurde er gleich aufgehalten. „Hei, hei du. Bleib stehen. Was willst du hier? Betteln verboten, verschwinde.“ Kam die unfreundliche Aufforderung. „Ich suche Arbeit. Ich will nicht betteln. Ich bin kräftig und hab kein Problem unangenehme Aufgaben zu erledigen.“ Der Redner blickte sich um. „Manni. Hier will einer Arbeit.“ Aus einem Bretterverschlag kam ein ungepflegter, hagerer Kerl, der schon lange kein Wasser mehr an sich heran gelassen hatte. Es fehlte nur noch einen Kranz aus Fliegen um seinen Kopf schwirren zu sehen. Seine Ausdünstungen waren wirklich widerlich. Matthew zog die Augenbrauen nach oben und verzog das Gesicht. „Iss was?“ Fragte der ungepflegte. „Ne. Ich such Arbeit. Egal was.“ „Ich sag Andreas Bescheid, er wird wissen, ob Walt noch jemand braucht.“ “Warte hier.“ Matthew nickte und war froh, dass der Stinker sich verdünnisierte.

Kurze Zeit später tauchte er wieder auf und hatte einen anderen Mann, der nicht weniger unappetitlich aussah, bei sich. „Was kannst du?“ „Alles was nötig ist.“ Misstrauisch blickte Andreas ihn an. „Ich weiß nicht. Walt ist nicht da. Eigentlich brauchen wir keinen.“ „Hey. Ich wisch auch das Scheisshaus. Ist mir egal. Für einen Teller Suppe, mach ich alles. Komm schon. Lass einen Bruder nicht hier so stehen.“ „Bruder? Na das werden wir dann wohl noch sehen. Okay, komm rein. Ich zeig dir die Kantine und das Scheisshaus. Das kann wirklich mal eine Säuberung brauchen. Stinkt übel da.“ Und ein dreckiges Lachen begleitete die beiden Männer auf ihrem Weg.

***

Angela hatte Matthew überzeugt, dass Nadja deportiert werden sollte. Der Tag rückte näher und Nadja schrie wie aufgespießt. Sie war durch das ganze Camp zu hören. Mina zerriss es das Herz. Sie ließen sie nicht zu ihr. Das würde den Schmerz noch verstärken, sagten sie. So würde sie besser abnabeln können. Sie hielt sich die Ohren zu und wippte vor und zurück. Wie sollte sie diesen Schmerz in der Stimme ihrer Tochter jemals vergessen. Sie hasste sich dafür, ihr das anzutun. Aber die Alternative war wesentlich schlimmer. Dann war es ruhig. Sie waren weg. Angela kam zu ihr und schloss sie in ihre Arme. „Das wird schon. Der Schmerz vergeht. Vielleicht wirst du jetzt Schwanger. Wenn ein Kind weg ist, sorgt die Natur für nachfolge.“ Die anderen Frauen blickten teilnahmslos zu ihnen. Sie hatten selbst schon so viel Kinder weggegeben, für sie war es nichts Außergewöhnliches und sie verstanden nicht, was Muttergefühle waren. Sie hatten sie nie erleben dürfen.

Mina weinte und biss sich in die Hand um sich zu beruhigen. Es war noch nicht die Zeit. Sie musste sich noch gedulden. Die Tür öffnete sich und Andreas stand in der Tür. Sie blickte durch die mit Tränenverschleierten Augen. Dann erhob sie sich um ihrer Tätigkeit nachzugehen. Es war nichts Außergewöhnliches mehr. Der Schmerz wurde einfach ausgeblendet. Sie wusste, dass die Nacht lange werden würde. Sie war nicht mehr nur Andreas zugeteilt. Da sie unnütz war, war sie einfach zur Entspannung da.

***

Nadja verstand nicht was passierte. Sie wurde gewaltsam von ihrer Mutter weggehalten. Sie versuchte sich zu wehren, aber die Männer waren natürlich viel zu stark. Sie konnte zwar paar kräftige Tritte austeilen und hörte mit Genugtuung dass so mancher stöhnte. Einer wollte gerade ausholen und zuschlagen, als ein anderer seine Hand in der Bewegung aufhielt. „Du wirst sie töten. Einen Schlag von dir wird sie nicht aushalten. Halt dich zurück. Bist du ein Mann, oder eine Memme? So kleine Tritte von einem kleinen Mädchen. Also so was.“ Der angesprochene funkelte Nadja wütend an und trug sie unter seinem Arm einfach nach draußen. Dort warf er sie in einen Transporter und schloss die Tür. Sie sprang auf und rannte an die Tür um mit ihren kleinen Fäustchen, ohne Erfolgschancen dagegen zu trommeln. Ihre Stimme war schon rau vom Schreien. Es kam nur noch ein Wimmern. Sie kauerte sich in die Ecke und schluchzte. Wo war ihre Mami? Wo war der Weihnachtsmann? Seine Zeit war noch nicht gekommen. Er konnte ihr nicht helfen. Auch Mami konnte ihr nicht helfen. Sie war zwar klein, aber sie hatte genug mitbekommen. Sie wusste dass ihre Mutter misshandelt wurde. Sie verstand nicht alles. Aber ihre Schmerzen konnte sie in den Augen und Bewegungen erkennen.

Das Auto stoppte. Die Tür öffnete sich und ein Schwall hellen Lichts drang in das Auto. Nadja musste ihre Augen zu kneifen, da die Augen empfindlich reagierten. „Auf, Prinzessin, beweg dich und komm raus, sonst hole ich dich. Und glaub mir, das willst du nicht.“ Sie stand auf und kam mit hängenden Schultern und geneigten Kopf zu dem Mann. Er hob sie aus dem Auto uns schubste sie vor sich her.

Er öffnete eine Tür und stieß sie hinein. „So, hier ein Neuankömmling. Eine Trotzige – es wird Zeit, dass sie Manieren bei gebracht bekommt.“ Die Frau hinter dem Schreibtisch blickte Nadja streng an. Sie hatte grau melierte Haare, die streng zu einem Dutt zusammen gefasst waren. Er sah so straff aus, dass man meinen konnte, er würde die Stirn gleich mit straffen. Sie hatte ein schwarzes Gouvernantenkleid an. Langsam erhob sie sich und  kam um den Tisch. In der Hand hatte sie ein langes Lineal. Sie stand vor Nadja, legte das Lineal unter ihr Kinn und hob es schmerzhaft an. Nadja zuckte und erhob trotzig ihren Kopf. „So, so. Eine Trotzige. Ich sehe es in deinem Blick. Hier wird sich das ändern. Hier ist keine Mami, die dich beschützt und betüddelt. Hier werden andere Seiten aufgezogen. Hier wirst du Respekt lernen. Hier wird dir deine Stellung gezeigt. Bring sie zu Marnie. Sie soll sie waschen und neu einkleiden.“ Der Mann nickte und wieder wurde Nadja vor ihm her geschubst.

Im nächsten Zimmer wurde sie von einer anderen Frau in Empfang genommen. Marnie. „Marnie – Neuzugang. Die übliche Prozedur, hat Frau Paulus angeordnet.“ „Alles klar. Ich danke dir.“ Und schon waren die beiden alleine. „Du bist Nadja, oder?“ Nadja blickte sie verängstigt an und nickte vorsichtig. „Ich bin Marnie. Eine Freundin von Angela. Ich werde versuchen etwas auf dich aufzupassen. Aber du musst dich auch etwas zurück halten. Dann wird es auch bisschen leichter für dich. Glaub mir, es wird nur vorübergehend sein. Wenn du dich gut benimmst, dann wird nichts Schlimmes geschehen. Hast du das verstanden?“ „Ja, das habe ich. Aber ich will nicht hier sein. Ich will zu meiner Mami.“ „Ich weiß, mein Schatz. Deine Mami würde dir gerne helfen. Aber sie kann noch nicht. Hab etwas Geduld.“ Nadja verstand nicht alles, aber sie nickte brav und ließ sich in die Dusche führen. Danach bekam sie ein grobes graues Kleid. Die Heimuniform.

Die nächsten Tage sollten mit die schlimmsten werden, die Nadja je erlebte.

***

Die nächsten Wochen fügte sich Matthew immer mehr in das Team. Er schleimte an den richtigen Stellen und durfte somit immer mehr unbeaufsichtigt betreten. Er hatte schon ausgelotet wo die Frauen Quartiere waren. Heute würde er endlich eintreten dürfen, da er etwas zu reparieren hatte. Er hatte auch mitbekommen, wie die Frauen hier behandelt wurden. Ihm wurde ganz schlecht bei dem Gedanken, dass seine Familie eventuell hier wäre und was sie mitmachen mussten.

Er betrat den Gemeinschaftsraum. „Hallo, ich suche Angela.“ Er schaute sich suchend um. In einer Ecke schaute eine Frau in den Vierzigern auf. „Ich bin Angela, was gibt es?“ „Ich soll etwas reparieren.“ „Du bist neu, ich hab dich noch nie gesehen. Sonst wärst du schon hier gewesen und hättest dir geholt was dir zusteht. Also steht dir noch nichts zu. Hm?“ „Ähm, ja ich bin erst ein paar Wochen hier.“ „Okay. Komm mit mir, ich zeig dir wo du Hand anlegen kannst. Es sind paar Dinge.“ Er folgte ihr. Sein Blick schweifte die anderen Frauen. Sie waren verschmutzt. Aber es schien sie nicht zu interessieren. Sie waren wie seelenlose Puppen. Einige waren Schwanger. Diese Frauen sahen gut und gesund aus. Um diese Frauen wurde sich wohl gut gekümmert. Das war klar, sie trugen die nächste Generation, das Überleben der Menschheit in sich. Aber nirgendwo konnte er Mina sehen. Kinder sah er gar nicht. Als er mit Angela alleine war, traute er sich zu fragen. „Ähm, entschuldige. Angela?“ Sie blieb stehen und sah ihn fragend an. „Ich suche jemanden. Mein Name ist Matthew.“ „Matthew?“ Sie wirkte erstaunt. „Äh, ja. Ich suche meine Familie. Mina und Nadja.“ Angela blieb abrupt stehen. Er wäre fast auf sie aufgelaufen. Hektisch drehte sie sich um und hielt den Finger vor den Mund. Dann zog sie ihn schnell in einen Raum. „Hier ist es sicher.  Du bist also Matthew. Ich hätte niemals damit gerechnet, dass du noch lebst und hier auftauchst.“ Er sah sie fragend an. „Ja, Mina und Nadja waren hier.“ Er wurde hektisch. „Waren? Was ist passiert? Leben sie noch?“ Andrea hob beschwichtigend die Hand. „Ja, als ich sie das letzte Mal gesehen habe, lebten sie noch, aber das ist schon etwa sieben Monate her.“ „Sieben Monate! Erzähl mir mehr. Ging es ihnen gut?“ „Sie lebten. Gut gehen, ist hier ein dehnbarer Begriff. Ich denke Nadja ging es gut. Sie wurde gefüttert und hatte es warm. Mehr wohl nicht. Leicht war es nicht. Mina – ja, du hast die Frauen draußen gesehen. Da brauche ich dir wohl kaum etwas zu erklären.“ Matthew war erschüttert. Er hatte es befürchtet, aber noch gehofft, Mina wäre verschont geblieben. „Ich konnte ihnen helfen. Sie konnten fliehen. Unglauben erfasste Matthew. „Wirklich?“ Sie nickte. „Ja. Sie konnten fliehen. Aber mehr weiß ich nicht. Ich hab natürlich nie wieder was von ihnen gehört. Ich weiß nicht ob sie es geschafft haben.“ „Warum bist du nicht mit ihnen gegangen?“ „Ich werde hier gebraucht. Die Frauen brauchen eine Ansprechperson, die sich auch manchmal für sie einsetzt. Ich kann sie nicht alleine lassen.“ Matthew drückte sie. „Ich danke dir, für die Info und vor allem, dass du den beiden eine so gute Freundin warst. Ich werde sie finden und ihnen von dir erzählen. Wir werden dir das nie vergessen.“ „Das ist schon gut. Ich bin froh, dass sie hier weg gekommen sind. Sie haben es bestimmt geschafft. Mina und Nadja sind wirklich starke Persönlichkeiten.“ Matthew nickte stolz. Sie hatten es geschafft. Es war Zeit, dass er sie endlich fand.

***

Die Glocke läutete. Nadja schlug die Augen auf. Alles tat ihr weh. Den Tag davor hatte Frau Paulus sie die Latrinen schrubben lassen. Danach musste sie hungrig schlafen gehen, da sie wieder einmal ihren Mund nicht halten konnte. Sie hatte zwar Marnies Ratschläge angenommen und hielt sich zurück, aber so ganz konnte sie nicht über ihren Schatten springen. Manchmal war sie immer noch aufmüpfig. Dafür wurde sie dann immer bestraft. Am Anfang waren die Strafen sehr hart gewesen. Da wurde sie von ihren Mitheimbewohnern bestraft. Da sie für ihre Aufmüpfigkeit mit bestraft wurden. Sie schlugen sie, stopften sie in die Latrine, spritzen sie bei Minustemperaturen Nass und sperrten sie aus. Aber sie gab nicht auf. Sie wurde nur schlauer. Sie merkte, dass es nichts brachte immer gegen den Strom zu schwimmen. Sie blieb jetzt immer im Hintergrund und wich aus. Sie war sich sicher, dass sie irgendwann gerettet werden würde. Von ihrer Mutter, oder wenn es Weihnachten wurde, vom Weihnachtsmann. Aber sie wusste nicht wann Weihnachten war, deswegen schreib sie jeden Tag einen Wunschzettel. „Bitte lieber Weihnachtsmann. Rette meine Mutter. Sie wird mich dann finden. Oder rette mich, damit ich sie befreien kann. Alles Liebe, deine tapfere Nadja.“ Den Wunschzettel vergrub sie dann immer heimlich. Einmal hatte ein Junge den Brief gefunden und sich erst lustig gemacht und ihn dann Frau Paulus gebracht. In der neuen Zeit, in der sie jetzt lebten, gab es kein Weihnachten mehr. Weihnachten bedeutete Hoffnung, und das war nicht erwünscht. Sie wurde auch gleich dafür bestraft an diese alten Dinge zu glauben. Eine Woche wurde sie in einen Schuppen gesperrt. Bei Wasser und Brot und einer schimmeligen feuchten Decke, harrte sie aus. Sie war tapfer. Wenn sie weinte, dann immer heimlich. Denn auch weinen wurde bestraft. Eigentlich wurde alles bestraft. Gehorsam, das war es, was sie wollten. Keine Widerworte und stets machen was gesagt wurde, ohne darüber nachzudenken. Vor allem von den Mädchen. Nadja war sich sicher. Das alles war nur vorübergehend. Sie würde bald wieder mit ihrer Mutter vereint sein. Und sie würden dann das schönste Weihnachtsfest feiern, dass sie je hatten.

Aber es sollte noch einige Monate dauern, bis endlich die ersehnte Rettung kam. Solange behielt sie sich immer ein kleines Stückchen Hoffnung in ihren kleinen Herzen.

