WG

Weihnachten in der WG

Weihnachten in der WG

Hallo ihr Lieben. Es ist Weihnachten und ich hoffe, ihr könnt alle dieses tolle Fest genießen. Euch allen sende ich einfach paar virtuelle Glücksgefühle hinüber. Die Welt hat Euch alle lieb. Ob im Kreise Eurer Liebsten oder alleine. Lasst dieses Gefühl in Euch einkehren und verbringt paar schöne besinnliche Stunden.

Wir – das heißt die Bewohner unserer kleinen WG, können es nicht abwarten. Das ist mein zweites Weihnachtsfest mit meiner neuen Familie und ich freue mich wahnsinnig darauf. Ich denke, es wird ohne Zwischenfälle statt. Das ist ja bei meinen Freunden nicht so unbedingt immer der Fall.

Wie sich das in einer WG gehört, hat jeder so seine Aufgaben. Und wie das in jeder WG der Fall ist, funktioniert das ohne Probleme? – natürlich nicht. Die zugeteilten Aufgaben passen natürlich dem ein oder anderen nicht.

Der Einzige, der wirklich zufrieden mit seiner Aufgabe ist, ist Frank – er kocht unser Weihnachtsmenü und backt die Weihnachtsplätzchen. Und seit Tagen riecht es so verführerisch aus der Küche. Ein Problem, wenn man eines von Frankensteins Monstern als Koch beherbergt – er hat die Gewalt über die Küche. Also läuft das im Moment so: Er verweigert uns allen den Zutritt zur Küche. Ab und zu hört man ein unflätiges Fluchen, das so gar nicht zu unserem Frank passt. Dann klirrt immer mal was – obwohl wir das meiste ja schon in unzerbrechliches getauscht haben, findet er immer wieder etwas, was zu Bruch gehen kann. Keine Ahnung wo er da wühlt, dafür. Vielleicht gibt es eine geheime Kammer, die sich nur für den Koch öffnet? In diesem Haus würde mich das nicht wundern.

Wo war ich – ach ja – die Küche. Ihr fragt Euch, wie wir an unser Essen kommen? Lieferdienst. Ja – wir lassen uns Essen liefern. Ist das zu fassen. Da haben wir einen genialen Koch und müssen uns Essen liefern lassen. Hinterm Haus stapeln sich die Essensverpackungen. Ihr könnt mir glauben, wir lechzen schon nach echtem, gesunden Essen. Immer mal wieder schleicht einer von uns vor der Küchentür herum und bettelt nach dem gut duftenden. Das einzige, das er uns vor die Tür stellt, ist Kaffee, Kakao und Draculas Mahlzeiten – Blut. Aber heute ist es so weit – mir läuft schon bei dem Gedanken an das gute Essen das Wasser im Mund zusammen.

Kommen wir zum Rest. Keya, die Baumnymphe, haben wir dieses Jahr gebeten, das mit dem Weihnachtsbaum zu regeln. Letztes Jahr hatten wir sie ja in unserem aufgestellten Baum entdeckt. Sie war erzürnt, dass wir ihn einfach getötet hatten. Das managt sie dieses Mal. Der Baum aus dem letzten Jahr hatte sie vor dem Haus platziert. Sie sagt, den können wir nicht haben, er hätte ein Trauma aus dem letzten Jahr behalten und panische Angst erneut eingesperrt zu werden. Er würde uns nur erlauben ihn zu schmücken, weil das seine Laune heben würde und die Depressionen dadurch verdrängt würden. Das haben wir dann Keya überlassen. Ich hatte doch bisschen bedenken, dass uns der Baum vielleicht mit seinen Ästen verprügelt, um sich zu rächen. Er sieht aber jetzt wirklich sehr hübsch aus. Keya hat viel Naturmaterialien verwendet. Aber eine Lichterkette musste trotzdem dran. Wenn man unten im Dorf ist, sieht er einfach göttlich aus. Schön groß und toll beleuchtet. Er thront quasi über dem Dorf. Der König der Weihnachtsbäume.

Im Inneren hat sie uns eine hübsche Nordmanntanne vermittelt. Eine edle Dame hat Keya uns gesagt. Sie will verwöhnt werden. Das bedeutet, bestes Wasser und hübschester Schmuck. Wir haben uns wirklich Mühe gegeben. Sie ist in Gold und Silber gehalten – einer Dame würdig. Schöne goldene und silberne Kugeln, die von innen heraus leuchten. Sie sind schön verziert. Mit Häuschen und Sternchen, die besonders schön glitzern. Das ist der Vorteil, wenn man eine Hexe im Haus hat – sie kann das ganze magisch etwas aufpeppen. Auch die Schleifen haben wir in Gold und Silber gehalten. Etwas Rot für die Akzente wurde dazwischen gemischt. Die Girlande ist der Höhepunkt. Sie windet sich um den Baum und verleiht ihm Lebendigkeit. Ich glaube, die Tanne ist ganz zufrieden so. Ich weiß nämlich, von Keya, dass sie sonst den Schmuck einfach abgeworfen hätte. Minerva – unsere Hexe – hat einen Zauber gewirkt, dass es direkt über der Tanne schneit. Es sieht einfach traumhaft aus.

Aber nicht, dass Ihr denkt, Minerva hätte das freiwillig gemacht. Ha! Mit Nichten. Sie war der Meinung, sie hätte dieses Jahr schon genug gezaubert und auch Ihr würden Weihnachtferien zustehen. Sie weigerte sich, dem Ganzen den nötigen Schuss Magie zu verpassen. Tagelang haben wir auf sie eingeredet. Aber, nach dem wir alle sie angefleht hatten, war sie gnädig und wirkte diesen hübschen Zauber. Dafür muss ich ihr meinen Einhorn Hausschuh überlassen, damit sie ab und zu mal in die Vergangenheit reisen kann.

Ich ging hinunter in den Keller. Das Reich von Morphi und Dracula. Ich bin selten hier unten. Der Keller ist mir immer bisschen unheimlich. Umso erstaunter könnt Ihr mir glauben, war ich jetzt. Eigentlich wollte ich die Herren bitten mir bei der Weihnachtsbeleuchtung der Außenfassade zu helfen. Was ich hier unten sah, raubte mir den Atem. Ich kam in ein Winter Wonder Land. Die Treppen waren mit einem Läufer verkleidet, der tatsächlich winterlich war. Man konnte Weihnachtskugeln erkennen und goldene Sterne mit Schweif. Die Wände waren mit Lametta und glitzernden Girlanden geschmückt. Dazwischen leuchteten die kleinen Kerzen von Lichterketten. An der Decke waren mehrere Tannengirlanden aufgehängt. An ihnen waren verschiedene Sterne, Kugeln, Rentiere und Schleifen befestigt. An der Frontwand war ein Wandteppich befestigt, der den Schlitten des Weihnachtsmanns als Silhouette erkennen, ließ. Der Vollmond leuchtete dem Schlitten mit der wertvollen Fracht den Weg. Ich folgte der weihnachtlichen Musik und stand vor Draculas Zimmer. Nein, hier würde ich erst mal nicht hinein gehen. Ich fühlte mich manchmal unwohl in seiner Gegenwart, er hat zu oft in meinem Gehirn einen Abstecher gemacht und meine Gedanken gelesen. Ich ging weiter zu Morphis Zimmer. Auch hier blieb ich unentschlossen stehen. Im Sommer hatte ich einen Blick auf seinen unbandagierten Körper werfen können, das ließ mich jetzt ein wenig erröten.

