
Die Schreibeinladung zu den Etüden kommen von Christiane
Die Wortspende kommt von Ludwig Zeidler. Sie lauten:
Fluchtsieger
füttern
wunderbar.
Die nächsten Wörter kommen am 22.01.23
Das Tier im Inneren
Arnaud trat in die Pedale. Er würde es diesmal schaffen. Seinen Atem hatte er unter Kontrolle. Es würde wunderbar werden, wäre er in dieser Etappe Fluchtsieger.
Er legte zum Sprint an. Nur noch 190 Kilometer bis zur Teilstreckengrenze. Das würde er schaffen. Er wollte sein inneres Tier füttern. Es brauchte unbedingt Nahrung. Sieg durch unbändigen Ehrgeiz war die einzige Nahrung, die es akzeptierte.
Die Besucher am Rand der Strecke verschwommen zu einer farbigen Masse. Er konnte die Rufe hören. Sie klangen wie ein Brüllen in seine Ohren. Ein Brüllen, das das Tier in ihm herausforderte. Schneller, schneller, schneller. Er hörte die Stimme seines Vaters aus dem Brüllen heraus.
„Tritt schneller in die Pedale. Wenn du deine Beine noch spürst, wirst du nie siegen. Schneller, Arnaud, sonst wirst du mich nie stolz machen.“
Diese Erinnerung brachte ihn fast ins Schleudern. Schnell gewann er wieder die Kontrolle über sein Fahrrad. Nur noch den Hügel, nur noch diese Etappe, nur noch paar Male kräftig treten.
Seine Muskeln schrien. Er schrie. Sein inneres schrie. Die Masse schrie. Sein Tier brach aus. Es übernahm die Kontrolle und brachte ihn ins Ziel. Er hatte gewonnen. Diese Etappe war seine und die seines Tieres, das er nicht mehr einfangen konnte, auch nicht wollte.
Er strauchelte. Seine Kraft war verbraucht, aber nicht die des Tieres. Er sprang vom Rad, rannte in den Wald, der sich um ihn herum ausbreitete und rannte. Rannte, getrieben von Zwängen und Verpflichtungen.
Er rannte, um sich zu befreien. Morgen, morgen würde er wieder aufsitzen. Solange würde er seinem Tier die Freiheit geben. Morgen würde er es wieder bändigen. Aber erst morgen. Morgen würde er die Fragen beantworten und die Glückwünsche entgegennehmen. Heute gehörte dem Tier, das hatte er so vereinbart.
Das war Teil des Deals.