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  1. Kapitel

Matthew hatte es gut getroffen. Will, der ihn befreit hatte, führte ihn in das Camp von Carl. Dieser war ein guter Führer, der sofort auf Matthew einging. Er sicherte ihm seine Unterstützung bei der Suche nach Mina und Nadja. Mina und Nadja kamen bei dem Hausputz gut voran. Dann hatte Mina einen Alptraum, der sie zwei Jahre zurückführte. Als sie und Nadja gefangen genommen wurden. Sie kamen in ein Camp, das für Frauen die Hölle war.

Matthew hatte sich bei Carl gut eingelebt. Er war gut angenommen worden und brachte sich immer helfend ein. Das war eine gute Gruppe. Jeder half jedem. Aber er konnte nicht entspannen. Er musste immerzu an seine Familie denken, ob sie noch lebten? Mina war alleine mit Nadja. Er hatte sie gut unterrichtet und alle Fluchtpunkte gut bestückt. Aber er musste langsam los sie suchen. Es war schon über ein Jahr her, dass sie getrennt wurden. Bis er alle Punkte abgegangen war, würde nochmal so viel Zeit vergehen. Er musste los.

„Matthew?“ Er blickte sich um. Carl hatte ihn gerufen. „Ja, was gibt es?“ „Komm doch kurz in mein Büro, ich muss was mit dir besprechen.“ Matthew runzelte die Stirn. War irgendwas vorgefallen, hatte sich jemand beschwert? Er schlenderte lässig zu Carl. Klopfte und trat ein. „Ah, schön. Setz dich. Ich hab ein Anliegen.“ „Okay, ist was vorgefallen?“ „Nein, nein. Keine Angst. Aber ich bemerke eine tiefe Unruhe und Unkonzentriertheit. Was ist los?“ Matthew zögerte. „Komm, mittlerweile müsstest du wissen, dass du mir vertrauen kannst, also was ist los, mein Freund“ Die intime Anrede lockerte Matthew etwas auf. „Meine Familie. Ich würde gerne wissen ob meine Frau und Tochter noch leben.“ „Hmm. Wie willst du das rausfinden?“ „Wir haben für die Notsituation verschiedene Fluchtpunkte ausgemacht. Die müsste ich abklappern.“ „Hm. Was hast du vor? Willst du uns verlassen um deine Familie zu suchen? Willst du sie her bringen? Du weißt sie wären willkommen.“ „Ich weiß nicht, vielleicht. Ich will sie auf jeden Fall finden. Ich bin dir so dankbar, dass du mich gerettet hast, aber ich muss wissen ob sie noch leben.“ „Ja, das musst du wohl. Okay. Lass mich etwas überlegen. Ich melde mich bald bei dir, okay?“ Matthew nickte und verließ das Zimmer. Er wanderte unruhig durch die Umgebung. Würde er Mina hier herbringen können? Wie es ihr wohl ergangen war? Er hoffte, sie wäre unbeschadet durch gekommen.

***

Mina ging zu Nadja. Sie schloss sie in die Arme und drehte sie erst mal hin und her. Sie sah gut aus. Die Kleine hängte sich an Minas Hals und weinte. „Mami, können wir hier weg? Ich will hier nicht bleiben. Die Menschen sind böse.“ „Haben sie dir wehgetan?“ Sie schüttelte schluchzend den Kopf. „Aber ich fühle, dass hier böse Menschen sind. Ich fühle mich fremd. Ich bin nicht ich. Du bist nicht du. Wir sind falsch.“ Einzelne Tränen liefen ihre pausbackigen Wangen hinunter. Ihre Augen waren trüb. Das kleine Mädchen war total verängstigt. Mina drückte sie ganz fest und flüsterte ihr ins Ohr. „Hör zu, mein Schatz. Wir werden hier schon weg kommen. Mami wird dafür sorgen. Aber es wird bisschen dauern. Es ist zu gefährlich und ich brauche einen Plan. Wirst du das durchhalten? Für mich?“ Sie nickte schnäuzend. „Das ist mein großes Mädchen. Wir schaffen alles gemeinsam. Wir sind starke Frauen.“ „Hei, Neue. Deine Zeit ist rum. Dein Date wartet auf dich.“ Mina versteifte sich. Vorsichtig drückte sie Mina von sich und streichelte ihr beruhigend über den Kopf. „Wir sehen uns bald wieder. Sei brav und halte dich ruhig. Okay?“ „Ja Mami.“ Mina blinzelte die Tränen weg um Nadja nicht noch mehr zu verängstigen. Sie drehte sich weg und straffte ihre Schultern. Viele Frauen vor ihr hatten dieses Schicksal überstanden. Sie würde es auch schaffen. Für Nadja, für ein Leben, für Matthew.

***

Einen Tag später wurde Matthew wieder zu Carl gerufen. „Matthew, mein Guter. Ich hab mir Gedanken gemacht. Ich merke, dass ich dich nicht halten kann. Das will ich auch nicht. Wir sind alle freiwillig hier. Ich hab mich mit den anderen beraten und wir lassen dich ziehen. Nicht nur das. Wir heißen deine Familie hier willkommen, wenn ihr zurückkommen wollt. Hier werdet ihr immer ein Heim haben.“ Matthew hörte zu und nickte. „Dort in der Ecke haben wir dir einen kleinen Rucksack gepackt. Viel ist es nicht, aber es wird dir am Anfang auf jeden Fall den Weg erleichtern. Ein bisschen Vorräte und paar Waffen.“ „Carl, ich bin gerührt. Das Angebot nehme ich sehr gerne an. Ich werde nie vergelten können, was du mir gegeben hast. Deine Rettung und jetzt das. Ich werde dir ewig dankbar sein und in deiner Schuld stehen.“ Carl winkte ab. „Ach komm, lass nur. Wichtig ist, ihr könnt immer her kommen.“ Matthew nahm Carl in die Arme und sie drückten sich fest. Sie wussten, dass dies wohl ein Abschied für immer sein wird.

Matthew nahm den Rucksack und ging Richtung Ausgang. Seine Kumpels standen Spalier und er verabschiedete sich von jedem. Sie würden ihm fehlen. Aber der Gedanke an seine Familie war ihm wichtiger.

***

Mina betrat den Raum, der ihr zugeordnet wurde. Ein Bett, ein Tisch mit einer Lampe ohne Schirm und ein Stuhl standen darin. Romantisch war anders. Aber das war ja auch kein romantisches Treffen. Sie war sich nicht sicher, wie sie das überstehen sollte. Aber sie würde. Die Tür ging auf und Andreas betrat den Raum. Mina blickte ihn direkt an. Ein unsympathischer Kerl stand vor ihr. Er wirkte schmuddelig und sehr, sehr ungepflegt. Die Haare waren zu lang und strähnig. Ein säuerlicher Geruch ging von ihm aus. Eine Gänsehaut überzog ihre Arme. Seine Zähne waren ungepflegt – ekliger Belag hatte sich darauf abgesetzt. Dementsprechend war auch sein Geruch. Sie erinnerte sich an ihren ersten Hund, als er alt wurde fing er an aus dem Mund zu stinken. Wie eine Kloake. So war es auch bei Andreas. Mina schloss die Augen, schluckte ihren Ekel herunter und atmete tief durch. Sie öffnete die Augen und konnte gerade noch sehen, wie er mit seiner Hand ausholte und sie ins Gesicht schlug. „Nur um schon mal zu klären, wer hier das sagen hat, Schlampe. Wenn du meinst dich irgendwie wehren zu müssen, weißt du was dich erwartet. Klar?“ Sie nickte, während sie sich das Blut von den Lippen wischte. Schon folgte der nächste Schlag. Dann zerrte er sie auf die Beine und zerrte ihr die Klamotten vom Leib. Er schlug ihr in den Magen. Sie stöhnte. Er quetschte ihre Brüste und griff ihr brutal zwischen die Beine. Am Anfang hielt sie sich noch die Hände vor ihre Blöße. Er zerrte weiter an ihr herum. Dann drehte er sie um, und hielt sie an sich zu bücken. Das war der Moment, als Mina ihren Geist abschottete. Nur so würde sie das überstehen. Sie blendete den Schmerz und die Schmach aus.

Fünf Minuten später stieß er sie von sich zog die Hose hoch und verließ sie ohne ein weiteres Wort. Mina erwachte aus ihrem Trancezustand. Ihr Körper schmerzte. Sie versuchte sich aufrecht zu halten. Ihr Magen rebellierte und sie musste sich übergeben. Kurz darauf öffnete sich die Tür und Angela betrat den Raum. Sie hüllte sie in einem Morgenmantel und nahm sie mit sich zu den Duschräumen. Dort stand ein Eimer mit heißem Wasser. Mit einem Schwamm schrubbte sie Mina, bis ihre Haut rot war und ihr Schmach erträglich. „Das wird schon. Sobald du schwanger bist, werden sie dich in Ruhe lassen. Du wirst es irgendwann besser ertragen. Man gewöhnt sich an diese ekelhaften Kerle.“ Mina nickte nur, während ihr die Tränen über die Wange liefen. Angela brachte sie in den Gemeinschaftsraum. Manche der Frauen blickten sie mitleidig an, aber die meisten schienen eher, als gönnten sie ihr dieses Treffen. Vorsichtig ließ sie sich auf einen Stuhl nieder. Ein Tablett mit Essen wurde vor sie gestellt. Jemand flüsterte: „Iss, du brauchst die Kraft. Dein Körper muss stark bleiben, wenn du nicht untergehen willst.“ Widerwillig führte sie den Löffel zum Mund. Es war ein undefinierbarer Brei ohne wirklichen Geschmack. Das Einzige, das sie aufrecht hielt, war das Wissen, dass sie Nadja heute noch mal sehen würde.

***

Matthew hatte schon einige der Punkte der Karte abgearbeitet. Er konnte überall sehen, dass Mina und Nadja dort gewesen waren. Sie hatten immer irgendwelche Nachrichten oder Hinweise hinterlassen. Jedes Mal atmete er auf, wenn er ihre Spuren entdeckte. Er war jetzt etwa drei Monate unterwegs. Seine Vorräte waren schon längst aufgebraucht. Das war kein Problem. Er fand immer etwas zu essen, oder jagte sich was. Er war guter Dinge, bis zu dem Tag an dem er den ersten Fluchtpunkt ohne ein Überlebenszeichen antraf. Er betrat die Gruft und sah sein angelegtes Versteck für die Vorräte. In ihm wuchs die Angst. Sie waren nicht hier angekommen. Mittlerweile war er schon sechs Monate unterwegs. Hier verlor sich ihre Spur. Waren sie noch am Leben? Wurden sie erwischt und wie er in ein Camp entführt. Ihm blieb nichts anderes übrig sich in der Umgebung umzuschauen. Wenn sie gekidnappt wurden, dann war das Lager bestimmt nicht weit weg. Nach einigen Wochen des Suchens, stieß er tatsächlich auf ein Lager. Einige Zeit beobachtete er es, konnte aber nie Mina sehen. Ob sie wohl dort gefangen gehalten wurde?

***

Mina wurde nicht schwanger. Sie war einerseits froh darüber, da sie ihr Kind niemals hergegeben hätte. Anderseits wurde sie regelmäßig weiter missbraucht. Nachdem Andreas sein Interesse an ihr verlor, schickten sie immer wieder andere Männer rein. Sie merkte sich noch nicht mal mehr die Gesichter. Sie ließ alles über sich ergehen, und da sie regungslos war, wurde sie auch kaum noch geschlagen. Nun kam aber die Zeit – sie war jetzt etwa achtzehn Monate in dem Camp – dass sie einfach nicht mehr konnte. Außerdem hatte sie die Männer beobachtet. Nadja war jetzt fünf Jahre. Noch weit entfernt eine junge Frau zu werden, aber trotzdem lechzten die Männer schon nach ihrem jungen Körper. Sie musste weg. Ihr war auch zu Ohren gekommen, dass sie Nadja in das andere Camp schaffen wollten, damit sie endlich die Erziehung genoss, die allen Kindern gegeben wurde. In der Zeit, in der sie hier lebte, hatte sie sich die Umgebung und die Gewohnheiten angeschaut und gemerkt. Einmal die Woche gab es Transporte. Soweit sie das sehen konnte, wurde einfach alles rein, oder raus gefahren. Es kamen entweder Lebensmittel, neue Frauen, die irgendwo entdeckt wurden, oder auch Gegenstände. Ebenso gab es Exporte. Lebensmittel, die von den Frauen geerntet und verarbeite wurden. Kinder. Auch Frauen hatte sie schon gesehen. Sie wusste, dass die Frauen, die untauglich waren verstoßen wurden. Sie konnte das spielen, aber was würde aus Nadja werden?

Sie saß, tief in Gedanken versunken in einer Ecke. In ihrer Hand hatte sie ein aufgeschlagenes Buch als Angela auf sie zukam. Hinter ihr lief Susanne, die schon wieder schwanger war. „Was beschäftigt dich?“ Fragte Susanne. „Das Buch hast du schon locker dreißig Minuten nicht mehr umgeblättert. Bist du endlich schwanger?“ „Hm? Nein, ich bin nicht schwanger. Es ist nichts.“ „Na dann. Wann ist dein nächstes Date?“ „Ich weiß nicht. Ich bin nicht mehr so gefragt. Zum Glück.“ Angela beobachtete sie still. „Na, vielleicht wenn du jetzt mehr Ruhe hast, dann klappt es mit der Schwangerschaft. Wir wissen ja, dass du es kannst.“ Sie deutete auf Nadja, die in der Ecke mit einem Malbuch saß. Minas Blick wurde weich, als sie auf ihre Tochter schaute. Angela beobachtete sie. „Susanne – musst du nicht zum Doc, zum Checkup?“ „Ach, verdammt. Gut dass du es sagst, das hätte ich fast vergessen. Tüdelü.“ Sie winkte zum Abschied. „Was geht dir wirklich durch den Kopf?“ Angela war eine gute Freundin geworden. Sie vertraute ihr zu hundert Prozent. „Ich muss weg hier.“ Sie erzählte Angela von ihrem Verdacht der Männer gegenüber Nadja. Angela schaute ernst und runzelte die Stirn. „Ist da noch was anderes?“ „Was meinst du?“ „Ach nichts. Hör zu. Ich überleg mir was. Wir treffen uns morgen zur selben Zeit wieder hier.“

Am nächsten Tag trafen sich Angela und Mina wie besprochen. „Mina, wie geht es dir?“ „Ich weiß nicht, sehr schlapp und müde. Ich brauch mal eine Auszeit vom „Arbeiten“.“ Sagte sie sarkastisch. „Hm.“ Machte Angela und blickte Mina skeptisch an. „Gut, hör zu. Ich hab vielleicht eine Möglichkeit wie du  verschwinden kannst. Es wird nicht leicht. Es kann gefährlich werden. Und wir könnten unser Leben verlieren.“ „Ist das hier ein lebenswertes Dasein? Dann sterbe ich lieber bei dem Versuch hier zu entkommen, als weiterhin als Matratze zu dienen. Ich werde eh nicht schwanger. Mein Körper weigert sich.“ „Ja – und das wird auch unser Ansatzpunkt. Ich werde versuchen Walt zu beeinflussen, dass du nutzlos bist. Nur ein weiteres Maul zu stopfen. Du weißt, dass die Frauen dann ausgesetzt werden. Aber diese Frauen sind meist schon zu schwach und gebrochen. Die schaffen es wohl kaum. Aber du bist noch stark. Du kannst es schaffen.“ Mina nickte nachdenklich. „Was ist mit Nadja?“ Angela senkte betroffen den Kopf. „Ich weiß nicht. Das wird wohl nichts werden. Sie ist noch nützlich.“

Mina schüttelte ihren Kopf. „Du weißt, dass ich sie nicht hier lassen werde. Eher werde ich uns beide töten. Sie wird das hier nie erleben. Ich schwöre es dir.“ Sie lief aufgeregt hin und her. Der Wahnsinn blitzte aus ihren Augen. Angela sah, den Ernst dahinter. Sie wusste, dass Mina nicht zögern würde. Sie würde eher ihre Tochter töten, als sie diesen Tieren von Männern zu überlassen. „Gut, hör zu. Wir machen es so.“ Sie zog Mina in den Schatten. „Es wird bisschen dauern. Aber ich kann Walt vielleicht überzeugen, dass Nadja endlich in die Erziehung gehört. Sie würde trotzig werden. Es wird einiges kosten, aber wir können einen Wärter dort bestechen. Denen sind die Kinder egal – eins mehr oder weniger. Eine der nutzlos gewordenen Frauen, der ich geholfen habe ist dort. Bei ihr habe ich dadurch noch was gut. Sie wird uns helfen. Ich habe einen geheimen Weg sie zu kontakten. Sie soll Nadja ein Beruhigungsmittel einflössen, so dass sie wie tot schläft. Die dummen Wärter kümmert es nicht. Wenn sie einen Gegenwert für ihre Verschwiegenheit bekommen. Sie sind eh vom Alkohol und den Drogen, die Walt ausgibt, degeneriert. Da funktioniert da oben nichts mehr so richtig.“ Sie tippte sich an die Stirn, zur Untermalung ihrer Erklärung. „Okay, und weiter, wie bekomme ich Nadja?“ Angela eröffnete ihren Plan und Mina atmete erleichtert auf. Bald würden sie frei sein. Endlich.