Ich straffte meine Schultern und schob meine falsche Scham beiseite. So ein Blödsinn. Ich klopfte. „Herein.“ Ich drückte die Türklinke hinunter und trat ein. Mein Mund stand offen. Auch hier war alles in einer weihnachtlichen Harmonie geschmückt. Niemals hätte ich das erwartet. Der Kaminsims war mit Girlanden und Socken verziert. Ein kleiner Weihnachtsbaum stand in der Ecke. Und überall verschiedene Dekorationsartikel. Ich blickte ihn erstaunt an. Ich würde ja gerne meinen Blick gesehen haben. Ich traute meinen Augen nicht. Ich konnte nicht anders, ich musste lachen.

Morphi sah mich entgeistert an. Danach wurde sein Blick herausfordernd. „Mag Weihnachten.“ Er war nicht der gesprächigste. „Hahaha, ja das sehe ich.“ Und prustete wieder los. Er stemmte seine Hände in die Hüfte und erhob sein Kinn. „Mag Weihnachten.“ Es war einfach herrlich. Er hatte seine Bandagen gewechselt. Er war, ich kann fast nicht drüber sprechen, ohne gleich wieder zu lachen. Kennt Ihr diese breiten Geschenkbänder aus Stoff? Die mit den hübschen weihnachtlichen Motiven? Ja, Morphi hatte sich genau in solch breite Schleifenbänder gewickelt. Er war in Grün und Rot gehalten und immer wieder wurde diese Farbkombination durch Engelchen oder Rentiere unterbrochen. Er sah einfach zu niedlich aus. „Oh, Morphi, das ist so niedlich.“ Er schnaubte. Etwas motzig antwortete er: „Mag Weihnachten.“ „Das ist herrlich. Ich liebe Dein Outfit. Wirklich. Es ist wirklich toll. Glaub mir. Ich war nur etwas überrascht, das vergilbte Zeug hatte ich erwartet und wurde mit so etwas überrascht.“ Dabei zeigte ich auf seine Bandagen. „Was ist los?“ „Ich brauche Deine Hilfe für die Beleuchtung am Haus.“ „Komme gleich. Jetzt geh.“ Ich kicherte, drehte mich um und verließ sein Zimmer. Immer noch ergriffen von Morphis auftreten stand ich vor Draculas Zimmer. Jetzt wusste ich ja, wer für die Dekoration verantwortlich war. Entschlossen klopfte ich. „Komm herein Lissi.“ Natürlich wusste er wer davor stand. Er hätte mich wahrscheinlich gerochen. Da habe ich lange gebraucht, das nicht persönlich zu nehmen. Was schon schwer ist, wenn einem ständig gesagt wird, man könne mich riechen. Ich öffnete die Tür. Ich trat ein und blieb stehen, als wäre ich gegen eine Glaswand gelaufen. Ich drehte mich einmal um meine eigene Achse. Es war unglaublich. Dieses Zimmer war ebenfalls weihnachtlich geschmückt. Damit hätte ich noch weniger gerechnet. Natürlich war es hier stilvoll. Alles eher schlicht und traditionell. Die Wände waren mit weihnachtlichen Bildern geschmückt. An ihnen waren rote Schleifen befestigt. Der Weihnachtsbaum war ebenfalls mit Schleifen geschmückt. Strohsterne und Holzfiguren verschönerten ihn noch mehr. Das Bett, nein er hatte den Sarg irgendwann entsorgt. Das war ihm zu Klischeehaft. Er hatte sich ein Boxspringbett gekauft und Vorhänge befestigt. Und genau von diesen Vorhängen blickten mir verschneite Bäume und Häuschen entgegen. Eine wunderschön verschneite Landschaft. „Schließe doch endlich Deinen Mund, das sieht wirklich dämlich aus.“ Ich blickte auf Dracula. Ich konnte noch nicht mal lachen, so entsetzt war ich. Dachte ich, ich wäre schon im Sommer über seine Hawaii Hemden erheitert gewesen, war ich doch baff, dass er einen Weihnachtspullover trug. Und er stand ihm hervorragend. Bei den meisten sah es ja wirklich albern aus – aber bei ihm einfach nur edel. Ich räusperte mich. „Ähm, könntest Du mir bei der Außendekoration helfen?“ „Macht das nicht Richard und Minerva?“ „Ähm, ja schon, aber das Haus ist so groß und Minerva hat keine Lust mehr, sie hat sich ja schon um den Weihnachtsbaum gekümmert.“ „Na gut. Es ist ja Weihnachten.“ „Ähm, ja genau.“ „Geh ruhig schon vor, ich komme gleich. Ich denke, Morphi kommt auch?“ „Ähm – ja – äh – ja. Ja ich gehe.“ Ich war irgendwie abgelenkt. Er wirkte so anders. So nett. Ohne Sarkasmus war er gar nicht so unattraktiv. „Bis gleich.“ „Ja, okay.“ Ich schloss die Tür hinter mir und stand im Kellerflur. Ich konnte es nicht glauben. Damit hätte ich am wenigsten gerechnet. Schnell stieg ich die Treppe wieder hinauf. Oben erwartete mich Amelia – unser Hausgeist. „Lissi, da bist Du ja. Schau mal. Ich hab überall an der Decke und an den Wänden noch goldene Schleifchen befestigt. Auch an mir – aber es fällt immer durch mich durch. So ein Mist. Es würde so toll an mir aussehen.“ „Ach herrje.“ Stöhnte Minerva und schnipste mit den Fingern. „So, jetzt bist Du wie ein Weihnachtsbaum geschmückt.“ „Oh toll, danke, danke, danke Minerva.“ Schrie Amelia entzückt und schwebte auf Minerva zu. Diese hielt ihre Hand nach oben, um sie zu stoppen. Zwecklos – Amelia schwebte mit ausgestreckten Armen auf sie zu, um in Ihr zu verschwinden und auf der anderen Seite wieder aus Ihr herauszukommen. „Ach, Amelia, das ist eklig. So kalt.“ „Ich liebe Dich und Dich und alle anderen. Ach das Fest der Liebe, ich liebe es. Falalalalala.“ Entschwand Amelia.

Ich blickte mich um. Richard, den hatte ich schon draußen gehört. Ich zog mir meine Jacke und einen Schal an und trat heraus. Hier oben war es immer etwas kühler. Ich schaute mich um und konnte Richard nicht sehen. Ich ging ums Haus herum. Einige Lichterketten hatte er schon befestigt. „Richard? Wo bist Du?“ „Lizzi, komm schnell, hilf mir.“ Erschrocken lief ich in die Richtung seiner Stimme. Da saß er auf dem Dach. Sein Anorak war angetackert und die Leiter hatte er umgekippt. Er saß auf dem Dach und versuchte seinen Ärmel wieder zu lösen. Dabei war seine Mütze verrutscht. Er sah fast verwegen auf mit seiner schiefen Nikolaus Mütze. Ich lachte. „Wie schaffst Du das nur immer?“ „HaHa! Hilf mir lieber. Stell die Leiter wieder hin, damit ich besser an die Jacke komme.“ Ich bückte mich und griff nach der Leiter. Sie war schwer und ich zog kräftig. „Ohh, ist die schwer.“ Ich zog und sie wollte sich nicht so wirklich vom Boden erheben. Ich ging einen Schritt zurück. Das konnte doch nicht wahr sein. So schwach war ich doch auch nicht. Ich spürte wie ich beiseitegeschoben wurde. Dracula griff mit einer Hand nach der Leiter und zog sie nach oben, als wäre es eine Kinderleiter. „Ach Mädchen, keine Kraft. Du solltest eine Brühe trinken.“ Er lachte dunkel. Da war er wieder. Der sarkastische Dracula. Das vertrieb meine Unsicherheit. „Ja, ja. Männer. Macht das nur, ich verschwinde ins Warme. Wir Frauen werden dann mal paar Quillt nähen und uns über Geburten unterhalten.“ Ich drehte mich um und verließ die drei.

