Malina bietet wöchentlich Ideen mit Herausforderungen an um eine kleine Gesichte zu schreiben. Schreibmission. Die aktuelle Mission für diese Woche:
Die heutige Mission:
Thema: Zirkus
Vorkommen soll: Eine besondere Uhr
Beschreibe in deinem Text: Ein Kostüm der Akrobaten
Eigentlich hatte ich einen gruseligen und düsteren Zirkus im Kopf, bei dem Thema – aber wie es so ist – sobald man anfängt zu schreiben, verselbständigt sich die Geschichte manchmal.
Tretet ein in den Zirkus.
Der Zirkus war in der Stadt – immer das Highlight des Jahres. Die Kinder rannten durch die Straßen, kaum dass die Plakate angebracht waren und spielten Löwen, Elefanten, Clowns, Seiltänzer. Auch Anton war aufgeregt. Er war jetzt vierzehn und wusste, wenn man vierzehn war, gab es etwas ganz besonders in diesem Zirkus. Aber keiner sprach je davon. Ein Geheimnis. Das gab es in diesem Dorf eigentlich gar nicht – Geheimnisse. Die alte Krähe von gegenüber, war immer ein Garant, dass jeder alles erfuhr. Aber auch sie hielt dieses Geheimnis unter Verschluss.
Morgen würde er endlich mehr wissen. Er legte sich ins Bett – aber der Schlaf wollte nicht kommen. Unruhig wälzte er sich hin und her. Er war einfach zu aufgeregt. Seufzend stieg er aus dem Bett und ging zum Fenster – er hoffte die frische Luft würde ihn bisschen schläfrig machen. Die Gaslampen waren schon erloschen, der zunehmende Mond erleuchtete die Straße schwach. Anton blickte aus dem Fenster und sah hinter der nächsten Ecke seltsame Schatten hervor kommen. Große schlaksige Gestalten, die ihre Arme seltsam hin und her baumeln ließen. Eigenartige Kreaturen die auf vier Beinen liefen. Ängstlich schüttelte er den Kopf. Das sind doch nur Schatten. Die gehören bestimmt zum Zirkus.
Er rannte zurück ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf. Die Freude auf Morgen war dem leichten Schrecken gewichen. Dann schlief er ein.
Am nächsten Morgen schien die Sonne durch sein Fenster. Er sprang aus seinem Bett. Die hellen Strahlen verscheuchten den Schrecken des Abends. Schnell zog er sich an und rannte die Treppe herunter. Seine Eltern waren schon beim Frühstücken. „Endlich, der Zirkus. Und endlich werde ich in das Geheimnis eingeweiht.“ Er tanzte um den Tisch und seine Eltern schauten sich sorgenvoll an. Nach dem Frühstück liefen sie zu dem Marktplatz, auf dem sich der Zirkus niedergelassen hatte. Anton rannte voraus. Er hatte seine Karte in der Hand und suchte schon die besten Plätze für sie heraus.
Am Anfang waren die üblichen Attraktionen zu sehen. Löwenbändiger, Clowns die aus einem zu kleinen Auto krabbeln und Plastikblumen mit Wasser auf ihre Kameraden richteten. Pferde, Elefanten, Akrobaten. Das erste Mal, dass Anton auf die Akrobaten achtete. Ein Mädchen – etwa in seinem Alter – stand vor ihm und streckte die Arme aus. Ihr Kostüm war atemberaubend schön. In blau und grüntönen gehalten schimmerte es wie er sich eine Meerjungfrau vorstellen würde. Es war mit wunderschönen Steinen und Pailletten bestickt und ihr kleines Rüschenröckchen wirkte wie aus Spinnweben gesponnen.
Anton verlor sein Herz. Das erste Mal, dass er sich verliebte. Sie war eine Seiltänzerin und er konnte den Blick nicht von ihr wenden, wie sie oben in den Lüften des Zirkuszeltes sprang, sich drehte, vor und zurück lief. Er klatschte mit am lautesten Beifall.
Die Vorstellung war vorüber.
Es folgte die Ansage, die er schon so viele Jahre vorher gehört hatte.
„Liebes Publikum. Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit und die vollen Reihen. Wir bedanken uns herzlich bei ihnen auch für ihre Gastfreundlichkeit. Die Show ist für heute beendet. Ich würde alle bitten, das Zelt zu verlassen. Die einzigen, die heute bleiben dürfen, sind die Kinder, die in diesem Jahr das vierzehnte Lebensjahr erreicht haben. Vielen Dank für ihr Verständnis.“
Antons Eltern standen auf. Sein Vater strich ihm über den Kopf und seine Mutter drückte ihm noch einen Kuss auf die Wange. „Du weißt wir lieben dich. Egal wie du dich entscheidest. Wir werden dich immer lieben und du wirst hier immer ein Zuhause haben.“ Seine Mutter drückte ihn ganz fest und Tränen rannen über ihre Wange. Er verstand gar nichts. Was sollte denn diese Ansage. Er drückte sie zurück und streichelte ihren Rücken beruhigend.