Fortsetzung folgt

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  1. Kapitel

Matthew wurde weiter verkauft. Aber während des Transportes wurde er von einem unbekannten Retter befreit. Würde er einfach nur zu einem anderen Händler kommen, oder meinte der Mann es ernst, dass er ihn befreien wollte? Etwas weiter in der Zukunft hatten Nadja und Mina ihre Suche nach Matthew aufgegeben und sind in ihr kleines Haus, das sie sich ausgewählt hatten  eingezogen. Jetzt war putzen und dekorieren angesagt – Weihnachten stand vor der Tür.

„Mami, komm hoch und schau dir mein Zimmer an.“ Mina unterbrach ihr putzen um das Ergebnis ihrer Tochter zu sehen. Sie schlenderte nach oben. Es war so entspannend sich endlich ohne Angst  zu bewegen. Dieses Grundstück lag so perfekt eingewachsen. Es war nicht zu sehen. Keiner würde sich durch Zufall hier her verlaufen. Ein Glücksfall, dass sie es gefunden hatten. Eigentlich hatte Nadja es gefunden. Der Weihnachtsmann soll es ihr im Traum verraten haben. Sie war so Fantasievoll. Einfach liebenswert. Nadja kam ihr an der oberen Stufe schon entgegen und zog sie ungeduldig in ihr Zimmer. „Wow. Das hast du ja toll gemacht.“ Mina blickte sich in dem Zimmer um. Die Wände waren vom Vorbesitzer in einem Weis und Gelbton gehalten. Das war definitiv ein Mädchenzimmer. An den Wänden tummelten sich Fabelwesen. Schmetterlinge flatterten mit Feen um Einhörner herum. Hier war auf jeden Fall jemand sehr begabt gewesen. Es sah toll aus, wie aus einem Märchenfilm. Nadja hatte sich aus der Weihnachtskiste schon viel Dekoration herausgeholt. Zwischen den Feen und Einhörnern und Schmetterlingen sah man immer wieder einen kleinen Stern aufflackern. Das Sonnenlicht fing sich darin und zauberte magische Momente an die Wand. Sie hatte sich Lametta genommen und es kunstvoll an den Wänden drapiert. Überall blickte ein Weihnachtsmann entgegen. „Mama, was ist das hier? Ich weiß nicht was das darstellen soll.“ „Oh – das ist ein Elf. Er ist der Helfer vom Weihnachtsmann. Er beobachtet die Kinder in der Vorweihnachtszeit und berichtet dann dem Weihnachtsmann. Er sitzt jeden Morgen wo anders. Das ist eine Tradition aus Amerika.“ „Oh, das ist schön, dann setz ich ihn gleich mal hier in mein Regal.“  Mina lächelte. Es war also an ihr, den Elf immer einen neuen  Platz zu suchen. Das Gefühl war so normal. Es war eine Wohltat sich so zu fühlen.

Mina ging wieder runter. Sie wollte heute noch das Wohnzimmer schaffen um mit Nadja dann morgen dort zu dekorieren.

***

„Wie ist dein Name?“ „Matthew.“ Er fragte sich, wie oft er diese Frage jetzt schon beantwortet hatte. „Ich bin Will.“ „Hallo Will. Erklärst du mir jetzt bisschen was?“ „Na das meiste hab ich dir ja schon erklärt. Wir befreien Menschen aus dem Sklavendasein. Wir sind doch nur weil es kein Strom und Regelungen mehr gibt immer noch Menschen. Du kommst jetzt erst mal mit in unser Camp. Da wirst du Carl kennen lernen. Er ist der Boss. Der wird dir mehr erzählen. Jetzt genieß den Spaziergang, ohne Ketten.“ Matthew blieb skeptisch, aber er tat was Will empfahl. Er blickte sich um. Wo war er nur? Würde er von hier aus Mina finden? Als sie im Camp ankamen wurden sie mit großem Hallo empfangen. „Hei Will, hast wieder einen gerettet?“ Will winkte nur und führte Matthew weiter. „Dort hinten wohnt Carl. Lass uns gleich zu ihm, bevor ich dir zeige wo du dich frisch machen kannst und schlafen wirst.“ Matthew war zu müde um zu denken. Er folgte einfach Will. Wird schon schief gehen, dachte er. Es war ein altes Herrenhaus, das sie betraten. Hier war geschäftiges Treiben im Gange. Matthew konnte ein ständiges kommen und gehen registrieren. Soviel Menschen auf einem Haufen hatte er schon lange nicht mehr gesehen.

„Was ist das hier?“ „Die Zentrale. Das Head Quarter, wie man heute so sagt. Komm, hier ist Carl.“

Will klopfte und trat ein. „Carl, ich hab einen Neuen von Ollie erwischt.“ Carl stand hinter seinem Schreibtisch auf und kam schnell zu Matthew. Er nahm sein Kinn in die Hand und drehte den Kopf hin und her. „ Sie haben dich gut aufgemischt. Hast du rebelliert?

„Nein, ich wollte überleben um meine Familie zu finden. Vielleicht deswegen, weil ich mich nicht wehrte?“ „Mag sein. Du hast Familie? Weißt du wo sie ist?“ Matthew schüttelte den Kopf. „Nein, ich muss sie suchen.“ „Ok, dann wirst du wohl nicht bleiben. Schade, wir hätten dich gut gebrauchen können. Aber ich verstehe natürlich, dass du zu deiner Familie willst. Ruh dich paar Tage hier aus, dann werde ich dafür sorgen, dass du etwas Ausrüstung und Vorräte bekommst um auf die Suche zu gehen.“ „Wie soll ich das vergelten? Ich habe nichts bei mir und vielleicht komme ich nie wieder zurück.“ „Wir machen das nicht um etwas daran zu verdienen. Wir sind Menschen und wollen helfen. Die neue Welt sollte doch eigentlich besser werden, oder? Dafür wollen wir sorgen. Will, bring doch bitte Matthew in sein Zimmer. Dort kannst du dich frisch machen und schlafen. Wir sehen uns morgen.“ Matthew ging etwas beruhigter hinter Will her. Carl machte einen kompetenten Eindruck. Er hoffte, dass er ihm trauen konnte. Als er in seinem Zimmer war, fiel er sofort aufs Bett und schlief. Er war total ausgelaugt und fertig. Zwei Tage schlief er durch. Dann wachte er auf. Langsam erhob er sich. Seine Muskeln waren steif vom Liegen.

Als er sich erhob, konnte er neben seinem Bett ein Tablett mit Saft und Brot sehen. Hungrig stürzte er sich auf den Teller. Danach ging er ins Bad und schöpfte das Wasser aus dem Eimer um sich zu erfrischen. Er ging zur Tür, davor stand ein ihm Unbekannter. „Hi, wo ist Will`?“ „Er schläft. Soll ich ihn holen?“ „Ach nein, ich schaue mich nur bisschen um.“ „Gut, ich bleibe dicht hinter ihnen. Sie können sich ja denken, dass ich sie erst mal im Auge behalten soll.“ Matthew nickte. Das Camp war sehr voll. Ein wuseln wie in einem Ameisenbau. Er war beeindruckt mit welchem Eifer die Menschen an die Arbeit gingen.

Auf seiner Erkundungstour beobachtete er alles genau. Vielleicht musste er ja fliehen, da wollte er schon wissen, ob es einen Ausweg geben würde. Als er seinen Blick nach vorne richtete, sah er, das ihm Carl entgegen kam. „Matthew, schön dass du wach bist. Wollen wir noch bisschen plaudern. Dort hinten können wir einen recht passablen Kaffee trinken.“ „Ja, gerne, einen Kaffee hatte ich schon langen nicht mehr.“ „Gut, komm.“

***

Mina war fix und fertig. Schon lange hatte sie keinen Hausputz mehr gemacht und vergessen, wie anstrengend so was war. Nadja war schon seit einigen Stunden in ihrem neuen Zimmer verschwunden. Mina erhob sich vom Boden um nach ihr zu schauen. Leise ging sie nach oben. Sie öffnete die Tür zu Nadjas Zimmer und sah sie im Bett liegen. Ihre Decke hob und senkte sich ruhig. Sie schlief. Mina schaute sich im Zimmer um. Da entdeckte sie den Elf. Ihr fiel ein, dass sie ihn umsetzen musste. Nadja sollte ihren Glauben an den Weihnachtsmann so lange wie möglich beibehalten. In dieser Zeit solch ein festen Glauben, sie beneidete Nadja dafür. Sie betete fleissig darum ihren Vater kennen zu lernen. Und ließ für den Weihnachtsmann überall Zettel liegen, dass er ja ihren innigsten Wunsch nicht vergisst.

Mina schloss leise die Tür und ging wieder nach unten. Ihr Zimmer war noch nicht fertig, also legte sie sich auf die Couch. Es dauerte nicht lange und sie schlief ein. Böse Träume verfolgten sie.

Zwei Jahre zuvor.

Mina und Nadja waren unterwegs zu dem nächsten Punkt auf Matthews Karte. Sie machten gerade eine Pause an einem Fluss. Dort wuschen sie ihre Sachen und füllten ihre Wasservorräte auf. Seit die Menschen die Flüsse nicht mehr verdreckten, war die Qualität sehr gut geworden. Sie merkte nicht, dass von hinten sich jemand anschlich, da sie gerade mit Nadja sprach. Die Kleine war so aufgeregt, da sie einen Traum von ihrem Vater hatte, den sie nur von Bildern kannte. „Mami, Papa und ich, wir sind über die grüne Wiese gelaufen und er hat mit mir getanzt. Es war so toll. Ich freue mich, wenn der Weihnachtsmann mir irgendwann Papa wieder bringt.“ „Dein Papa wird sich noch mehr freuen, dich kennen zu lernen. Er liebte dich schon so sehr, als du noch in meinem Bauch warst.“ Mina hatte Nadja schon früh aufgeklärt. Es war wichtig, dass sie so viel wie möglich lernte. Sie wusste nie, ob sie nicht mal getrennt wurden. Sie wollte, dass auch die junge Nadja schon aufmerksam war. Und trotz dieser Aufgeklärtheit, hatte sie nie ihren Glauben an den Weihnachtsmann verloren.

Sie tauchte gerade ein T-Shirt in den Fluss, als sie von hinten angefallen wurde. Zwei kräftige Arme umschlossen sie und hoben sie auf. Sie strampelte und versuchte sich frei zu winden. Hektisch blickte sie nach ihrer schreienden Tochter. „Was haben wir denn da für ein Prachtpärchen?“ Hörte sie von einer verrauchten Stimme. „Bleib ruhig, sonst wird das deiner Kleinen nicht gut tun.“ Sofort hörte sie auf sich zu wehren. „So ist es brav.“ Er ließ sie los. Dann lief er einmal um sie herum. „Hübsch. Und fruchtbar wie es scheint.“ Mina fing an zu zittern. Es war klar, dass sie als Frau gefährdet war. Sie hatte immer versucht Städten oder Camps aus dem Weg zu gehen. Aber Spähern kann man kaum entkommen. Sie atmete tief ein und versuchte sich zu beruhigen. Wichtig war Nadja. Ihr durfte nichts passieren. Egal was sie mit ihr machen würden, solange Nadja in Sicherheit war, würde sie es überstehen. „Was wollt ihr von uns?“ „Na, das wirst du doch bestimmt schon wissen. Es gibt nicht so viel Frauen, die das ganze hier überlebt haben und die Menschen müssen doch überleben, oder? Also kommst du mit und wirst eine von uns.“ „Ich hab andere Pläne.“ Der Zweite Mann hatte Nadja immer noch im Arm. „Das glaub ich aber nicht. Du willst doch bestimmt dass es deiner Tochter gut geht. Wir sorgen für die Kinder. Es gibt Essen, Wasser, Schlafplätze. Du musst nur gehorchen. Also sei ein braves Mädchen und ergibt dich in dein Schicksal.“ Mina überdachte ihre Situation. Ihr blieb nichts übrig. Zu dem anderen Mann sagte sie: „lass sie los. Ich wehre mich nicht.“ Der erste Mann nickte dem Riesen zu, der Nadja hielt. Er ließ die Kleine los, die sofort zu ihrer Mutter rannte. Mina ging in die Knie. Wischte ihrer Tochter die Tränen aus den Augen und umarmte sie. Dabei flüsterte sie ihr ins Ohr: „Es wird alles gut, mein Schatz. Wir werden mit diesen Männern gehen, die werden für uns sorgen. Du musst brav sein. Nicht lange und wir werden weiter nach Papa suchen. Kannst du brav für mich sein?“ Nadja nickte und schluchzte noch einmal, dann straffte sie ihre Schultern und fasste ihre Mutter bei der Hand.

Die Männer nahmen die beiden in ihre Mitte und führten sie in ihr erstes Camp.