Endlich war es so weit. Wir waren alle fertig. Gemeinsam gingen wir vor das Haus. Richard stand mit dem Stecker vor uns und hielt eine Rede. „Liebe Bewohner des…. Ja – dieses Hauses. Nächstes Jahr müssen wir mal einen Namen für dieses Haus finden. – Liebe Bewohner, Freunde. Wieder ist ein Jahr vergangen. Wir haben einiges erlebt. Einige neue Freunde und Bekannte gefunden. Auch einige Abenteuer erlebt. Aber wir haben immer zusammen gehalten. Auf das wir ein weiteres erfolgreiches Jahr vor uns haben werden. Frank: bitte den Eierpunsch.“ Frank löste sich aus dem Schatten des Hauses. In seiner Hand hatte er ein Tablett mit mehreren Gläsern. Jedem hielt er das Tablett vor die Nase. Amelia sah uns, schmollend an. „Das ist sooo gemein. Ich kann niemals mit anstoßen oder irgendwas probieren. Geist sein ist doof.“ „Ach komm schon, Du hast so viel Spaß als Geist. Kannst überall auftauchen und bist doch sonst immer so fröhlich, da wird Dir doch so was nicht die Laune verderben.“ Meinte ich tröstend. „Du hast recht. Das Leben als Geist ist schon toll. Ich pfeife auf darauf.“ Sie winkte ab und tanzte um uns herum. Dabei sang sie ein Jingle Bells.

Gemeinsam gingen wir wieder herein und setzten uns an die reichlich gedeckte Tafel. Frank hatte sich selbst übertroffen. Und es stand sogar echtes Porzellan auf dem Tisch. Ich blickte mich fragend um. Morphi zuckte mit den Schultern. „Mag Weihnachten, mit Porzellan.“

Es waren einfach herrliche Stunden, die wir in unserer Gemeinschaft hatten. Wir lachten über die ein- oder andere Erinnerung und im Hintergrund liefen schöne klassische Weihnachtslieder. Ich blickte mich versonnen um und lächelte. Über dem Kamin hing ein Bild meiner Tante Ernestine. „Danke Tantchen. Ich bin so froh, dass Du mir das hier anvertraut hast. Vielen Dank.“ Mir war so, als würde mir Ihr Bild zuzwinkern und lächeln.

Frohe Weihnachten für alle.

Mach was mit..., WG

Mach was mit …Kerzen

Es ist wieder Zeit für das kreative Blogprojekt von Herba und die Pö

Da es von Schreibkicks im Moment nichts mehr gibt, werde ich mit meiner WG wohl hier zu den Mach was mit Aktionen umziehen.

Kerzen

Lissi kam die große Treppe aus dem ersten Stock in die Halle hinunter. Es war kalt geworden. Das merkte man gerade in diesem alten Haus. Es gab doch wohl noch mehr Flickarbeiten zu tätigen, als ihr bewusst war, um dieses Haus dicht zu bekommen. Sie seufzte, als sie ihre Weste enger um sich schlang. Auf halber Strecke nach unten wunderte sie sich. Ein Flackern hieß sie Willkommen. Erst fühlte sie sich sicher, aber dann stutzte sie. Wieso ein Flackern und wieso roch es so intensiv nach Kerzen. Was hatten denn ihre Mitbewohner jetzt wieder angestellt?

Es wurde wirklich nicht langweilig mit ihrer WG. Gab es doch diesen kleinen aufgedrehten Geist – Amelia. Für sie existierte keine Privatsphäre. Da sie ja einfach durch Wände glitschen konnte, war privat für sie nicht Existent. Am allerliebsten erschreckte sie Lissi unter der Dusche. Aber auch so war es nie langweilig mit ihr. Denn wenn es ihr langweilig wurde, versuchte sie dem Abhilfe zu schaffen. Da kam es schon mal vor, dass sie die Möbel umstellte.

Minerva, die Haushexe mit fraglicher Vergangenheit. Sie war immer sehr distanziert. Aber wehe, sie wurde wütend. Da konnte sie schon mal eine Schneise in einen Wald schlagen. Gerne war sie mit ihrem Besen unterwegs. Sie hatte Lissi aber auch so schon einige Male unterstützt.

Frank, eines von Frankensteins Monstern, war der Koch. Er war einfach brillant. Sein Essen schmeckte zum Niederknien. Allerdings war er halt grobmotorisch und es gab einen ständigen Bedarf an neuem Geschirr. Was ging, hatten sie schon in unzerbrechliche Materialien ausgetauscht. Nicht sehr elegant, aber wenigstens haltbar. Wobei hier auch schon das ein oder andere aussah, als wäre es unter ein Auto gelangt. Er hatte halt einfach kein Gefühl für seine Kraft. Was man auch gerne an den geflickten Türscharnieren, Türgriffen und gesprungenen Glasscheiben sehen konnte. Um so erstaunlicher war seine Begabung für das Kochen.

Morphi war die Mumie – er würde bestimmt nicht an diesem Kerzenaufgebot beteiligt sein. Seine Mullbinden waren schon so alt, sie würden schon Feuerfangen, wenn er nur in die Nähe käme. Nein, er war das nicht. Lissi wurde rot, wenn sie an Morphi dachte. Hatte sie doch im Sommer einen Blick auf den Körper unter den Binden werfen können. Und der war nicht so unattraktiv wie man erwartet hätte. Sie räusperte sich.

Was in keiner guten Fabelwesen WG fehlen durfte, war natürlich ein Vampir. Dracula hatte sich in dem Haus niedergelassen. Er war ein Ärgernis. Arrogant und manipulativ. Ständig machte er sich lustig über Lissi und versuchte in ihren Kopf zu gelangen. Zum Glück hatte sie jetzt einen Schutz von Minerva bekommen, der ihn davon abhielt. Das hinderte ihn aber nicht noch weiter Sarkasmus zu verströmen. Ein wirklich nerviger Kerl.

Sehr oft kam Keya zu Besuch. Sie war eine Baumnymphe und kam zu uns mit dem Weihnachtsbaum aus dem letzten Jahr. Frank war ganz hin und weg von ihr und die beiden verstanden sich auch wirklich sehr gut.

Vor einiger Zeit sind Richard und mein imaginärer Freund erschienen. Sie waren ja nur unsichtbar. Angeblich hätten sie uns immer begleitet. Waldemar, der lieber Rex getauft worden wäre, ist Richards imaginärer Hund. Leon, ein Chamäleonkrake. Lacht nicht – so was gibt es – er ist ja schließlich MEIN imaginärer Freund, also meine Erfindung.

Richard. Er war mein Fels in dieser chaotischen WG. Er war, wie ich ein Mensch. Zum Glück kennt er die Bewohner schon lange, da er für meine Tante Ernestine, von der ich das Haus geerbt hatte, arbeitete. Er ist also der Bursche für alles. Aber sagt ihm nicht, dass ich ihn so nenne. Auf ihn kann ich mich immer verlassen. Immer gelassen und entspannt. Na ja – meistens wenigstens.