Dann war er mit noch drei weiteren Kindern, die er aus der Schule kannte, alleine in dem Zelt. Der Direktor trat in die Mitte der Manege. Er hielt eine Uhr in der Hand. Sie war sehr alt und hatte schöne Verschnörkelungen auf ihrem Deckel.
„Liebe Gäste – liebe vierzehnjährige. Heute kommt der Tag auf den ihr so lange warten musstet. Heute wird meine besondere Uhr hier in meiner Hand euch die Wahrheit offenbaren. Danach wird sie euch eine Entscheidung abringen. Also seid aufmerksam und überlegt gut.“
Anton war fasziniert und sprachlos – etwas ängstlich. Aber dasselbe sah er auch bei den anderen.
Die Uhr drehte sich und die Zeiger drehten sich einmal rund ums Ziffernblatt. Dann öffnete sich der Vorhang und die Show begann.
Er sah seltsame Kreaturen, die vor ihm hin und her liefen. Elefantenartig aber doch keine Elefanten. Sie hatten mehrere Augen und gespaltene Rüssel. Die Akrobaten, flogen – ja sie flogen herein. Auf ihrem Rücken befanden sich Flügel. Die Pferde hatten Hörner auf der Stirn und die Löwen die eintraten wirkten nicht nur Majestätisch – sie waren Majestäten. Ihre Mähnen blitzten und blinkten und sie konnten sprechen. Als letztes kam seine neue Liebe. Die kleine Seiltänzerin. Auch sie hatte schöne schimmernde Flügel. Sie kam direkt auf ihn zu geflogen. „Hallo Anton. Ich in Araja – eine Fee. Wie gefällt dir die zweite Show?“ „Woher kennst du meinen Namen?“ „Wir kennen alle Namen der vierzehnjährigen. Es ist die Zeit der Entscheidung für euch. Entscheidet ihr euch für euer geheimes Wesen oder bleibt ihr bei den Menschen.“ „Welches geheime Wesen? Ich bin doch kein Wesen, ich bin ein Mensch.“ „Hm, ja schon – aber in jedem Menschen schlummert ein anderes Wesen. Und wenn wir vierzehn werden erwacht es durch uns. Dann können wir uns entscheiden. Mensch oder Fabelwesen?“ „Und was für ein Wesen bin ich?“ „Komm zum Spiegel.“ Sie zog Anton mit sich. Vor dem Spiegel sah er es dann. Er drehte sich, dass er seinen Rücken sehen konnte. Er hatte Flügel. Ganz fein und leicht. Er war eine Fee. Wie Araja.
„Und was kommt jetzt?“ „Der Direktor wird euch gleich aufklären, setz dich einfach wieder und warte bisschen.“ Das tat er. Aber ständig schaute er auf seinen Rücken und sah seine Flügel flattern. Es fühlte sich gut an. Frei – Richtig. Er beobachtete die Figuren in der Manege. Sie waren glücklich. Dann kam der Direktor in die Mitte. „So ihr vierzehnjährigen. Ihr wurdet jeder in sein Wesen eingeführt. Jetzt liegt die Entscheidung bei euch. Ihr könnt entscheiden. Bleibt ihr bei uns in eurem wahren Wesen oder geht ihr zurück zum Menschendasein. Bedenkt – als Mensch werdet ihr nie wieder in euer mystisches Wesen zurückkehren können. Als Fabelwesen könnt ihr die Form der Menschen annehmen und eure Familien besuchen. Diejenigen, die sich zum Menschenleben entscheiden werden allerdings einen Vertrag unterschreiben, niemals die wahre Identität dieses Zirkus bekannt zu geben. Sollte dieser Vertrag gebrochen werden, wird es euch schlecht ergehen. Ihr werdet furchtbare Qualen erleiden. Also bedenkt dies.“
Anton grübelte. Mensch oder Fee. Er liebte seine Eltern, hatte aber keine Freunde. Sein Leben war langweilig und er war eingeengt. Fee. Hier stand ihm alles offen. Freiheit, Freunde, Freude. Etwa eine Stunde später kam der Direktor wieder. „Wie habt ihr euch entschieden?“ Die drei anderen neben Anton hatten sich gegen das Leben im Zirkus entschieden. Anton dagegen wusste, das hier war seine Bestimmung. Hier würde er glücklich werden.
„Gut – ihr drei dürft gehen und denkt an den Vertrag. Niemals dürft ihr ihn brechen. Anton. Gehe bitte zu deinen Eltern und sage ihnen wie du dich entschieden hast. Sie standen selbst vor der Entscheidung damals und wissen wie es ist. Also hab keine Angst. Danach komm wieder und beginne dein neues Leben bei uns.“
Anton verließ das Zelt um sich zu verabschieden. Seine Eltern lachten und weinten. „Ich wusste es – ich habe es schon bei deiner Geburt gewusst. Mein Sohn. Wir lieben dich. Und einmal im Jahr werden wir uns sehen. Pass auf dich auf.“ Sein Vater umarmte ihn und seine Mutter weinte bitterlich. Aber sie lächelte.
Schnell packte er seine Sachen und fast wäre er geflogen um wieder bei seiner neuen Familie zu sein. Ein aufregendes Leben würde ihn erwarten.
ENDE