Sie betraten eine Art Fort. Es sah wie eine Wohnsiedlung aus, die mit Wellblechwänden und Schrottautos geschützt wurden. Auf einer Art Catwalk standen Männer mit Waffen und blickten gefährlich. Mina ließ ihre Blicke hin und her schweifen um eine Lücke zu entdecken. Da war nichts. Ihr Mut sank. Da spürte sie den Druck der kleinen Hand in ihrer und ihr Wille kam zurück. Sie würden hier wieder weg kommen. Es musste einen Weg geben.

Hinter der Mauer wurde sie schon empfangen. Andere Frauen nahmen sie entgegen und trennten sie von Nadja. „Nein, lasst mir meine Tochter. NADJA!“ „Pst, mach nicht so einen Wirbel. Das mögen sie nicht. Die Kleine kommt schon wieder zu dir zurück. Aber es ist besser wenn wir sie aus den Augen der Männer bringen. Es gibt hier kranke Tiere. Glaub mir, es ist besser so. Du musst jetzt erst zu Walt.“ „Aber…“ „Keine Angst, Nadja wird es gut gehen. Sie wird gewaschen und bekommt was zu essen. Es sind andere Kinder dort wo sie hinkommt. Wenn du fertig bist, kannst du sie sehen. Glaub mir.“ Mina blickte die Frau vor ihr an. Sie war schon bisschen älter. In den Vierzigern. Sie wirkte sehr nett und mütterlich. Aber ihr Blick wirkte gehetzt und ängstlich. Sie sah die anderen Frauen an. Viele hatten einen dicken Bauch und hielten ihren Blick immer zu Boden gewandt. Sie war in einer Babyfabrik angekommen. Hier wurden Frauen vergewaltigt, bis sie schwanger wurden. Ihre Beine wurden ganz weich. Schon stützten die anderen Frauen sie und führten sie von den Männern weg. „Angela, denk dran, dass Wart sie sehen will.“ „Ja, natürlich. Was meinst du warum ich sie mitnehme.“ Sagte sie und drehte sich weg.

Sie führten Mina in eine gemeinschaftsdusche. Sie zogen sie aus, wuschen sie und kleideten sie neu ein. Mina war wie betäubt vor Angst um Nadja. Sie ließ sich herrichten ohne sich zu wehren. Als das kalte Wasser auf ihre Haut traf wurde sie wach. „Was ist das hier? Seid ihr so eine Art Zuchtstation?“ „Sie ist fix im Köpfchen, die Hübsche. Ja Fräulein. Wir sind Zuchtstuten. Und auch dir wird dieses besondere Vergnügen zu kommen.“ Lachte die Frau gehässig. Auch sie hatte einen dicken Bauch. Es konnte nicht mehr lang dauern bis zur Niederkunft. „Glaub mir, du wirst froh sein, wenn du Schwanger bist, dann lassen sie dich wenigstens in Ruhe.“ Meinte sie dann geknickt. „Ich bin Susanne. Wie ist dein Name?“ „Mina.“ „Wo ist dein Mann?“ „Ich weiß es nicht, er ist bei der Vorratssuche nicht mehr heim gekommen.“ „Wahrscheinlich wurde er auch gekidnappt. Er lebt bestimmt noch.“ Mina blickte sie dankbar an.

„So meine Liebe“, meinte Angela. „Es wird Zeit. Walt wird dich kennen lernen wollen. Das wird schon. Wir Frauen sind wirklich zäh. Wir halten mehr aus, als du denkst. Und du hast einen Grund zu überleben. Deine kleine Tochter braucht dich.“ Mina nickte und folgte Angela ohne sich zu wehren. Sie würde hier schon irgendwie wieder heraus kommen.

Angela klopfte an einer Tür. „Herein.“ Eine tiefe, aber unsympathische Stimme bat sie herein. Eine Gänsehaut überzog Minas Arme. Sie traten ein und ein fetter, schmuddeliger Kerl saß auf einer Art Thron. Mina musste ihren ekelerfüllten Blick senken. „Ah, die Neue. Komm her mein Mädchen. Ich hab gehört, du hast eine kleine Tochter. Das ist gut, das bedeutet, du bist fruchtbar. Das macht dich sehr Wertvoll. Leider kann ich dich nicht selbst beglücken. Wir wollen ja späteren Inzest vermeiden. Sehr schade. Aber vielleicht komme ich, wenn du in guter Hoffnung bist noch mal darauf zurück.“ Ein ekelerregendes Lachen verließ seine fleischigen Lippen. Eine Welle der Wut überkam Mina. Sie spürte den Druck Angelas Hand und hielt sich zurück. Weiterhin senkte sie den Blick. „Angela ist unsere Hüterin. Sie ist zu alt für Nachwuchs. Hat aber ihre Pflichten schon erfüllt. Eins konnte sie noch gebären, bevor sie vertrocknete.“ Angela biss die Zähne zusammen. Mina konnte das Spiel ihrer Kiefer erkennen. „Du wirst an einen Neuankömmling gegeben. Er hat noch keine Kinder gezeugt. Das ist sehr gut. Du wirst es genießen, je weniger du dich wehrst. Das hast du doch bestimmt schon gehört, oder?“ Wieder lachte er dreckig. „Ihr dürft gehen. Angela, bring sie nach dem Essen zu Andreas.“ Angela nickte und verbeugte sich. Schnell drückte sie Mina aus dem Raum.

„So, das wäre geschafft. Du hast jetzt noch ein bisschen Freizeit. Ich bring dich zu deiner Tochter.“ „Was ist aus deinem Kind geworden?“ Sie schüttelte mit dem Kopf. „Ich weiß es nicht. Sobald sie geboren werden, bekommst du sie weg genommen. Andere Frauen sind die Ammen. Damit du keine zu tiefe Bindung aufbaust. Das wolle sie nicht, denn dann können Mütter gefährlich werden. Es gibt ein Camp. Weit außerhalb von hier. Dort bringen sie die Kinder hin und erziehen sie zu braven Soldaten.“ „Das ist ja schrecklich.“ „Ja. Es raubt uns allen den Schlaf. Keine Mutter, selbst wenn die Zeugung noch so furchtbar war, kann das gut verkraften. Manche Frauen haben schon mehrere Kinder hier bekommen. Sie sind nur noch ein Schatten ihrer selbst und werden dann irgendwann entsorgt.“ „Entsorgt?“ „Wenn sie Glück haben, dürfen sie, wie ich, hier noch arbeiten, wenn sie zu kaputt sind, werden sie ausgesetzt.“ „Oh mein Gott. Was sind das für Menschen hier?“ „Ja – das pure Patriachart. Schlimmer als im Mittelalter.“ In Gedanken versunken folgte Mina Angela. Das war ein furchtbarer Ort. Sie musste verschwinden, bevor Nadja alt genug war um für die Zucht eingesetzt zu werden. Noch war sie als kleines Mädchen am Leib sicher. Aber was war mit dem Geist. Sie würden sie bestimmt auch deportieren.

Fortsetzung folgt

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Projekt TXT – Das zwölfte Wort – Weihnachten 3 von 8

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Hoffen auf ein Weihnachtswunder

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  1. Kapitel

Was bisher geschah….Matthew war bei einem Sklavenhändler gelandet. Dort hatte er es nicht leicht und sollte jetzt weiter verkauft werden. Mina und Nadja liefen derweilen die Fluchtpunkte, die Matthew präpariert hatte ab. Aber nirgendwo fanden sie ein Lebenszeichen von Matthew. Es war Zeit sich fest niederzulassen. Einen Versuch wollten sie noch starten, bevor sie die kleine Oase, die sie gefunden hatten, ansteuerten um dort fest zu leben.

„Ist das die neue Ware, die sieht ja furchtbar aus. Wenn ihr gutes Geld für eure Sklaven haben wollt, solltet ihr sie besser behandeln. Der sieht ja aus, als hättet ihr ihn hinter einen Pferdewagen gespannt. Ich nehme ihn, aber ich zahle nicht den vollen Preis, wer weiß was ihr bei dem kaputt gemacht habt.“ „Olli. Mein Freund. Komm, der ist gut in Schuss. Der wird dir gute Dienste leisten. Ich wette mit dir, dass du den sogar für Kämpfe einsetzen kannst. Der wird dir viel Geld bringen. Die Schrammen heilen. Du weißt, wir müssen sie etwas gefügig machen. Aber er ist jetzt zahm. Er hat Familie. Die haben wir aber leider noch nicht gefunden. Aber vielleicht hast du mehr Glück.“ Ollie lief um Matthew herum. Schnalzte mit der Zunge, blickte unter seinen Lendenschurz. „Hm. Ich weiß nicht. Sagen wir dreiviertel und wir kommen ins Geschäft. Du weißt, der Markt ist zurzeit überlaufen. Du wirst kaum einen besseren Preis für ihn bekommen.“ Matthew biss die Zähne zusammen. Wenn er könnte wie er wollte. Aber er wollte Leben. Er musste entkommen, um Mina und Nadja zu finden. Dafür würde er auch diese Erniedrigungen und alles andere auch überstehen. Das wichtigste war seine Familie.

„Na gut – machen wir einen Freundschaftspreis. Du bist ein guter Kunde. Dreiviertel ist ok.“ Sie schlugen ein und das Geschäft war besiegelt. Norman legte Matthew ein Seil um den Hals und schlug ihm auf die Schultern. „Gut mein Freund, ich denke wir werden uns nicht wieder sehen. Selbst wenn ich in deinen Augen sehe, dass du das gerne ändern würdest. Vergiss es. Du wirst mich niemals töten können.“ Ein erneuter Schlag auf die Schultern und Norman übergab Ollie die Leine.

***

Mina hatte sich ein Tuch um den Kopf gewickelt und Nadja auch. In einer Kammer haben sie Putzmittel gefunden. Es wurde Zeit ihr neues Zuhause bewohnbar zu machen. Sie waren ein weiteres Jahr gereist und hatten nach Hinweisen gesucht – erfolglos.  Sie standen am Eingang des Hauses. Jeder einen Eimer Wasser in der Hand und einen Schrubber in der anderen. Sie blickten sich an und nickten. Mina ging in die Küche und Nadja sollte sich ein Zimmer aussuchen und da anfangen. Entschlossen schob Nadja ihre Unterlippe hervor. Das machte sie immer wenn sie sich konzentrierte. Dann ging sie nach oben. Mina hörte sie einen Rundgang machen und dann im Zimmer, am Ende des Gangs mit dem schönsten Ausblick, herum räumen. Das Elternschlafzimmer lag entgegengesetzt. Aber erst war die Küche dran.

Stunden später trafen sich die beiden im Wohnzimmer. „Und? Bist du gut vorangekommen?“ Fragte Mina. „Oh ja. Das wird ziemlich schön werden. Jetzt brauche ich nur noch bisschen was weihnachtliches. Meinst du ich kann immer Weihnachten in meinem Zimmer haben?“ „Wenn du das willst. Es ist dein Zimmer. Aber dann ist es nichts Besonderes mehr, oder?“ Nadja überlegte. „Weihnachten ist immer was besonders. Aber ich überlege es mir noch.“ Damit drehte sie sich um und ging wieder nach oben. Sie trällerte wieder ein Weihnachtslied und hüpfte die Treppe hoch.

Ohne Nadja wäre sie schon längst am Ende gewesen. Sie hätte nie die Treffen mit anderen Gruppen überlebt. Ihr einziger Grund zu überleben war Nadja gewesen. Dafür hatte sie einiges über sich ergehen lassen.

Sie wandte sich wieder der Küche zu. Sie probierte den Herd. Es war ein altmodischer mit Holz zu befeuernder Herd. Da es ja kein Strom und Gas mehr gab, war das ein Glücksfall. Um sie herum wuchsen genügend Bäume, da würde es nie knapp werden.

In einer Woche war Weihnachten. Bis dahin wollte sie das meiste  erledigt haben. Bis dahin sollte das Haus weihnachtlich geschmückt sein. Gut, dass die vorherigen Besitzer so viel Dekoration angeschafft hatten. Das würde toll werden. Mina freute sich auf das kleine Stück Normalität, das sie sich zurück erobern würden. Sie hatten einiges an Vorräten sammeln können. Es würde zwar knapp werden, aber im nächsten Frühjahr würde sie die Beete anlegen. Ein einfaches Leben.

***

„Wie ist dein Name, Sklave.“ „Matthew.“ „Hör zu. Wir müssen jetzt erst mal hier heraus kommen und dann werden wir die Regeln festlegen. Ist das klar, Sklave?“ „Ja.“ „Das heißt: Ja, Master.“ Matthew hob die Augenbrauen. Das war wohl ein Scherz. Aber Ollie lächelte nicht und zwinkerte auch nicht. Er meinte das Ernst. Und zur Unterstützung dieser Ansicht zog er an Matthews Leine. „Ja, Master.“ Sagte er sarkastisch. Ollie bemerkte nichts und nickte zufrieden. „Du bist ein Prachtstück. Ich glaube ich werde für dich noch mal viel Geld bekommen. Es gibt viele einsame Frauen, die gerne einen solchen Prachtburschen in ihr Bett holen.“ Bei dem Gedanken, rieb er sich die Hände.

Ich muss hier verschwinden. Wie soll ich nur entkommen um meine Familie zu finden? Es muss auf dem Weg geschehen. Wenn ich erst in seinem Lager angekommen bin, werde ich verloren sein.  Matthew überlegte fieberhaft. Ihm fiel einfach keine Lösung ein. Für solche Situationen war er nicht vorbereitet. Wie soll man sich auch auf so was vorbereiten? Er schlappte hinter Ollie her. Als es dunkel wurde, machte er Feuer und kümmerte sich um den Fisch, den sie im See gefangen hatten. Ollie fesselte ihn an einen Baum. „Mach keinen Blödsinn. Von den Fesseln kannst du dich nicht befreien, also versuch es erst nicht. Das verunstaltet dich nur noch mehr.“

Matthew schluckte eine bösartige Bemerkung herunter und lies sich widerwillig fesseln.