Wie es sich gehört, hatten wir auch ein Orakel. Ein sehr zurückhaltendes Wesen. Es hat sich mir nur ein Mal offenbart. Aber ich glaube auch nicht, dass ich es öfter brauchen werde. Denke ich doch.

Ja, das sind wir. Aber wer hatte jetzt die Kerzen angezündet und weshalb. Diese Frage war immer noch nicht beantwortet.

Als ich unten ankam, hob ich meinen Kopf und über mir schwebten bestimmt hunderte von Kerzen und tropften mir auf den Kopf. Dachte ich, aber zum Glück lösten sich die Tropfen auf, bevor sie auftrafen. Entsetzt sah ich die Blätter, die zwischen den Kerzen auf und ab flogen. Die Blätter waren schon länger da. Die hatte Minerva hergezaubert als der Herbst kam. Das sah natürlich sehr malerisch aus. Wenn man so in einem Blätterregen durch die Halle lief. Sein eigener Wald im Haus. Es raschelte, wenn man von einem Raum zum anderen ging. Und Waldemar hatte seinen wahren Spaß, wenn Amelia für ihn einen Laubhaufen aufschichtete.

Dass diese Blätter so nah an den Kerzenflammen flogen, das gefiel mir so gar nicht.

„Hallo? Wer ist denn hier für verantwortlich? Minerva. Warum hast du diese Kerzen hier schweben lassen? Es sieht aus wie im Speisesaal von Harry Potter.“

Wie immer, wenn Minerva sich bewegte, kam ich mir wie ein plumpes Bauernweib vor. Sie ging nicht, sie schwebte. Ihr bodenlangen Kleider verdeckten ihre Füße, weswegen sie den Schein aufrechterhalten konnte zu schweben. Ich war immer sprachlos, wenn sie den Raum betrat. Ein Funkeln schien sie immer zu umgeben. Aber heute konnten es auch die Kerzenflammen sein, die das bewirkten.

„Hallo Lissi, warum musst du denn schon wieder so herumbrüllen. Weißt du denn nicht, was heute für ein Tag ist?“ „Sonntag?“ Minerva rollte genervt die Augen. „Wie lange lebst du denn jetzt schon hier bei uns. Es wird wirklich mal Zeit, dass du unsere Gebräuche lernst.“ Ich stutzte. Welcher Brauch sollte denn heute sein? „Dann mache mir doch endlich mal eine Liste. Weißt du was? Ich werde im neuen Jahr einfach einen Kalender kaufen und du kannst dann alle wichtigen Tage für mich eintragen. Dann werde ich auch nie wieder in ein ‚magisches Fettnäpfchen‘ treten.“ Meinte ich während ich die letzten Worte in Gänsefüße steckte. Sie schnaufte und drehte sich um. Sie war auf den Weg aus der Halle hinaus. Einfach stehen ließ sie mich. Ich hob die Arme. „Hey, was ist denn jetzt für ein Tag?“ Sie ignorierte mich einfach.

Richard kam die Treppe hinunter. „Ach, das sieht ja richtig toll aus. Also Minerva hat das Dekorieren wirklich gut drauf. Alles, was sie zaubert, sieht einfach wunderschön aus.“ Ich stützte meine Arme in die Hüfte und blinzelte ihn ärgerlich an. Er stutzte. „Ist was?“ „Das wüsste ich auch gerne. Minerva hat mich einfach stehen lassen. Was ist denn heute besonderes?“ „Also wirklich Lissi. Du lebst jetzt etwa ein Jahr bei uns und weißt immer noch nicht, was ihnen wichtig ist. Also da musst du unbedingt echt mal dran gehen. Hmmm – ich rieche Frühstück. Komm lass uns in die Küche gehen.“

Ich schlurfte eingeschnappt hinter ihm her. In der Küche würde mir keiner ausweichen. Da würde ich sie alle antreffen und verhaften.

Es roch wirklich himmlisch. Waffeln und Sirup. Hmmm. Als ich die Küche betrat, knurrte mein Magen unüberhörbar. „Ach, das Biest ist wach. Komm lass es heraus. Es muss doch einen Grund geben, dass du hier die Hüterin geworden bist. Gib zu, du bist ein Werwesen. Das Knurren deutet auf jeden Fall darauf.“ „Guten Morgen, Dracula. Schön dich zu sehen. Ist dein Blut sauer geworden oder warum erzählst du so einen Mist?“ Bis auf meinen kleinen Ausflug als Fee, von dem ich niemanden berichtete, war ich ein Mensch. Das dachte ich wenigstens. Ich hoffte es. Ja, ganz bestimmt ein Mensch.

Ich ging zum Regal an der hinteren Wand und drehte das Radio an. Sofort ging ein Raunen und Zischen durch den Raum und das Radio explodierte. Ich warf mich auf den Boden und hob die Arme schützend über meinen Kopf. „Spinnst du, Minerva? Warum hast du das Radio explodieren lassen?“ Sie blickte in die Runde. „Ist das zu fassen. Ich weiss nicht warum das Orakel gerade sie auserwählt hat, das Haus zu erben. Was hat Ernestine sich nur dabei gedacht. Bestimmt hat sie das Orakel bestochen. Mit einem sonderweichem Kissen. Oder einem schallisoliertem Raum. Irgendwas. Es kann doch nicht sein, das die da.“ Dabei zeigte sie erregt auf mich. „Die da, immer noch nicht weiß, was hier zählt.“

Dracula nahm sich der Situation an. „Also Lissi. Heute ist Totensonntag. Noch nie gehört?“ „Doch. Ich weiß, dass erst nach dem Totensonntag, die Weihnachtsbeleuchtung angeschaltet wird und die Weihnachtsmärkte aufmachen.“ Wieder ging ein Raunen durch den Raum.

Richard hielt sich diplomatisch aus der Sache raus und aß seine Waffeln. Das wäre eine Sache der Fabelwesen. Er wusste ja auch schließlich, was es bedeutete.

„Am Totensonntag wird den Verblichenen gehuldigt. Für jeden geliebten, der verloren ging, wird eine Kerze angezündet.“ Ich dachte zurück an die Halle. Oh, wow. Da waren aber viele gestorben. Da hingen unzählbar viele Kerzen. „Natürlich sind da viele. Wir sind ja auch schon sehr alt. Da hat man schon einige seiner Freunde und Familie verloren. Das ist doch selbstverständlich.“ „Du sollst doch aus meinem Kopf bleiben.“ Ich blickte auf meine Hand, der Ring – der lag im Badezimmer. Da lag er gut. Verärgert kniff ich die Lippen zusammen.

„Und da gibt es auch keine Musik.“ Meldete sich Amelia zu Wort. „Es ist ein stiller Feiertag. Normalerweise reden wir schon viel zu viel. Ein Tag, an dem wir gedenken und uns erinnern.“

„Okay, okay. Es tut mir leid. Ich bin wirklich – ja – unhöflich. Ich gelobe Besserung. Im neuen Jahr werde ich mich mehr mit euch beschäftigen. Ich will wissen was ihr vor dem Einzug in das Haus erlebt habt. Was hat euch geprägt, was habt ihr erlebt? Das wird meine Mission.“

Unruhiges Scharren erklang jetzt aus der Küche. Noch nie habe ich so beunruhigte Fabelwesen gesehen. Minerva stotterte. „Ach laaasss, gut sein. Das lernst du schon noch mit unseren Bräuchen. Du brauchst nicht so tief einzusteigen.“ Dracula zupfte an seinem hochgeschlossenen Kragen. „Ja, ich finde auch, dass kann man ruhig ruhen lassen. Wir erklären dir doch gerne was du nicht weißt.“ Hüstelte er.

Ich hatte wohl in ein Wespennest gestochen. Das ließ mich neugierig werden. Da wurde wohl einiges verheimlicht. Genüsslich trank ich meinen Kaffee und blickte durch die offene Küchentür zu den fliegenden Kerzen. Das würden wir doch mal sehen, wie ich deren Vergangenheit ruhen lassen würde. Ich hatte Blut geleckt. Bäh. Ich hatte tatsächlich Blut geleckt. Ich hatte Draculas Tasse gegriffen. Widerlich.

ENDE.

Bisher erschienen

  1. Schreibkicks – die vererbte Zeitkapsel
  2. Schreibkicks – Weihnachstspezial – Die Sache mit dem Rentier
  3. Mach was…mit einer Festtags-Leckerei
  4. Schreibkicks – Märchen der guten Vorsätze
  5. Schreibkicks – Rückkehr der Freunde
  6. Schreibkicks – Die Welt bei Nacht mit einem Hausschuh.
  7. Schreibkicks – Im Spiegel lauert die Gefahr
  8. Schreibkicks – Mai – Lachen heilt alle Wunden
  9. Schreibkicks 2 in 1 – Auf dem Dach vom Glück gegrüsst. Part 1 v 2
  10. Schreibkicks 2 in 1 – Auf dem Dach vom Glück gegrüsst. Part 2 v 2
  11. Schreibkicks – Hitzefrei.
  12. Schreibkicks – Hurrikane
  13. #Writing Friday – der Traum der Fee
  14. #Writing Friday – Minervas Besen
  15. Mach was mit …Kerzen
WG

#Writing Friday – Minervas Besen

 

Heute am Writing Friday hab ich mir mal den Besen vorgenommen:

  • Schreibe aus der Sicht eines Hexenbesens.

Manche kennen meine WG – hier ein kleines Spin-off.


Hallo,

mein Name ist Funkelflieger, oder auch FF. Hahaha, jetzt wisst ihr wo die Bezeichnung „aus dem FF“ her kommt. Ja – ich habe sie vor langer Zeit geprägt. Als ich noch ein junger Feger war, konnte ich so einige Kunststückchen vorführen und war immer einer der Besten. Alles viel mir leicht und nichts konnte mich stoppen. Aber irgendwann kommt für jeden Feger der Tag, an dem er einer Hexe, oder einem Hexer zugeordnet wird. Und dann werden einen die Borsten gestutzt. Wir sollen ja unserem Reiter oder Reiterin ein gutes Transportmittel sein. Pft. Wenn ich das schon höre, Transportmittel. Wir sind Hexenbesen und kein Transportmittel.

Nun – ich wurde einer jungen Hexe zugeordnet. Manche kennen sie vielleicht. Minerva. Sie lebt mit einigen anderen Fabelwesen in einer WG. Letztes Jahr haben sie einen neue Hüterin bekommen – Lissi. Sie ist witzig und nett. Aber kommen wir zurück zu Minerva und dadurch auch zu mir: Ich dachte mein Leben wäre vorbei, aber Minerva war eine ganz wilde. Man sagte, sie wäre eine dunkle Hexe – aber sagt das bloß nicht in ihrer Gegenwart. Man munkelt es hinter ihrem Rücken. Das ist wohl eine Zeit, an die sie nicht gerne erinnert wird. Aber egal – es geht ja um mich. Wir flogen quer über den Erdball. Nahmen an Wettbewerben teil und verliebten uns. Also sie. Ich hatte immer nur Spaß mit den Besen, der geraden angesagten Hexen-Lover. Als wir eine Zeitlang in Frankreich lebten, wurde es kritisch. In Frankreich leben die verrücktesten Hexen und die bösesten.

Irgendwas ist dort gehörig schief gegangen. Minerva hat es mir nie erzählt. Aber es hatte schwerwiegende Konsequenzen. Ich sage ja, ich weiß nicht was es war – aber der Hexenrat hat eine schwere Strafe ausgesprochen. Minerva wurde verurteilt. Sie hat ihre Hexenkraft für hundert Jahre verloren und wurde davon auch noch dreißig Jahre eingesperrt. Also ihr versteht – es war was ganz schlimmes. Und was war mit mir in der Zeit? Ich hatte ja nichts verbrochen und doch wurde ich mit bestraft. Wie heißt das bei den Menschen? Äh – Mittäterschaft, oder so was. Ich hab nichts gemacht – ja und das wurde mir zum Verhängnis. Ich würde ja meine Hexe kennen und hätte immer präsent sein sollen, blablabla. Nun ich wurde für diese Zeit, in der Minerva verurteilt war – weggesperrt. Hundert Jahre war ich in einem Besenschrank. Einem Besenschrank – eingesperrt mit Verbrechern. Ihr glaubt nicht, dass es unter uns Hexenbesen Verbrecher gibt? OH JA und ob. Das sind dann die, die ihre Reiter abwerfen. Durch Fensterscheiben fliegen, oder gar ihre Reiter betrunken fliegen lassen. Menschen verhauen und all so Dinge. Ja, also ich wurde wirklich hart bestraft.

Aber nach hundert Jahren, da wurde endlich der muffige Schrank geöffnet und vor ihm stand sie. Minerva. Sie war nicht gealtert, zum Glück. Wunderschön und eine wundervolle Aura. Sie holte mich ab. Zuerst brachte sie mich zum Besenwellness. So was gibt es. Da wird dir die Borsten hübsch gemacht, dein Stiel geschliffen und gewachst und mit duftenden Ölen eingerieben. Eine Wohltat.

Ja, seitdem ist Minerva ruhig und gezähmt. Sie lebt mit diesen Wesen in der WG und hat ihren Spaß. Minerva hat wirklich Spaß. Fröhlichen Spaß, nicht den boshaften, den sie früher hatte. Minerva war jetzt eine gute Hexe und ich bin wirklich stolz auf sie. Sie behandelt mich sehr gut. Regelmäßig fliegt sie mit mir aus und wenn es dunkel ist, darf ich sogar mal alleine unterwegs sein. Das Leben jetzt ist wirklich toll. Ich habe es gut getroffen.

ENDE

 

 

Schreibkicks, WG, writing friday

#Writing Friday – der Traum der Fee

 

Ich weiss nicht ob das hier so gut klappt. Ich habe im Zuge der Aktion Schreibkicks eine kleine WG gestartet, die jeden Monat eine kleine Geschichte bekommt. Jetzt habe ich hier mal ein Auskoppelungsversuch und hoffe, dass diejenigen, die der Geschichte nicht folgen trotzdem etwas damit anfangen können.

Dieser Anfang beim #writing friday hat einfach zu gut zu meiner kleinen WG gepasst.