Unbequem lehnte er an der rauen Rinde des Baums. Er versuchte das Seil am Stamm aufzureiben. Aber es war nicht möglich. Das funktionierte wohl dann doch nur in den Filmen. Er ließ die Schultern hängen und versuchte eine bequemere Position einzunehmen. Vielleicht konnte er doch etwas schlafen. Am Feuer lag Ollie und schnarchte laut. Wieder einmal verfluchte Matthew den Tag, an dem er unachtsam war. Hinter sich nahm er eine Bewegung wahr. „Pst. Bleib ruhig. Ich werde dich jetzt losschneiden. Dann steh langsam auf. Mach keine Geräusche. Ollie hat einen leichten Schlaf.“ Flüsterte der Schatten. Matthew verspannte sich. Konnte er dem Fremden trauen. Hatte er denn eine andere Wahl? Er flüsterte zurück. „Verstanden.“ Er spürte wie an den Fesseln gerissen und geschnitten wurde. Dann waren seine Hände frei. Er rieb sich die Handgelenke. Dann stand er so leise wie möglich auf. Immer ein Blick auf Ollie werfend. Langsam ging er Rückwärts. Er spürte einen Widerstand. Eine Hand legte sich in seinen Rücken und bremste ihn. „Jetzt dreh dich langsam um. Dort hinten ist ein dichtes Buschwerk. Das ist dein erstes Ziel. Wir treffen uns gleich dort.“ Matthew nickte. Er duckte sich und schlich zu der gezeigten Stelle. Erst als er im dichten Busch war, erlaubte er sich tief ein und auszuatmen. War das die Möglichkeit, die er schon so lange ersehnte? Oder kam er nur zu einer anderen, noch abartigeren Gruppe. Er tastete den Boden ab. Hier würde es bestimmt einen Ast geben, den er als Waffe verwenden könnte. Nochmal würde er sich jetzt nicht gefangen nehmen lassen. „So, hier bin ich. Lass das. Ich bin kein Feind. Ich bin ein Freund. Wir haben uns zu Aufgabe gemacht. Sklaven wie dich zu retten. Wir haben überall unsere Spitzel und die sagen uns dann wenn einer verkauft wurde. Wir haben schon viele gerettet. Willst du gerettet werden? Oder willst du dein Glück lieber bei Ollie versuchen? Halt dich still und du hast die Chance zu entkommen. Mach mir Ärger und ich schicke dich geradewegs zurück. Deine Entscheidung. Leg den Ast weg.“ Matthew zögerte. Es klang zu gut um wahr zu sein. Die Entscheidung fiel ihm nicht schwer. Was sollte schon groß passieren. Er könnte höchstens zum nächsten Sklavenhändler gebracht werden.  Also ließ er den Ast fallen. „Das war die richtige Entscheidung. Komm, wir müssen uns jetzt beeilen. Es wird bald dämmern und Ollie wird es nicht so toll finden, wenn seine fette Beute entwischt ist.

Fortsetzung folgt

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Projekt TXT – Das zwölfte Wort – Weihnachten 2 von 8

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Hoffen auf ein Weihnachtswunder

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  1. Kapitel

Was bisher geschah…. Während des Weihnachtsfest kam es zu einem Stromausfall. Matthew war gut vorbereitet und die kleine Familie konnte noch eine gewisse Zeit mit den Vorräten überleben. Aber diese gingen langsam zu neige. Immer weiter musste Matthew seine Runden ausdehnen. Bei einer dieser Runden wurde er gefangen genommen. Mina muss sich mit Nadja jetzt alleine durchschlagen.

An Anfang hatte Mina noch das Auto genommen. Es fanden sich viele Autos auf dem Weg. Aber mit den Jahren wurden sie weniger nutzbar. Die Batterien waren kaputt oder der Sprit verdorben. Aber das war kein Problem. Fahrräder gab es zu genüge. Alles besser als mit einem Kleinkind zu laufen. Nadja hat das Fahren schnell gelernt. Sie war ein sehr aufgewecktes Mädchen. Immer bedacht ruhig und vorsichtig zu sein. Das erleichterte die Flucht.

„Mami, meinst du der Weihnachtsmann wird uns finden, wenn wir immer unterwegs sind?“ „Schatz, natürlich findet er uns. Er ist ein magisches Wesen, er findet immer die Menschen. Und du bist so brav, da wird er sich viel Mühe geben, nach dir zu suchen.“ Sie nickte beruhigt und strampelte fröhlich weiter. Sie summte eines der Weihnachtslieder, welches sie von Mina gelernt hatte.

******

„Matthew?“ Er blickte mit geschwollenen Augen nach oben. „Ja?“ „Komm, dein neuer Besitzer ist da. Lass dich bisschen aufhübschen. Wir wollen ja nicht, dass du da hängst wie ein alter Sack. Er soll ja sehen, was für ein Prachtbursche du bist.“ „Und wie willst du meine Blessuren erklären?“ „Ach, das ist nichts Außergewöhnliches. Es unterstreicht nur, dass du an Bestrafungen nicht kaputt gehst.“ „Na toll.“ Er folgte Norman – die Prozedur kannte er schon. Er hatte aufgehört zu zählen, wie lange er schon hier war. Es mussten Monate sein. Er zog sich aus und stieg in die geflieste Duschkabine. Aber das Wasser kam nicht aus dem Hahn. Seit kein Strom mehr da war, gab es kein fließendes Wasser mehr. Norman übergoss ihn mit eiskaltem Wasser, und schrubbte ihm mit einem Schrubber am Stiel ab. Matthew, hatte aufgehört sich zu wehren. Es war weniger schmerzhaft und schneller vorbei. Er hatte begriffen, dass er keine Chance gegen die Leute von Nathan hatte. Wenn er Mina irgendwann wieder sehen wollte, dann musste er die Zähne zusammen beißen. Zum Glück hatten sie seine Familie nicht mehr vorgefunden. Sie hatte also den Plan eingehalten und war fortgezogen. Wenn er jemals frei käme, würde er jeden einzelnen Punkt aufsuchen, den er markiert hatte. In Gedanken  hatte er sie schon zigmal aufgesucht. Sie waren sein Anker um nicht durchzudrehen. Sein einziger Grund nicht aufzugeben. Sie würden irgendwann wieder zusammenkommen. Das hoffte er ganz fest. War Nadjas Geburtstag schon gewesen? Er wusste es nicht. Ein Schluchzen entwich ihm. „Ach Süßer – so schlimm wird es schon nicht. Wir werden dich auch vermissen. Hatten wir doch paar nette Stunden miteinander verbracht. Es ist immer schön der Erste zu sein. Das wirst du nie vergessen. Ich werde immer ein Teil deiner Gedanken sein. Matthew wollte sich auf ihn stürzen, aber er vergaß, dass seine Füße gefesselt waren. Schon landete er unsanft auf dem Boden. Ein grollendes Lachen entwich Norman. Er warf Matthew seine Kleidung hin. „Komm zieh dich an. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.

***

Als Mina mit Nadja flüchtete hielt sie sich anfangs genau an den Lageplan den Matthew entworfen hatte. Sie hoffte immer beim nächsten Treffpunkt auf ihn zu treffen. Ihre Hoffnung schwand von Ort zu Ort. Matthew hatte bewusst immer Friedhöfe ausgewählt. Dort würde keiner schauen. Keiner würde damit rechnen, dass jemand auf einem Friedhof Unterschlupf suchen würde. Er hat die sichersten Gruften ausgewählt und sie mit einem ausgemachten Zeichen markiert. Und er hatte immer eine kleine Menge an Vorräten dort deponiert. Nicht viel. Es sollte nur für eine Nacht maximal zwei Nächte reichen. Diesen Tipp hatte er von einem Russen, der im zweiten Weltkrieg der Verfolgung entgehen wollte. Er hatte ihm erzählt, dass sie Flüchtlinge immer auf den Friedhöfen Sicherheit fanden.

Es war kalt und ungemütlich in diesen Grüften. Aber Nadja war immer gut gelaunt. Sie erleuchtete diesen tristen Raum. Manchmal machte sie ein kleines Feuer um sich bisschen aufzuwärmen. Aber nur wenn es schon dunkel war, damit man den Rauch nicht sehen konnte.

Aber zu Weihnachten suchte Mina immer eine Wohnung. Zu Weihnachten wollte sie es immer gemütlich und traditionell haben. Das war ihr wichtig. Sie brauchte das für die Hoffnung.

Sie hatten mittlerweile, in den drei Jahren fast alle markierten Orte von der Karte aufgesucht. Aber Matthew war nie aufgetaucht. Es wurde Zeit sich einen sicheren Ort zu suchen und sich mit Nadja irgendwo nieder zu lassen. Sie waren an vielen verlassenen Bauernhöfen vorbei gekommen. Viele waren von den Straßen einzusehen. In den vielen Stunden die sie gelaufen, gefahren oder auch geradelt sind, hatten sie eine kleine Oase gefunden. Das war letztes Weihnachten. Dort hielten sie sich einige Tage auf.

„Mami, Mami. Schau mal was ich gefunden habe.“ Mina drehte sich zur Tür. Ihre süße kleine Tochter stand dort mit einem Stoffhasen. „Der ist ja toll. Nimm ihn mit. Er wird einsam sein hier.“ „Oh ja. Dann habe ich endlich auch einen Freund.“ Diese Worte machten Mina unsagbar traurig. Mit ihren sechs Jahren wirkte Nadja oft so erwachsen. Es tat ihr unendlich leid, dass sie keine Kinder in ihrem Umfeld hatten. Sie waren schon lange nicht mehr auf Überlebende getroffen. Drei Jahre waren sie jetzt schon unterwegs. Keine Spur von Matthew.  Dieses Haus war perfekt geeignet um sich nieder zu lassen. Allerdings waren noch einige Friedhöfe, die sie abklappern wollte. Die Hoffnung stirbt zu Letzt, sagt man doch.  Und sie machten sich noch ein letztes Mal auf um einen Hinweis auf Matthew zu finden.

Das war jetzt auch schon wieder ein Jahr her. Mina hatte Nadja zu sich heran gezogen. „Spätzchen. Kannst du dich an das schöne abgelegene Häuschen von letztem Jahr erinnern?  Dort hast du Edgar, den Hasen gefunden.“ „Oh ja, da war es schön. Gehen wir noch mal da hin?“ „Was würdest du sagen, wenn wir dort wohnen würden?“ „Meinst du Papa findet uns dort?“ „Ich werde ihm im letzten Grab eine Nachricht hinterlassen. Sollte er noch leben, wird er sie finden.“ Sie schaute bestürzt. Der Tod war nichts Ungewöhnliches in ihrem Leben. Sie hatten schon einige brenzlige Situationen hinter sich. Viele waren gefährlich und manche hätten sie fast nicht überlebt. Aber sie waren stark. Und auch jetzt raffte Nadja ihre Schultern und nickte. „Ist Okay. Wenn Papa noch lebt, wird der Weihnachtsmann bestimmt meinen Wunsch erfüllen. Und ihn zu uns führen.“ Mina zog Nadja in ihre Arme. Am nächsten Tag würden sie zu ihrer letzten Runde aufbrechen. Und nächstes Weihnachten würden sie ein neues Zuhause haben.

Fortsetzung folgt.

Action, Dystopie, Projekt TXT*

Projekt TXT – Das zwölfte Wort – Weihnachten 1 von 8

Das Projekt*txt wird gegenwärtig von Dominik Leitner und Katharina Peham betreut.

 

Was ist das Projekt *.txt?

Schnell erklärt soll das Projekt *.txt der Inspiration dienen. Einmal pro Monat wird ein Wort verkündet, zu dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Texte schreiben. Es gibt keinen Druck, etwas zu schreiben, kein Datum, bis wann die Texte da sein müssen … es soll also in erster Linie Spaß machen!

Folgende Geschichte enthält Gewaltszenen. Die Geschichte ist in acht Kapitel unterteilt.

Hoffen auf ein Weihnachtswunder

Eine unbekannte Katastrophe führt zu Stromausfällen. Die kleine Familie, Mina, Matthew und Nadja versuchen zu überleben. Dabei wird Matthew von Mina und Nadja getrennt. Mina versucht mit Nadja, ihrer kleinen Tochter zu fliehen und zu überleben. Dabei landen sie in einem Camp, in dem Frauen nur zur Zucht verwendet werden. Auch Matthew trifft auf üble Gestalten, bis die kleine Familie endlich wieder zusammen kommen, haben sie einige Jahre zu überstehen. Aber Nadja, das kleine tapfere Mädchen, hat einen unzerstörbaren Glauben an Weihnachten und den Weihnachtsmann. Sie hofft ganz fest auf ein Weihnachtswunder, das sie wieder zusammenführt.


Kapitel 1

Es war dunkel. Es war schon so lange dunkel. Strom gab es schon ewig nicht mehr.

Mina saß in einem Wohnzimmer. Nicht ihr Wohnzimmer. Das hatte sie schon ganz lange nicht mehr betreten. Es lag weit entfernt. Ein zu Hause gab es nicht mehr. Die Couch in der sie saß war gemütlich. Sie lud ein zum Verweilen. Sich mit einem guten Buch und paar Kerzen in eine Decke kuscheln in eine fremde Welt fliehen. Eine fremde Welt – sie würde sofort dorthin entfliehen. Hauptsache weg hier.

Tief in ihren Gedanken versunken, hielt sie die Fernbedienung in der Hand. Sie streichelte die Tasten. Wann hatte sie das letzte Mal eine ihrer Lieblingsserien gesehen? Sie wusste es nicht. Die Zeit war unwichtig geworden. Sie schaute hoch – ein riesiger Flachbildschirm zierte die Wand. Es war ein schönes Wohnzimmer. In der Ecke vor dem Fenster stand das Skelett eines Weihnachtsbaums. Die Beleuchtung lieferte schon lange kein heimeliges Licht mehr. Die Kugeln waren matt vom Staub und der Zeit. Unter dem Baum lagen noch immer unausgepackte Geschenke. Eine Erinnerung an alte, schönere Zeiten. Sie konnte in ihrer Erinnerung Kinderlachen hören und die gesungenen Weihnachtslieder. Und schon wieder war Weihnachten. Die Erinnerungen an vergangene Tage, drängten sich vehement auf. Gedankenverloren drehte sie an ihrem Ehering.

***

Nadja war ein Christkind. Sie wurde am Heiligen Abend geboren. Matthew und sie waren überglücklich. Dieses kleine perfekte Wesen.

Nadja war bei dem Vorfall drei Jahre alt. Matthew und Mina wollten ein kleines gemütliches Weihnachtsfest mit ihrem Geburtstag kombinieren. Am Heiligen Abend saßen sie gemütlich und beobachteten ihre Tochter mit ihren Geschenken. Dann kam der Stromausfall. Das Chaos auf den Straßen, war schon nach drei Stunden ohne Strom ausgebrochen. Die Leute plünderten die Geschäfte.

Die weihnachtliche Dekoration wirkte nun bedrohlich im Dunkeln. Zeugte von heuchlerischer Sicherheit. Das Fest der Liebe. Aber keiner liebte den Nächsten. Zum Glück war Matthew vorbereitet. Sie hatten Vorräte für mehrere Monate. Das Haus musste erst mal nicht verlassen werden. Sie konnten sich etwas Normalität vorheucheln und genossen die ruhige Zeit mit ihrer Tochter.

Dann waren die Vorräte aufgebraucht. „Schatz, ich werde mal sehen ob ich bei den Nachbarn was finde. Die Häuser stehen schon seit Wochen leer.“ „Oh Mat. Ich hab so Angst. Was, wenn dir etwas zustößt? Was sollen wir dann machen.“ „Es wird schon nichts passieren, hier war schon seit Monaten keiner mehr hier in der Straße. Ich bin gleich wieder da. Außerdem haben wir den Ernstfall doch geprobt. Wenn mir etwas geschieht, weiß ich dass ihr beide das schaffen werdet.“ Er umfasste Minas Gesicht mit seinen Händen und blickte ihr tief in die Augen. Sie nickte. Sie war vorbereitet. Matthew hortete schon einige Zeit Lebensmittel und andere überlebenswichtige Dinge. Sie hat es damals belächelt, aber jetzt war sie ihm dankbar.

Bei einem seiner Streifzüge kam er nicht mehr zurück. Sie wartete einige Tage. Nachts kletterte sie aufs Dach um zu sehen, wie die Umgebung sich verändert hatte. Überall konnte sie schwelende Brände sehen, aber selten sah sie  Menschen von Schatten zu Schatten zu huschen.