 

Schreibe eine Geschichte, die mit dem Satz: “Sie war tatsächlich zu einer Elfe geworden und das obwohl….” Beginnt

Sie war tatsächlich zu einer Elfe geworden und das obwohl sie keinerlei Fabelwesengene in sich hatte. Wie konnte das nur passieren? Lissi stand auf. Sie versuchte es jeden Falls. Es klappte überhaupt nicht. Diese kleinen, leichten, zerbrechlich aussehenden Flügel an ihrem Rücken ließen es einfach nicht zu, dass sie mit ihren kleinen drolligen Füssen den Boden berührte. Sie flatterte und flatterte – keine Chance, das einzige das geschah – Feenstaub. „Oh nein, ich hab erst mit Mühe und Not alles hier Staubfrei bekommen und jetzt staube ich alles mit glitzernden Feenstaub ein. Das ist doch zum Mäusemelken.“

In dem Moment huschte eine kleine Maus an ihr vorbei. Blieb stehen, drehte sich um und blickte sie an. Lissi blickte irritiert zurück. Eine Maus in ihrem Schlafzimmer. Es wurde immer besser. „Hallo! Mäusemelken – das will ich doch mal dringlichst verbieten. Wir haben gerade mal genug um unsere Schar Jungen zu füttern, da willst du uns melken? Wofür? Um in Mäusemilch zu baden? Ihr Feen haltet euch immer für was Besseres. Da muss es immer exklusiv sein, nicht wahr. Als wenn euch ein Bad im Blütenkelch der Blumen nicht ausreicht. Also so was.“ Schimpfte die Maus beim Weitergehen und schüttelte erbost den Kopf. Sie drehte sich um  und schüttelte erneut den Kopf. „Ähm – entschuldige, das ist nur so eine Redensart. Tut mir leid.“ Rief ihr Lissi hinter her.

„So, jetzt drehe ich wohl komplett durch. Ich kann mit Mäusen reden. Super. Das macht sich gut im Lebenslauf einer Hausmutter seltsamer Wesen. Nicht schlecht. Allerdings wird es echt schwierig hier alles am Laufen zu halten, wenn ich eine kleine Fee bin, oder? Was machen Feen eigentlich den ganzen Tag außer Tanzen und Singen?“

Lissi flog – versuchte zu fliegen – „Autsch – autsch – bekommen Feen eigentlich blaue Flecken, wenn sie beim Fliegen irgendwo hängen bleiben?“ An ihren PC versuchte sie den Deckel des Laptops anzuheben. Sie stand am Rand und legte ihren Zauberstab beiseite und versuchte mit ihren kleinen Händen in den Spalt zu kommen. Dann zog und stemmte sie – der Deckel bewegte sich nicht. „So ein Mist. Was jetzt?“ Sie flatterte aufgeregt hoch und runter und verteilte fleißig weiterhin Feenstaub in ihrem Schlafzimmer. Dann schnappte sie sich ihren Zauberstab und flog zum Fenster. Blickte auf den Gegenstand in ihrer Hand und schlug sich gegen die Stirn. „Wie dämlich. Das ist doch ein Zauberstab, nicht wahr?“ sie begab sich wieder zurück – flatterte vor dem Laptop und schaffte eine eher unelegante Landung. „Abrakadabra – Hex Hex – Laptop öffne dich.“ Sie bewegte den Zauberstab hin und her und nix. Der Laptop blieb verschlossen. „Alohomora – vielleicht ein Potter Zauber?“ Es tat sich nichts.

Sie war also gefangen – denn eine Tür konnte sie so ja auch nicht öffnen. Ob sie durch den Kamin nach draußen kam? Sie versuchte es. Zum Glück war es noch warm genug um ihn nicht anfeuern zu müssen. Sie flog in den Schornstein. „Verdammt ist das Eng hier. Wann war denn der Schornsteinfeger das letzte Mal hier? Ich muss Richard auf jeden Fall Bescheid sagen, dass der kommen muss. Da passt ja noch nicht mal eine Fee richtig durch.“ Sie flatterte und über den Ruß und den Ablagerungen legte sich glänzender Feenstaub. Da würde der Schornsteinfeger schon bisschen dumm gucken. Lissi gluckste. Oben angekommen nahm sie Anlauf und der Schornstein spuckte sie aus. „Uff. Gut und jetzt?“ Sie schaute an sich hinab – das hübsche Feenkleidchen war ruiniert. Sie seufzte, schüttelte sich und bewunderte wie der Schmutz einfach von ihr abglitt.

Sie flatterte weiter und überlegte wer ihr helfen könnte? Minerva – aber sie war noch auf ihrer Reuetour nachdem sie den Wald in einen Wutausbruch verwüstet hatte. Sie würde noch etwas ausfallen. Dracula – das könnte ihm so passen. Sie als kleine Fee, da hätte er einen Aufhänger. Nein, nein. Richard? Der einzige Mensch neben ihr? Ja, das wäre wohl der Einzige. Sie machte sich auf den Weg zum Werkzeugschuppen. Dort verbrachte Richard die meiste Zeit. Sie blickte durch das Fenster und sah ihn in der Ecke sitzen und schlafen. „Aha – so viel Arbeit – so viel Arbeit. Tut mir leid Lissi. Ich kann gerade nicht….das sehe ich ja jetzt. Sie quetschte sich durch das alte Schlüsselloch und flog schnell in seine Richtung. Dabei übersah sie einen Balken. So schnell wie sie flog, konnte sie nicht mehr verhindern, dass sie ungebremst dagegen donnerte. Sie fiel und plumpste unsanft auf den Boden. Dort verlor sie ihr Bewusstsein.

Es klopfte. Lissi drehte sich und murmelte etwas Unverständliches. „Lissi? Komm steh auf, wir wollten doch noch einkaufen gehen.“ Richard? Sie setzte sich abrupt auf. Blickte an sich hinunter und sah – sie war keine Fee. Sie hatte geträumt. Schnell sprang sie aus dem Bett. Drehte sich um einen Blick auf ihren Rücken zu werfen. Keine Flügel. Ein Traum. Das war ja auch kein Wunder, bei den sonderbaren Mitbewohnern. Sie rannte zu Tür, riss sie auf und fiel Richard um den Hals. „Äh – guten Morgen?“ „Keine Fee, keine Fee.“ Richard zog die Augenbrauen nach oben und schob Lissi etwas von sich. „Nein Feen haben wir hier noch nicht. Aber wer weiß das schon, diese kleinen Wunderwesen können sich gut verstecken.“ „Ich zieh mich schnell an und dann gehen wir was einkaufen. Etwas großes, schweres, dass ich dann tragen kann.“ Richard runzelte unverständlich die Stirn und winkte ab. Hier war eh nie etwas normal.

Lissi drehte sich um und schlüpfte schnell in ihre Jeans und ein T-Shirt mit einer süßen Fee darauf. Sie bemerkte es gar nicht. Dann rannte sie wieder zu ihrer Tür, drehte sich um und meinte einen sonderbaren Schimmer zu entdecken. Sie schüttelte den Kopf – nur ein Traum. Während im Schornstein der Ruß entzückend vor sich hin glitzerte, nahm Lissi diesen Traum, als das was er war – ein Traum.

ENDE

Bisher erschienen.

  1. Schreibkicks – die vererbte Zeitkapsel
  2. Schreibkicks – Weihnachstspezial – Die Sache mit dem Rentier
  3. Mach was…mit einer Festtags-Leckerei
  4. Schreibkicks – Märchen der guten Vorsätze
  5. Schreibkicks – Rückkehr der Freunde
  6. Schreibkicks – Die Welt bei Nacht mit einem Hausschuh.
  7. Schreibkicks – Im Spiegel lauert die Gefahr
  8. Schreibkicks – Mai – Lachen heilt alle Wunden
  9. Schreibkicks 2 in 1 – Auf dem Dach vom Glück gegrüsst. Part 1 v 2
  10. Schreibkicks 2 in 1 – Auf dem Dach vom Glück gegrüsst. Part 2 v 2
  11. Schreibkicks – Hitzefrei.
  12. Schreibkicks – Hurrikane

 

Schreibkicks, WG

Schreibkicks – Hurrikane

Ich weiss jetzt nicht so genau, ob die Schreibkicks weiter laufen, aber ich möchte mich von meiner WG noch nicht so schnell verabschieden. Deswegen habe ich ein aktuelles Thema gewählt.

Bei uns ist am Sonntag den 18.8 ein kleiner Sturm durchgerauscht, der dem Wald grossen Schaden angetan hat. Hier erfahrt ihr eine kleine Theorie.


Schreibkicks – Hurrikane

Ich war in meinem Zimmer und überlegte ob es vielleicht doch mal eine Klimaanlage sein sollte. So teuer waren die doch nicht mehr, oder? Es war nicht auszuhalten. ich hatte alle viere von mir gestreckt und lag im BH und Boxershorts auf der Decke. Jedes Stück Stoff mehr verbrannte mir, gefühlt die Haut. Und es musste eigentlich so viel erledigt werden. Im Moment vermisste ich meine kleine Wohnung, in der ich ungehemmt nackig herum laufen konnte. Das ging natürlich hier nicht. Das war dann wohl der Nachteil einer WG.

Ein Gedanke schlich sich in mein Gehirn, das war doch nicht meiner? Ich setzte mich auf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Verdammt, Dracula, ich hatte dir doch verboten in meine Gedanken einzudringen. Verschwinde aus meinem Kopf.“ „Und ich hatte dir gesagt, du sollst nicht so laut denken. Ich bin auch nur ein Mann und wenn dann jemand so schmutzige Gedanken hier herum schickt. Da kann ich mich nicht erwehren.“ „Das waren keine schmutzigen Gedanken.“ Erläuterte ich. „Oh doch, meine Dame. Ich komme aus einer Zeit, da waren das wirklich schmutzige Gedanken. Und ich muss sagen, sie gefallen mir.“ Ich kappte unsere Mentale Unterhaltung.

Ich erhob mich und zog mir ein luftiges Kleid an und versuchte meine Gedanken verschlossen zu halten, das war wirklich schwer. Verärgert öffnete ich meine Zimmertür. Richard ging gerade vorbei und erschrak. „Hi, Lissi. Alles Okay?“ „Nein, ich werde ihm einen Pflock ins Herz stoßen. Wirklich. Hast du nicht einen Notfall Pflock in deiner Werkstatt? Oder ein zufällig passend abgebrochenes Stuhlbein?“ „Hat Dracula wieder in deinen Gedanken gestöbert?“ Ich schnaufte nur zur Antwort. „Geh zu Minerva – sie kann dir da was zaubern, dass ihn aus deinem Kopf heraushält. Das hättest du schon längst machen sollen. Er ist halt so.“ „Er ist halt so…ihr Männer haltet zusammen, nicht wahr?“ „Hei, greif mich nicht an. Außerdem haltet ihr Frauen doch auch zusammen, also bitte. Geh zu Minerva.“ Ich winkte ab, aber schlug den Weg zu Minervas Zimmer ein.

Leise klopfte ich an ihre Tür. „Komm rein Lissi. Ich hab dich schon erwartet.“ Ich stutzte. Dann öffnete ich seufzend die Tür. „Es wissen wohl schon alle, warum ich komme?“ „Na das war früher oder später doch klar. Du hast ihm viel zu lange Einlass geboten. Das vergiftet das Zusammenleben. Und ich habe tatsächlich einen Notfallpflock. Für den Fall. Man kann ja nie wissen.“ Sie zeigte auf ihr Kopfende am Bett. Dort war sehr dezent ein Pflock eingearbeitet. Ich würde das in Auftrag geben. Ja, auf jeden  Fall. Irgendwann würde ich ihn benutzen. Diesen Gedanken schickte ich ganz provokativ in den Keller. Als Antwort kam nur ein anzügliches Lachen.

„Verbanne ihn aus meinem Kopf. Er macht mich kirre.“ Minerva erhob sich. Sie hatte so fließende Bewegungen an sich, dass mir immer schwindelig wurde, wenn ich ihr zusah. Es war einfach so berauschend. Sie schnippte vor meinen Augen. „Lissi? Bist du da?“ „Äh, ja entschuldige. Also her mit dem Ding, das mich abschottet.“ Sie wühlte in einer sehr hübschen Truhe. So stellte ich mir die Truhen der Damen von damals vor, wenn sie reisten. Und schon war ich wieder weg mit meinen Gedanken – ich sollte mal wieder meinen Plüscheinhornhausschuh nehmen und eine Reise tun.

Wieder schnippte es vor meinen Augen. Ich schüttelte meinen Kopf und wurde leicht rot. „Entschuldige.“ „Das er überhaupt in deinen Kopf will, so oft wie du abwesend bist. Das muss ja ein wahres Chaos da oben sein. Das mag er eigentlich gar nicht.“ „Er nimmt wohl was kommt.“ Schmunzelte ich. Vor mir hielt sie ein Diadem. Ein Diadem? Was sollte ich denn damit? „Ein Diadem? Was soll ich denn damit? Auf einen Ball gehen?“ „Nein, das musst du tragen, das schützt dich vor jeglichem Eindringen in deine Gedanken.“ Etwas verloren hielt ich das Ding in meiner Hand und drehte es hin und her. Dann setzte ich es auf. Es sah ja schon hübsch aus. Aber mich würde ja jeder für eine schrullige Alte halten, wenn ich mit so einem Teil einkaufen gehen würde.“ „Ähm, das ist ja wirklich wunderhübsch. Aber hast du nicht was Dezenteres?“  „Ach ja! Auch noch Ansprüche stellen? Hä. So spät kommen und dann auch noch Forderungen stellen? Du bist nicht alleine mit deinen Wünschen. Wir haben alle wünsche.“ Ich trat einen Schritt zurück. Irgendwie war sie gerade sehr unheimlich geworden.

„Ist alles Okay?“ „Okay? Okay? Als wäre jemals alles Okay.“ Ich blickte nach draußen und der gerade noch strahlend blaue Himmel hatte sich verdunkelt. Als wolle er auf die Erde stürzen, so dick und dunkel wirkten die Wolken. Minerva wütete durch ihr Zimmer und schimpfte vor sich hin. Ihre Hände zuckten dabei hektisch und bei jedem Zucken löste sich ein Blitz. „Was ist denn los?“ „Was los ist? Was soll denn los sein? Nur weil ich eine Hexe bin? Hä? Eine weibliche Hexe? Weil ich nicht wie die anderen bei ihren Schwestern lebe? Hä? Was meinst du denn? Hä?“

„Ich weiß nicht.“ Gab ich kleinlaut von mir. In diesem Moment schlug das Fenster auf und ein Sturm erhob sich. Oh nein. Oh nein. Ein Sturm. Ich würde doch nicht im Lande Oz landen? Ich musste Minerva beruhigen. „Minerva, meine Liebe. Beruhige dich doch, sonst heben wir noch ab und landen bei der Bösen Hexe des Westens.“ Minerva stutzte und blickte mich verwundert an. „Spinnst du? Ist dir die Hitze zu Kopf gestiegen? Oder sitzt das Diadem zu eng und dein Gehirn bekommt kein Blut mehr? Was redest du denn da?“ Ich blickte sie zweifelnd an, hob meine Augenbrauen und schaute mir den dunklen Himmel mit den Blitzen und den kleinen Tornados an.