Sie hatte wahnsinnige Angst. Was sollte sie mit dem Kleinkind machen. Wie sollte sie überleben. Sie saß vor dem Bett ihrer Tochter. Die Kleine war einfach so hübsch.

Tränen liefen ihr über die Wange. Tränen der Trauer über den Verlust ihrer großen Liebe und vor Angst, wie sie ihre süße unschuldige Tochter schützen sollte.

******

Matthew verließ ihr sicheres Zuhause so ungern. Aber die Vorräte neigten sich dem Ende zu. Er musste gehen. Er küsste Mina und Nadja. „Ich bin bald wieder da. Macht hinter mir zu und kein Licht.“ Sie nickten. Er winkte zum Abschied. Das war das letzte Mal, dass er seine Familie gesehen hatte. Seine Ausflüge mussten immer weiter ausgedehnt werden. Alleine war das sehr mühsam. Er hatte angefangen sich der nächsten größeren Stadt zu nähern. Mehr Vorräte, aber auch gefährlicher.

Heute war er auch noch abgelenkt. Nadja hatte bald Geburtstag und er wollte etwas für sie besorgen. Deswegen achtete er auch nicht auf seine Umgebung. Ein großer Fehler derjenigen, die sich zu sicher fühlten. Als er die Geräusche hinter sich hörte, war es zu spät. Ein Schlag gegen den Kopf und er fiel bewusstlos hintenüber.

Als er seine Augen aufschlug schmerzte das grelle Licht in seinen Augen. Sein Kopf brummte und er hatte wahnsinnigen Durst. Seine Zunge fühlte sich an wie Watte. „Ah, die Prinzessin ist aufgewacht. Sag dem Boss Bescheid. Ich komme gleich mit unserem Fang nach.“ Matthew war verwirrt. Was war geschehen. Sein Blick wurde schärfer und er nahm seine Umgebung jetzt genauer wahr. Ein karger Raum. Nur ein Tisch und der Stuhl auf dem er gefesselt saß. „Wo…“ krächzte er. „Wo bin ich, was ist geschehen?“ „Du bist bei uns. Du bist in unser Revier eingedrungen und hast ungenehmigt gewildert. Das wird normaler weise mit dem Tode bestraft. Mit sofortiger Hinrichtung. Aber irgendwie hatte ich meinen Sozialen. Nathan soll über dich entscheiden.“ „Nathan?“ „Ja der Boss hier. Du wirst ihn mögen.“ Er lachte bösartig. Verdammt. Er war sich zu sicher gewesen. Hätte er doch die Stadt nur gemieden. „So, auf Prinzessin. Bewege deinen Hintern. Der Boss will dich sehen.“

„Wie heißt du?“ „Stimmt, wir haben uns ja noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Norman. Die rechte Hand des Bosses. Also stell dich besser gut mit mir, wir werden viel, viel netten Kontakt haben.“ Er unterstrich seine letzten Worte mit einem Tritt gegen Matthews Knie. Er stöhnte auf und biss sich auf die Lippen. „Wie ist dein Name, Prinzessin?“ „Matthew.“ Quetschte er gepresst hervor. „Mattie. Schön, dann beweg dich. Nathan wartet nicht gerne.“

**********

Matthew hatte versprochen nie länger als eine Woche weg zu bleiben. Sie hatten abgemacht, dass sie dann ihre Sachen nehmen und aufbrechen sollte. Auf einer Karte hatten sie einige Punkte markiert, die Matthew im Laufe der Zeit besichtigt hatte. Sie holte die Karte und plante ihren Weg. Morgen wollte sie aufbrechen. Eine Notiz würde Matthew zeigen, dass sie noch lebten und weiter gezogen waren. Das war ihr Plan. Jetzt war es soweit. Sie musste aufbrechen. Seufzend ging sie schnell ihre Rucksäcke durch.

*******

Matthew stolperte mehr, als er lief. Norman lief hinter ihm und stieß ihn ständig mit dem Gewehr in den Rücken und gaggerte. Dann endlich standen sie vor einer Tür. Norman klopfte und sie öffnete sich. „Norman, ist unser Gast endlich erwacht. Bring ihn her.“ Eine tiefe, raue Stimme war zu hören. Matthew bekam eine Gänsehaut. Die Stimme klang kalt und berechnend.

„Komm her Neuer. Lass dich anschauen, ob du gute Ware bist.“ Norman schubste Matthew und er stolperte nach vorne. „Ja, das sieht gut aus. Für dich werden wir einen guten Preis bekommen.“ „Bitte, lasst mich gehen. Ich hab eine Frau und eine kleine Tochter, die mich brauchen.“ „So, so. Norman, wie wäre es mit einer Familienzusammenführung? Wo ist deine Familie?“ Zu spät bemerkte Matthew seinen Fehler. Wie konnte er nur seine Familie erwähnen? „Antworte.“ Fauchte Norman. „Nein, auf keinen Fall.“ „Ach, rebellisch? Das werden wir ändern. Der Kunde will keinen Rebellen. Also Norman, du weißt was zu tun ist. Mach ihn gefügig.“ „Aber gerne doch. Es gibt so einige, die mal wieder bisschen Spaß gebrauchen können. Die Moral muss wieder bisschen angehoben werden. Wenig Frischfleisch die letzte Zeit gehabt. Komm Prinzessin.“

*******

Fortsetzung folgt

Action, Projekt TXT*, Tiere

Das elfte Wort | 2018 – Nein – Tödliches Campen

Das elfte Wort von Projekt TXT lautet dieses mal NEIN

Diese Geschichte entstieg einem Traum. Und zwar hatte ich einen seltsamen Traum mit einer Schneisse zu einem Bunker in dem Tierspuren zu sehen waren in einem Grauen Sand. So wie ich es beschrieben hatte. Nur die Nebenszenen hatten was mit meiner Arbeit zu tun…Seltsamer Mix. Aber das Bild hat mich verfolgt und so ist diese Story entstanden….Achtung – mal wieder blutig. 


Eine Gruppe Studenten will sich vom Unistress erholen und planen einen Campingausflug. Es verschlägt sie auf ein ehemaliges Miltärübungsgebiet mit vielen Bunkern und seltsamen Spuren. In der Nacht merken sie, dass sie nicht alleine auf diesem Gelände sind. Etwas will nicht, dass sie sich dort aufhalten. Der einzige Weg zum Überleben ist der Kampf.


Irgendwie war das eine komische Idee gewesen. Mark wollte unbedingt mal was anderes. Den Uni-Stress mal ablegen und offline gehen. Wir hatten die letzten Monat nur gelernt und Praktika  absolviert. Hausarbeiten und Referate. Wir standen alle kurz vor einem Burn Out.

„Campen. Äch. Neee – warum nicht in irgendeinen tollen Spa? Sich verwöhnen lassen. Massieren, Hot Stone, Klangmuschel?“ Fragte Camille. „Ich brauch was Bodenfestes. Etwas was mich wieder erdet und mir zeigt, dass ich den richtigen Weg eingeschlagen habe. Diese ganze Lernerei und für was? Dass ich noch Jahrelang einem Prof den Kaffee vortragen kann und seine Sekretärin spielen darf?“ Antwortete Mark. „Nein – ich brauche frische Luft, Sonne und Freiheit. Wenn du nicht mitwillst- Wir Männer können auch gut einen Männertrip machen, hä Jungs?“ Im Hintergrund hörte man die Jungs Beifallklatschen. „Siehst du, wir brauchen keine Frauen, geht ihr nur schön ins Spa.“ Meinte er höhnisch.

„Nein – ich will nicht in ein Spa.“ Meinte ich. „Ich brauch auch was Waschechtes. Dreck, Grillen, Bier, Gespenstergeschichten am Lagerfeuer. Für mich kein Spa. Tut mir leid Camille.“ „Pah – na gut, dann wälze ich mich halt in einer Wildschweinkuhle, dann hab ich auch mein Schlammbad.“ Schmollte sie. „Super. Wer kommt noch mit?“ „Ich, Jan, Patrick und Wolle. Bei euch Mädels?“ „Camille, ich, vielleicht bekomme ich noch Maritta und Anita an den Start, die könnten auch mal Abstand gebrauchen. Dann wären wir zu acht. Haben wir so viel Platz?“ „Platz? Wir sind in der freien Natur – wenn die nicht genug Platz für uns hat…..Morgen um acht Uhr geht es los. Seid pünktlich Andrea – und ungeschminkt. Hahaha“. Ich zeigte ihm den Stinkefinger und streckte ihm die Zunge raus.

Bis ich euch die Geschichte weiter berichte, stelle ich uns kurz vor. Wir sind Studenten. Alle aus verschiedenen Bereichen, die sich in einem Kurs – Statistik – treffen. Das ist ein Fach, das nun wirklich keiner braucht. Wie sagte der Prof? Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Toll, oder. Das ist auch nicht unbedingt mein stärkstes Fach. Aber wir sind uns alle einig – in der Situation in der wir uns bei unserem Trip befanden, hätte kein Studienzweig etwas gebracht – keiner studierte etwas Brauchbares. Es war BWL, Literatur, Kunst, Rechtswissenschaft dabei. Also nichts was uns hätte retten können. Ich will schnell weiter machen, damit ich zur eigentlichen Story kommen kann.

Also wir waren zu acht. Ich, Andrea, Camille, meine beste Freundin, die leider etwas zu verwöhnt ist. Maritta und Anita kenne ich eigentlich eher aus der Mensa. Wir haben sonst keinen großen Kontakt. Sie gehören eher zu den Jungs. Die Jungs – das sind Mark, den ich echt mag, Jan – kenne ich kaum. Patrick ist einer der netten und Wolle ist ein Schwätzer. Das könnte schon bisschen anstrengend werden. Aber wie Mark schon sagte – die Natur hat genug Platz um sich auch aus dem Weg gehen zu können. Wir trafen uns also am nächsten Tag um acht Uhr. Mehr oder weniger Fit. Steigt mit ein und beobachtet.

Wir fuhren mit zwei Bullis. Mark und Jan hatten sie aufgetrieben. Keine Ahnung wo her. Aber wir hätten alle darin schlafen können. Im Notfall. Aber das hätte ja keiner wissen können, dass tatsächlich einer eintreffen würde.

Wir waren krass drauf, für Studenten des digitalen Zeitalters. Für die Anzahl der Tage, die wir nicht festgelegt hatten, ließen wir unsere Handys zu Hause. Großer Fehler. Dieser Offlinewahn, den Mark predigte kostete einige Leben. Vielleicht hätte es anders ausgehen können, wenn wir ein SOS hätten los schicken können.

„Hei – mach mal passende Musik – Beach Boys oder so, etwas für die Stimmung.“ Blökte Maritta von hinten. Mark fuhr den ersten Bus. Der zweite Bus wurde von Jan gefahren. „Wo wollen wir eigentlich hin?“ Fragte ich Mark. „Noch haben wir kein Ziel. Es sind Ferien und wir sind ungebunden. Wir fahren bis es dunkel wird. Dann werden wir uns ein Plätzchen suchen.“ Ich ließ mich hinten auf die Bank nieder und schnappte mir ein Buch. Endlich mal wieder einen Roman lesen – das vergisst man während der Uni-Zeit total. Ich war ziemlich vertieft als der Bus zum Stehen kam. „Pinkelpause, Leute und vielleicht eine Kleinigkeit essen.“ Ich streckte mich – meine Muskeln waren etwas eingeschlafen, ich genoss es endlich mal auszusteigen. Wir waren auf einem Rastplatz. Es war überhaupt nichts los. Wo waren wir? „Ich weiß nicht. Jan hat mich vorhin überholt und ich bin ihm einfach nachgefahren. Kein Plan, wo wir hier sind. Aber es ist ziemlich abgelegen.“ Das sah ich. Aber das war ok. Einsamkeit war ja das was wir suchten.

Nach paar Minuten Pause fuhren wir weiter. Bis es dämmerte. Mark fuhr auf einer Schotterpiste hinter Jan her. Bestimmt eine halbe Stunde später kamen wir dann zum Halten. „Wir sind da – hier wird heute geschlafen.“ Ich stieg aus. Es war noch hell genug um sich etwas umzuschauen. Es war ein seltsamer Ort. „Wo sind wir hier, Jan?“ „Ich weiß nicht, ich glaub hier hatten die Amis früher ihren Truppenübungsplatz.“ „Na ja, schön ist anders. Sind das da hinten Bunker?“ Wolle drehte sich zu dem von mir gezeigten Platz um. „Ja – das sind Bunker – da können wir uns nachher noch einquartieren. Das wird doch cool. Ein Pfeifchen und dann in einem gruseligen Bunker die Nacht verbringen – ultimativer Kick.“ „Nein Danke.“ Meinte Camille – da hab ich ja mal gar kein Bock drauf.“ „Komm sei kein Frosch.“ Sagte Mark. Und ich kleines verliebtes Huhn nickte wie eins. „Ja Camille, komm, das wird bestimmt lustig.“ Sie blickte mich bittend an. Ich wusste, dass sie eigentlich ungerne in dunkle geschlossene Räume geht. Und es war wohl kaum davon auszugehen, dass es dort Fenster gab. Aber da sie mir vertraute, stimmte sie zu.

Am nächsten Tag starteten wir gemütlich. Wir erkundeten das Gebiet. Es war schon aufregend. Wir fanden alte Schiessstände an denen noch die Ziele hingen – sie waren schon teilweise zerrissen und verrottet, aber die Einschüsse waren gut erkennbar. Dann kamen wir zum Drillplatz. Die Wand – die berühmte, die man immer in den Filmen sah. Ich konnte nicht widerstehen. Ich rannte und klatschte scheiternd an diese besagte Wand. Also ich blamierte mich fürchterlich. Mark nahm Anlauf und überflog sie fast. So kam es mir jeden Falls vor. Ich glaube ich idealisierte ihn ein kleines bisschen. Aber wenigstens scheiterten die anderen Mädels auch. Sogar Wolle scheiterte. Zum Glück.

Wir landeten alle lachend vor der Wand und zogen uns gegenseitig auf. Am späten Nachmittag gingen wir zum Bunker. Eigentlich war mir das auch schon zu spät. Er wirkte schon gruselig. Verfallen, obwohl er aus massiven Platten errichtet war. Irgendwie haftete ihm etwas Unheimliches an. In den Ritzen wuchs Unkraut – aber am Boden war alles frei von Grün. Es führte eine Einfuhrschneise vor ein riesiges Tor. Ich denke, dass dies für Panzer gedacht war. Diese Schneise war mit einer Art grauen Sand ausgestreut. Und in diesem Sand konnte man Tierspuren erkennen. Ich bückte mich und hielt meine Hand dagegen. Sie wirkte klein dagegen. Was für ein Tier war das? „Ich glaube das sind Hundespuren?“ „Nein – das sieht anders aus. Ich glaube das sind Löwenspuren.“ „Löwen, vielleicht hat mal ein Zirkus hier campiert?“ „Vielleicht.“ Murmelte ich. Aber irgendwie sahen mir die Spuren viel zu frisch aus. Jan ging zur Tür runter, ich folgte ihm. Auf dem Absatz befand sich ebenfalls dieser graue Sand und in diesem Sand war ein perfekter Abdruck. Aus dem Bunker heraus. Man konnte es genau erkennen. Wir blickten uns an. „Meinst du hier wurden mal Löwen gehalten?“ „Nein, das macht kein Sinn. Das war bestimmt ein Zirkus.“ Meinte er. Mich schauderte es. „Lass uns zu den anderen zurückgehen Den Bunker können wir auch morgen erkunden. Ich hab keine Lust mehr heute.“ „Ja – geht mir auch so. Lasst uns ein Lagerfeuer machen und was grillen. Ich bekomme Hunger.“ Jan rannte zu den anderen. Ich folgte ihm langsam. Dann blieb ich ruckartig stehen. War da gerade ein Geräusch? Kam aus dem Bunker ein Geräusch. Konnte man da überhaupt etwas hören? Ach, du bildest dir was ein, Andrea. Zuviel Fantasie. Und ich ging etwas schneller zu den anderen, als ich es ursprünglich vorhatte.

Wir hatten einen schönen Abend. Jeder erzählte eine Anekdote aus der Uni. Irgendwelche Fehler, die einem während der Praktika oder Referate passierten – und auch Professoren wurden auseinander genommen. In jedem Fachbereich gab es immer einen, der irgendwie seltsam war. Überheblich oder Schräg.  Es war wirklich sehr amüsant. Wir tranken alle etwas zu viel und als es Zeit wurde sich in die Zelte zurückzuziehen, gab es einige Zusammenschlüsse.  Camille ließ sich von Jan entführen. Maritta  ging mit Patrick. Nur ich, Mark, Wolle und Anita blieben zurück. Ich blickte schüchtern zu Mark. Ich hätte nichts dagegen – aber so richtig wollte ich auch nicht. Nein – das wäre mir doch zu schnell – also sprang ich auf und wollte schnell in mein Zelt. Aber ich hatte doch bisschen zu viel getrunken und schwankte stark. Mark sprang schnell auf um mich zu halten. „Geht es?“ „Mhm – ja danke.“ Murmelte ich. Er ließ mich trotzdem nicht los und brachte mich zu meinem Zelt. „Gute Nacht, Andrea.“ Meinte er und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Ich fühlte mich wie ein Teenager – meine Hand wanderte auf die geküsste Stelle und ich wurde rot und glücklich. Er mochte mich.

Ich zuckte zusammen – da war wieder das seltsame Geräusch, das ich am Bunker gehört hatte. Ich drehte mich einmal schnell um mich herum und versuchte den Schwindel zu ignorieren. Schnell schlüpfte ich in mein Zelt. Schloss den Reisverschluss und schlüpfte in meinem Schlafsack. Jetzt wäre ich froh, Mark wäre mit in mein Zelt geschlüpft. Ich hatte bisschen Angst alleine. Ich rollte mich zusammen und versuchte mit zusammengekniffenen Augen einzuschlafen.

Es gelang – ich schlief ein – aber ein Geräusch weckte mich – oder war es meine Blase – ich konnte es nicht nachvollziehen. Aber definitiv – meine Blase war voll. Bier. Ja Bier trieb – das hätte ich wohl doch vorher bedenken sollen. Ich überlegte wie lange ich es wohl aushalten würde. Ich kam zu dem Schluss – nicht lange. Vorsichtig befreite ich mich aus dem Schlafsack und zog leise den Reisverschluss des Zeltes auf. Ich lauschte. Ich hörte meine Ohren rauschen. War das mein Blut?

Ich griff nach der Taschenlampe, die ich am Eingang deponiert hatte. Ich schaltete sie an und leuchtete durch die Gegend – im Dunkeln wirkte das hier so unheimlich, das ich wirklich noch mal überlegte, ob ich wirklich herausmusste. Aber es half nichts – ich musste. Leise schlich ich an den Rand der Zelte – ich wollte einfach nicht zu weit weg gehen – mir egal, dass ich fast in unser Camp pinkelte. Scham war in meinen Augen nicht wichtig.

Da – schon wieder – ein Geräusch. Während ich immer noch in gebückter Haltung verharrte, hörte ich was. Ein Reisverschluss. Ich atmete aus. Ich stand auf und blickte mich um. Patrick kam aus seinem Zelt. Er kratzte sich und blickte sich um. Dann sah er mich. Er winkte und torkelte in die andere Richtung. Da musste wohl noch jemand sein Bier loswerden.

Ich schmunzelte. Und stutze. Ich hörte ein plumpsen. Patrick war wohl umgefallen. Aber ich hörte auch ein wimmern. Dann kam der Schrei. Ich stolperte rückwärts. In den anderen Zelten gingen die Lichter an. Wolle und Mark waren die ersten, die ihre Zelte verliesen. Um das Camp sah ich Schatten. Irgendwas umkreiste unser Camp. Ich rannte wieder zurück. Stellte mich zu Mark und Wolle. Aus den anderen Zelten kamen Jan, Camille, Anita und Maritta. „Was ist hier los.“ Fragte Camille verschlafen. „Geh zurück und zieh dir eine Hose an – hier stimmt was nicht und du wirst gescheite Kleidung brauchen. „Fauchte ich ihr zu.  Sie stand in einem Shirt und Höschen vor mir und blickte mich verständnislos an. Mein Blick musste sie so verunsichern, dass sie schnell ihre Hose und Schuhe aus dem Zelt holten und sich anzog. Dann nahm ich sie bei der Hand. Ich wollte sie nicht loslassen. Sie war in diesem Moment mein Anker. Die Männer hatten sich zusammengestellt und blickten noch leicht betrunken aus dem Kreis heraus und versuchten etwas zu erkennen. Ich war die einzige mit einer Taschenlampe. Ich versuchte zu leuchten – aber  der Lichtkegel war nicht stark genug. Er ging nicht bis hinter die Zelte. Immer noch konnten wir nur Schatten erkennen.

Wieder hörten wir den Schrei – dann wurde aus dem Schrei ein gurgeln und dann Stille.

Maritta und Anita fingen an zu wimmern. Ich merkte, dass auch Camille anfangen wollte. „Reis dich zusammen – wir brauchen unsere Konzentration. Lass das die anderen beiden erledigen. Das hier ist nicht nur ein Fake – hier ist irgendwas Tödliches. Und ich glaube ich weiß auch was, oder denke es.“ Ich ging zu Jan. „Jan – kannst du dich an die Spuren am Bunker erinnern? Ich glaube da lebt noch was drinnen, das hier um uns herum läuft.“ „Was? Meinst du Löwen?“ „Ja.“ „Du spinnst doch. Wo sollen die denn herkommen?“ „Aus dem Bunker, du Idiot. Wir sind auf Militärgelände der Amis. Wir wissen doch, dass die immer Experimente durchgeführt haben.“ „Oder irgendein Zirkus hat seine Tiere hier entsorgt, dann sind das altersschwache Viecher.“ „Ich weiß nicht.“ „Doch bestimmt. Nur alte Tiere greifen Menschen an.“ Ich zweifelte immer noch, als Mark zu uns kam. „Was ist los?“ Ich unterrichtete ihn über unseren Fund und unsere Theorien.

„Löwen? Ich weiß nicht. Das klingt bisschen zu sehr nach Hollywood.“ „Na klar, die Amis waren ja auch hier.“ Erwähnte ich bisschen angesäuert, weil er mir nicht glauben wollte. Was sonst hatte wohl Patrick erledigt? „Wie kommst du drauf, dass Patrick tot ist? Vielleicht ist er nur unglücklich gestürzt und hat sich den Schädel in seinem Suffkopf angehauen?“ Das war natürlich auch eine Option. Aber ich glaubte nicht dran. „Und was schleicht um das Camp?“ „Füchse? Wildschweine? Was weiß ich?“

„Ach.“ Meinte ich mit einer wegwerfenden Handbewegung. Ich stand auf und ging zu Camille. „Hör zu. Hier stimmt was nicht. Wir müssen zusammen bleiben. „ Sie blickte mich verunsichert an und schaute zu den Männern. „Sollten wir nicht zu ihnen gehen? Sie können vielleicht helfen – sie sind immerhin stärker als wir.“ Ich blickte mich ärgerlich zu den beiden Männern um. „Nein, die glauben mir nicht. Aber wir werden angegriffen.“ „Andrea – ich weiß, dass du immer gleich das Schlimmste annimmst – aber vielleicht ist es auch nur der Alkohol, der aus dir spricht?“ Mein Kopf ruckte zu ihr um. Meine beste Freundin hielt mich für überzogen? Ich war  vorsichtig. Vielleicht zu misstrauisch – aber nicht hysterisch. Im Gegenteil. Ich war die Ruhe selbst. Ich krabbelte in mein Zelt und wühlte in meinem Rucksack. Ein Messer – wo war mein Messer. Ich ging nie ohne Messer aus dem Haus. Ok – das klang jetzt doch bisschen hysterisch – aber Leute – die Situation in unserem Land ist nicht ohne – da kann Frau auch mal ein Messer zum Selbstschutz haben, oder? Ah hier – und das Pfefferspray war auch da. Wie gut – es war ja zur Tierabwehr. Sonst durften sie es ja nicht verkaufen. Passt doch.

Während ich im Zelt wühlte, hörte ich erneut Schreie. Eine Frau – schnell schälte ich mich wieder raus. „Camille?“ „Ich bin hier – ich weiß nicht wer das war. Maritta oder Anita – ich kenn ihre Stimmen noch nicht. Ich spurtete in die Richtung aus der der Schrei kam. Da stand Maritta. Sie hatte die Arme um sich geschlungen und war in die Hocke gegangen. Sie wippte aufgewühlt vor und zurück. „Maritta, Maritta? Was ist los?“ schrie ich sie an. Sie reagierte nicht. Ich knipste die Lampe an und leuchtete nach vorne. Da – eine Spur – der Boden war aufgewühlt. Und eine Schleifspur verlies den Platz. Ich rannte hin – in der einen Hand das Messer, in der anderen die Lampe und verfluchte mich, dass ich nicht an die Stirnlampe gedacht hatte. Blut – die Schleifspur war voll Blut. Und dort? Ich musste würgen. Im Staub lag ein Arm. Ein Frauenarm. Die Männer kamen angerannt. Jan, Wolle und Mark. Ich deutete aufgeregt auf die Stelle mit dem Arm. „Ein Fuchs? Ein Wildschwein? Machen die so was? Ich glaube kaum. Das hier war ein Raubtier. Und kein kleines?“ „Vielleicht ein Wolf?“ Meinte Mark. „Nein, das glaube ich nicht – schau dir die Spuren an – das sind keine Wolfsspuren. Die sehen anders aus. Da kann man keine Krallen im Abdruck sehen. Das hier sind nur Fußballen. Ich sage euch, das sind Löwen. Hört mir doch zu.“ Alle blickten mich entgeistert an. Ich nahm einen Schatten von rechts wahr. Bevor ich eine Warnung ausrufen konnte, sprang der Schatten. Im Sprung schnappte er sich Wolle. Dieser Löwe war riesig. Das war doch kein normaler Löwe. Die anderen drehten sich schnell um und schnappten nach Luft. Sofort gerieten sie in Panik. „Wartet, wartet. „ Schrie ich. Bleibt doch zusammen. Sonst…“ und schon hörte ich den nächsten Schrei. Wieder eine Frau. „Camille? Camille?“ „Andrea.“ Hörte ich sie schluchzend schreien. „Ich bin hier – zwischen den Zelten. Was war das. Ich….Ahhhh“ Mir gefror das Blut. Irgendwas hatte Camille angegriffen. Ich rannte zu der Stelle, die sie mir genannt hatte. Dort lag sie. Sie hatten sie nicht mitgenommen. Warum? Aber da sah ich ihn – ein majestätisches Tier. Den Namen König der Tiere hatte er wahrlich verdient. Ich rannte auf ihn zu. Fuchtelte mit den Armen und schrie. Ich schrie, bis ich fast heiser wurde. Der Löwe blickte mich irritiert an und ließ von Camille ab. Er drehte sich weg und verließ den Platz. Schnell rannte ich zu Camille. „Camille? Camille?“ Ich schüttelte sie sanft. Im Schein der Taschenlampe konnte ich sehen, dass sie eine tiefe Wunde am Oberschenkel hatte. Was ich erkennen konnte,  zum Glück war nicht die Hauptschlagader betroffen, da es zwar heftig, aber nicht sprudeln blutete. Ich zog mein Shirt aus und schnitt es mit dem Messer in Streifen. Schnell machte ich einen unbeholfenen Verband. Dann schnappte ich mir ihren Gürtel und legte noch einen Druckverband an. Ich hoffte das würde die Blutung erst mal stillen. Dann nahm ich sie von hinten unter den Armen und zog sie weiter in den Schatten. Ich wusste nicht, wie ich sie verbergen sollte – aber erst mal weg vom Tatort. Währenddessen schaute ich ob ich Mark oder Jan irgendwo sah. Nichts. Sie hatten uns alleine gelassen. Was Helden. Gut – jeder also für sich. Kein Problem. Das würde ich schaffen, hoffte ich.

Ich startete einen Versuch die verbleibenden Männer zu finden. „Mark? Jan? Wo seid ihr? Camille ist verletzt. Ich könnte eure Hilfe gebrauchen.“ Nichts. Waren sie schon gefressen worden? Hatte ich ihre Schreie überhört, da ich mit Camille beschäftigt war? Ich wusste es nicht. Camille war ohnmächtig. Das war nicht gut. Besser wäre es, sie könnte laut schreien um die Löwen zu verunsichern. Ich musste sie ins Auto bringen. Da wäre sie sicher. Wieder schnappte ich sie unter den Armen. Ich zog sie rückwärts Richtung Auto. Sie stöhnte, ich stöhnte. Ich blieb stehen und lauschte. Nichts. Sie machten keine Geräusche beim Jagen. Da, da war eins der Autos. „Bitte, bitte sein nicht abgeschlossen.“ Betete ich. Ich kam an die Tür, zog am Türgriff – zu. „Warum? Warum habt ihr hier draußen denn abgeschlossen? Wer soll denn das Auto klauen, ihr Idioten.“ Schrie ich verzweifelt. Ich ließ Camille liegen und rannte ums Auto herum. Vielleicht war eine der anderen Türen offen? Nein. Wo war das andere Auto? Ah, da. Schnell rannte ich hinüber. Auf halben Weg spürte ich ihn. Einer der Löwen stürmte auf mich zu. Ich blieb stehen. Ich drehte mich zu ihm. Auf einmal wurde ich ganz ruhig. Alles kam mir wie in Zeitlupe vor. Ich erkannte wie der Löwe zum Sprung ansetzte. Ich hob meinen Arm, machte eine Faust und schlug zu. Ich traf. Ich traf! Ich war überraschter als der Löwe. Ich hatte ihn mitten auf die Stirn getroffen. Zwischen den Augen. Er schüttelte den Kopf und entfernte sich von mir. Fragt nicht, ich konnte meine Hand nicht mehr spüren. Sie war taub – war sie noch da, oder hatte er sie abgebissen? Ich konnte es nicht sagen. Kurz danach setzte der Schmerz ein. Ich glaube, ich hatte mir was gebrochen, aber egal. Erst mal konnte ich zum anderen Auto weiter sprinten. Auch hier versuchte ich alle Türen. Auch alle abgeschlossen. Das konnte doch nicht wahr sein. Ich drehte mich zu Camille um. Was sollte ich nur machen? Ich stand zwischen den beiden Autos und wusste nicht weiter.  Wenn ich die Scheiben einschlug, wäre es kein Schutz mehr –Kurzschließen konnte ich nicht – ich brauchte also sowieso einen Schlüssel. Ich musste einen der Männer finden. Mark oder Jan, das war mir gerade egal. Tod oder Lebendig, war mir auch egal. Sie hatten uns schließlich im Stich gelassen. Ich ging zurück zu Camille. Ich zog sie unter das Auto. Es war ein Versuch. Die Löwen konnten sie erreichen, aber nicht ohne Schwierigkeit. Das war erst mal das wichtigste.

Ich schlich mich in die Richtung der Zelte. Am liebsten hätte ich den Atem angehalten. Ich konnte mich laut atmen hören und mein Herz schlug wie ein Schlagzeug. Für die Löwen musste ich aussehen wie ein phosphoreszierendes Fresschen. Ich war mir sicher, dass ich auch hätte normal laufen können. Denn die Löwen sahen und hörten mich. Da hatten sie mir einiges voraus. Ich konnte nämlich keinen von ihnen entdecken. Dann hörte ich Schritte. Mark. Ich konnte ihn sehen, er kauerte sich hinter das Zelt von Maritta. Und daneben kniete Jan. Ich atmete auf. Sie waren doch noch da. Ich winkte ihnen. Sie winkten zurück. Ich rannte geduckt zu ihnen, und kam mir total lächerlich vor. Die Löwen spielten Katz und Maus mit uns. „Hei, warum habt ihr Idioten die Autos abgeschlossen?“ „Gewohnheit.“ Meinte Mark. „Camille ist schwer verletzt. Ich will sie im Auto in Sicherheit bringen. Gebt mir einen Schlüssel.“ Die beiden schauten sich an. Ich konnte gerade erkennen, wie der Groschen fiel. Die Autos. Nicht zu fassen, dass sie nicht selbst drauf gekommen waren. „Gebt mir einen Schlüssel.“ Forderte ich. Ich hatte etwas beängstigendes im Auge der beiden aufblitzen sehen. Sie würden uns hier lassen. Ich konnte es erkennen. Fast riechen. „Jan! Gib mir den Schlüssel.“ Ich stand vor ihm und hatte das Messer in der Hand. Er blickte mich nicht mal an. Und dann sprangen die beiden auf und rannten los. Ich fluchte und hängte mich an ihre Fersen. Aber ich war viel zu langsam. Nein, nein, nein. Sie durften nicht an die Autos kommen. „Jan! Mark! Bitte. Lasst uns nicht im Stich. Gebt uns eine Chance, lass den Schlüssel da.“ Rief ich verzweifelt.

Ich hörte ein Schnaufen hinter mir. Ich blieb sofort stehen. Drehte mich um und blickte in die Augen des nächsten Angreifers.  Ein wunderschönes Tier mit prächtiger Mähne stand mir genau gegenüber. Ich tastete in meiner Hosentasche nach meinem Pfefferspray. Langsam zog ich es hervor. Langsam hob ich meinen Arm und drückte das Spray. Ich erinnerte mich an die Infos und schloss sofort meine Augen, um nicht selbst was davon abzubekommen. Ich hörte das schmerzvolle und wütende Gebrüll des Löwen. Noch immer mit geschlossenen Augen, warf ich mich zu Boden und rollte mich weg. Im Hintergrund hörte ich wie die Männer sich anbrüllten. „Schnell, Mark schließe die scheiss Tür auf. Mach schon, komm gib her.“ Dann hörte ich ein Gerangel und ein klimpern. Der Schlüssel war auf den Boden gefallen. Ich konnte eine gewisse Genugtuung nicht verhindern. Hektisch fielen die beiden über den Schlüssel her und behinderten sich gegenseitig. Sie bemerkten nicht, wie sie dabei umzingelt wurden. Erst Mark hörte auf sich um den Schlüssel zu bemühen. Während Jan ihn beiseite schubste um den Schlüssel aufzuheben, hatte Mark schon registriert, dass sie keine Chance mehr hatten. In dem Moment, als Jan versuchte den Schlüssel aus dem Bund zu entwirren, stürzten die Löwen auf sie zu. Mark sprang auf und versuchte zu flüchten. Aber er hatte keine Chance. Auf seinem Rücken landete ein mächtiger Löwe. Er begrub Mark unter sich, und ich konnte nur noch die Angst und Hilflosigkeit in seinen Augen erkennen. Jan kämpfte noch und schlug sich tapfer – aber er hatte keine Chance. Er wurde regelrecht zerfetzt. Ich wendete meinen Blick ab. Jetzt lag es an mir. Ich brauchte immer noch den Schlüssel.

Camille lag noch unter dem Fahrzeug. Direkt neben ihr wurden die beiden Männer gefressen. Ich war froh, dass sie ohnmächtig war. Es war ein grausames Bild und die Geräusche waren eklig. Wenn ich nicht gerade unter Adrenalin stehen würde, wäre ich zusammengebrochen. Aber das konnte ich mir nicht erlauben. Ich wollte überleben. Ich musste also abwarten, bis die Löwen fertig waren. Ich drehte mich um. Langsam entfernte ich mich von diesem grausamen Szenario. Sollte ich zu dem Bunker gehen. War ich da sicher, gab es da irgendwas zur Abwehr? Ich könnte mir vorstellen, dass dort Waffen wären. Aber ich konnte eh nicht schießen. Und wer weiß, wie viel Löwen dort noch drin waren. Nein. Jetzt wünschte ich, wir hätten die Handys nicht zu Hause gelassen. Ich zog mich in den Schatten der Bäume zurück und wartete. Ich beobachtete. Am Rande der fressenden Gruppe konnte ich einen weiteren Löwen erkennen. Er war grösser als die anderen, und die waren schon wirklich groß. Er beobachtete. Er überblickte die Gegend. Und dann sah er mich. Ein Brüllen entwich ihm und sein Rudel hörte auf zu fressen. Ich beobachtete ebenfalls. Ich konnte Signale erkennen, die die Löwen untereinander gaben. Das waren doch keine normalen Löwen. Einer der Kleineren löste sich von der Gruppe. Erst ging er langsam in meine Richtung. Ich konnte sehen, wie der Große die Situation beobachtete. Der Kleine blieb langsam. Er trotte auf mich zu. Es wirkte fast spielerisch. Bis kurz vor mir, dann sprintete er auf mich zu. Ich sprang auf, zog mein Messer und trat mit meinem Fuß erst mal in seine Richtung. Ich traf ihn an der Brust. Ein Röcheln entwich ihm. Ich zögerte nicht und stürzte mich mit dem Messer auf ihn. Ich stach auf ihn ein, wie benommen. Ich stach, stach und stach. Das Tier brach zusammen und war tot. Schon kam der nächste auf mich zu. Ich rannte auf ihn zu. Schrie und fuchtelte mit meinen Armen. Er blickte mich verunsichert an. Aber im Hintergrund ging ein leichtes brüllen von dem Großen aus. Und der Löwe stürzte sich mir entgegen. Ich ließ mich fallen. Ich schlitterte unter ihn, mit gezogenem Messer. Seine Gedärme landeten warm dampfend auf mir. Wenn ich Zeit gehabt hätte zu denken, hätte ich mich übergeben. Aber Zeit war Luxus. Denn schon stand der nächste Löwe mir gegenüber. Ich war noch immer aufgepumpt mit Adrenalin und zögerte nicht lange. Mit einem lauten Schrei stürzte ich mich ihm entgegen. Er sprang auf mich zu und landete schwer auf mir. Meine Luft entwich. Ich hatte das Gefühl zu ersticken. Sein Gewicht auf mir war kaum zu ertragen. Er bräuchte mich gar nicht zu zerfleischen. Wenn er auf mir liegen bleiben würde, wäre ich in wenigen Minuten erstickt. Zum Glück war meine Messerhand frei. Ich versuchte sie anzuheben. Was nicht leicht war – aber ich schaffte es und stach zu. Nicht tödlich, aber es war ausreichend um ihn von mir herunter zu treiben. Schnell setzte ich mich und robbte rückwärts von ihm weg. Er brüllte wütend und stürmte wieder auf mich zu. Ich war noch nicht in der Lage aufzustehen. Ich rollte mich weg und er rannte an mir vorbei. Dann versucht ich mich aufzurichten. Es gelang. Meine Kräfte schwanden. Aber ich gab noch mal alles und stürmte hinter ihm her. Ich warf mich auf seinen Rücken und stach ihm in den Nacken. Das Tier brach sofort zusammen. Ich zog zur Sicherheit noch das Messer über seine Kehle. Er sollte nicht gelähmt leiden.

Ich wunderte mich über diesen Gedanken, konnte aber nicht verweilen. Der nächste Löwe stürzte sich auf mich und biss mir in die Wade. Ich schrie laut auf und trat nach ihm. Zum Glück hatte ich Treckingschuhe an. Sieleisteten mir jetzt gute Dienste. Ich traf ihn an der Schnauze. Die Nase platze auf und blutete. Er jammerte und ich trat weiter zu. Meine Wade schmerzte fürchterlich. Ich spürte mein warmes Blut an meinem Bein entlanglaufen. Der Schmerz entzündete meine Wut. Ich richtete mich auf und umklammerte seinen mächtigen Hals Ich konnte ihn nicht ganz umfassen, deswegen krallte ich mich in seiner Mähne fest. Er versuchte mich abzuschütteln. Aber ich blieb hartnäckig. Ich zog mich an ihm hoch und erwischte sein Ohr. Ich biss zu. Dann spuckte ich ein Teil seines Ohrs aus. Er stieg hoch und erwischte mich mit seinen Tatzen. Er riss mir die Haut am Bauch auf. Ich schrie und lies los. Ich hielt meine Hand auf meine Wunde – drei tiefe Kratzer zogen sich über meinen Körper. Schmerzhaft, aber nicht tödlich. Stark blutend, wurde meine Wut noch mehr angespornte. Ich sammelte meine restliche Kraft und stürmte auf ihn zu. Mein Messer landete seitlich in seinem Hals. Eine Fontäne Blut ergoss sich über meine Hand. Das Tier brach zusammen und riss mein Messer mit sich. Oh nein, mein Messer. Hektisch versuchte ich es aus ihm herauszuziehen. Der Griff war vom Blut ganz glitschig. Ich rutschte ständig ab. Verdammt. Ich zog mein Top aus und umwickelte den Griff. Kräftig zog ich und mit einem eklig schmatzenden Geräusch konnte ich es herausziehen. Ich landete auf meinem Hintern und legte mich hin. Mein Atem ging stoßweise. Ich wollte nicht mehr. Aber Camille brauchte mich, und ich wollte leben.

Ich zog mich langsam zum Auto. Meine Beine waren Wackelpudding. Ich würde nie wieder aufstehen können. Quatsch, Andrea. Reis dich zusammen. Du hast es soweit geschafft. Jetzt wirst du nicht sterben. Steh auf. Ich kniete mich hin. Camille war wach. Sie stöhnte und versuchte unter dem Auto hervor zu kommen. „Camille, bleib unter dem Auto, bitte.“ Schrie ich, dachte ich. Aber mehr als ein Flüstern kam nicht mehr hervor. Ich blickte hoch. Der Große bewegte sich in Richtung meiner Freundin. „NEIN!“ Schrie ich. „NEIN – das kommt nicht in Frage. Lass sie in Ruhe. Komm zu mir, lass sie in Frieden.“ Er blickte zu mir. Ich könnte schwören, dass er lächelte. Er zeigte seine Zähne. Es war einfach beeindruckend. Wenn ich nicht so viel Angst hätte, hätte ich den Anblick bewundern können. Ich stand auf. Wankend versuchte ich mich so schnell wie mir möglich war, zu ihnen zu gelangen. Vor dem Auto brach ich zusammen.

Mit dem Messer in der Hand drohte ich ihm. Seine Schnauze war mit dem Blut meiner Freunde rot verschmiert. Zwischen seinen Zähnen konnte ich Fleischfetzen erkennen. Sein stinkender Atem in meinem Gesicht. Mein Gesicht, verschmiert mit dem Blut seines Rudels. Wir blickten uns fest in die Augen. Mein Messer war stichbereit. Seine Zähne waren bereit zuzubeißen. Auge in Auge, blutverschmiert sahen wir uns an. Ich konnte so was wie Respekt in seinen Augen erkennen. Er brüllte mich an. Meine Haare, wenn sie nicht vom Blut nass gewesen wären, hätten sich wie in einem Sturm nach hinten gelegt. Ich öffnete meinen Mund und brüllte zurück. Er legte den Kopf schräg. Schnupperte, schaute mir tief in die Augen, trat drei Schritte zurück und drehte sich um. Er ging hoheitsvoll weg. Ohne sich umzublicken, bewegte er sich in Richtung des Bunkers. Er verschonte mich und Camille. Hatte er Respekt vor mir als Kämpferin? Oder hatte er einfach kein Interesse mehr, weil er satt war? Ich wusste es nicht.

Ich robbte schnell zu dem blutigen Haufen von Jan und Mark. Es war widerlich, aber ich brauchte den Schlüssel. Ich wühlte mich durch Gedärme und Haut und fühlte dann das kühle Metall. Der Schlüssel.

Ich schluchzte. Schnell versuchte ich zum Auto zu gelangen. Ich steckte den Schüssel ins Schloss und er passte. Ein kleines Stoßgebet gen Himmel schickend, lief ich zu Camille. „Camille, wir haben es geschafft. Wir haben überlebt. Komm, Steh auf – versuch es. Du musst schnell ins Auto.“ Sie stöhnte. „Andrea, ich kann nicht…“ „Doch, streng dich an. Hilf mir. Bitte.“ Ich würde bald zusammenbrechen. Sie musste mir einfach helfen. Ich merkte wie ein Ruck durch sie ging. Sie versuchte aufzustehen. Ich stütze sie. Dann half ich ihr ins Auto. Schlug die Tür zu und atmete durch. Ich hatte es geschafft. Ich hangelte mich an der Motorhaube entlang auf die Fahrerseite. Das Schloss klickte, und ich öffnete die Tür. Bevor ich einstieg, blickte ich zum Bunker. Die Sonne ging auf und auf einem Hügel konnte ich den König der Tiere sehen. Er saß dort. Um seine Füße wuselten kleine Löwen herum. Die nächste Generation Killermaschinen. Seine Kulisse vor dem Sonnenaufgang war imposant. Ein Brüllen entwich seiner Kehle. Ich stieg ein, zündete den Motor und fuhr los.

Ich konnte es kaum glauben. Ein Blick in den Spiegel zeigte mir eine andere Andrea. Blutverschmiert mit einer unbekannten härte in den Augen. Ein Blick, den nur Überlebende hatten. Wir hatten überlebt. Aber nicht gewonnen.

ENDE.