„Ach shit. War ich das?“ „Sag du es mir.“ „Verdammt. Ich bin wohl etwas unausgeglichen. Ich hab eine Vorladung vom Hexenhammer bekommen.“ „Vom Hexenhammer? Du meinst dieses Hexenbuch bei dem ….“ „Ach nein. Die Ältesten fanden es witzig sich so zu nennen, da die Menschen das damals verwendet haben um uns auszurotten. Es soll uns Hexen bisschen Angst machen.“ Ich nickte „Aha.“ „Ja, die wollen wissen, warum ich in der Menschenwelt lebe und so. Warte, ich muss den Sturm mal bändigen. Ach Mist. Schau was ich angerichtet habe. Die Bäume sind umgeknickt. Oh weh. Da wird Keya aber echt sauer werden.“

Schon erschien Keya vor Minervas Fenster. Sie sah aus wie eine Erscheinung. Und ihr Gesicht war nicht freundlich. „Minerva! Was soll das. Warum hast du meine Freunde verletzt?“ „Ach Keya, das tut mir so leid. Ich hab ein kleines Aggressionsproblem.“ Keya stürmte ihrerseits wie ein kleiner Wirbelwind in Minervas Zimmer. „Was gedenkst du zu tun. Du hast so viel Bäume verletzt.“ „Was kann ich tun?“ „Du musst mit mir kommen, wir müssen sehen, was zu retten ist. Und du wirst kräftig anpacken müssen.“

„Ja, ja natürlich.“ Dann blickte Minerva auf mich. Sie lachte. „Was?“ „Entschuldige. Sie wühlte wieder in ihrer Truhe und holte ein kleines Etui heraus. „Gib mir das Ding auf deinem Kopf. Das war ein Scherz.“ Ich atmete erleichtert aus. „Hier, trag die Kette, sie wird dich abschotten.“ „Danke.“

„Wir werden etwas weg sein, ich hab wohl einiges auszubügeln.“ „Alles klar. Mach dir keine Sorgen. Dein kleiner Hurrikane-Ausbruch bleibt unter uns.“ „Von wegen.“ Herrschte mich Keya an. Alle sollen es wissen. Sie muss sich zusammenreisen.“ Minerva nickte geknickt. „Ja, stimmt schon.“ Und weg waren sie.

Ich verließ den Raum und traf schon wieder auf Richard. „Na hat sie dir was gegeben?“ „Ja“ Ich zeigte ihm die Kette. Er brummte. „Ich hatte eine Krone, die sie mir gegeben hatte. Stell dir vor, wie dich die Leute anschauen würden. Sie kann ganz schön gemein sein.“ „Ja und unberechenbar.“

„Hm?“ „Der Sturm – das war sie.“ „Ach. Mist. Ich wollte gerade schauen, was kaputt gegangen ist.“ „Ich komme mit.“

Wir standen vor unserem Haus. Es war unversehrt. Unsere Bäume um das Haus herum auch. Aber Den Hügel hinab hatte ein kleiner Hurrikane eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Viele Bäume waren abgeknickt. Es sah aus wie nach einem Krieg. Ich schlug die Hände vor den Mund und Tränen liefen mir die Wange hinab. „Ach Minerva.“

ENDE

Bisher erschienen

  1. Schreibkicks – die vererbte Zeitkapsel
  2. Schreibkicks – Weihnachstspezial – Die Sache mit dem Rentier
  3. Mach was…mit einer Festtags-Leckerei
  4. Schreibkicks – Märchen der guten Vorsätze
  5. Schreibkicks – Rückkehr der Freunde
  6. Schreibkicks – Die Welt bei Nacht mit einem Hausschuh.
  7. Schreibkicks – Im Spiegel lauert die Gefahr
  8. Schreibkicks – Mai – Lachen heilt alle Wunden
  9. Schreibkicks 2 in 1 – Auf dem Dach vom Glück gegrüsst. Part 1 v 2
  10. Schreibkicks 2 in 1 – Auf dem Dach vom Glück gegrüsst. Part 2 v 2
  11. Schreibkicks – Hitzefrei.
Schreibkicks, WG

Schreibkicks – Hitzefrei.

Es ist wieder soweit. Meine Schreibpause hat mir gut getan und ich hoffe, dass ich jetzt wieder voller Ideen durchstarten kann.

Gestern wäre eigentlich der Stichtag für Schreibkicks gewesen, aber da war ich noch nicht so weit. Leider verlassen einige diese schöne Aktion. Frau Vro und Nicole haben sich erstmal zurück gezogen. Deswegen kann ich also bisher nur eine Mitschreiberin verlinken.

Diesesmal dabei:

Corly

Das Thema für den 1. 9. wenn es überhaupt noch stattfindet?

Sollte Schreibkicks einschlafen, muss ich mir dann überlegen ob meine WG überlebt und wie ich dann zu neuen Themen komme. Mal sehen.


Hitzefrei.

„Hitzefrei.“ Schallte es durch die Flure. Während wir anderen uns alle in der Küche versammelten schwebte Amelia durch die Gänge und brüllte ständig: „Hitzefrei.“

„Amelia.“ Brüllte ich zurück und hielt mir ein Kühlbeutel an die Stirn. Das Thermometer zeigte vierzig Grad an. Ich blickte mich nach Frank um. Er wollte eigentlich etwas zu essen machen. Vielleicht würden wir grillen. Oh nein – bei der Hitze, würde mich keiner hinausbekommen. Sehnsüchtig blickte ich zur Kellertür. Dracula hatte dort seine Gemächer. Ich kicherte albern. Ja, das waren bestimmt Gemächer, schließlich war er ja auch Uralt. Dort war es bestimmt angenehm kühl. Aber die Tür blieb verschlossen. Nur Frank hatte einen Schlüssel, wegen des Weins und was er sonst noch so da unten zum Essen lagerte. Ob ich ihn überreden sollte mal aufzuschließen. Ich könnte ja vorgeben einen Wein zu suchen. Ach nein, das würde er mir eh nicht abnehmen. Bei den Temperaturen würde ich höchstens einen sauer gespritzten Apfelwein trinken. So, und schon war es passiert, der Wunsch nach einem eiskalten Sauer gespritzten war geboren. Ich erhob mich stöhnend von dem glitschigen Küchenstuhl und wedelte die Beine der Shorts trocken. Naja, trocken natürlich nicht, aber es gab eine kleine Abkühlung.

Ich schlürfte also zum Kühlschrank und hoffte erwünschtes zu finden. Was ich stattdessen fand, war ein kleiner Herzkasper. „Iigg.“ Quietschte ich, als mir Leon aus dem Kühlschrank entgegenblickte.

Leon war mein imaginärer Freund aus Kindheitstagen, der sich hier im Haus manifestierte und blieb. Ein Chamäleon-Krake. Ich weiß nicht warum ich einen Kraken wollte. Vielleicht weil er mich mit so vielen Armen knuddeln konnte? Jetzt erschrak er mich aber. „Huhu Lissie. Ein bisschen Abkühlung gefällig? Schau mal, meine Arme sind ganz blau. Ich könnte dich schnell mal drücken und du hättest eine angenehme Kühlung. Wie wäre es?“

Ich überlegte kurz und zuckte mit den Schultern. „Warum eigentlich nicht?“ Ich streckte die Arme aus und Leon sprang hinein. Er war sooo kalt, dass ich erst mal tief einatmen musste. Aber dann wurde es richtig angenehm. Ich kühlte sofort ab. „Ahhhh. Danke schön.“ Im Hintergrund konnte man immer noch Amelia „Hitzefrei.“ Brüllen hören. „Das ist doch gerne geschehen. Und jetzt nimm dir heraus was du wolltest und schließe die Tür, sonst wird es ja warm hier drinnen.“ Ich griff nach dem Apfelwein, schenkte mir schnell einen Schluck ein und füllte ihn mit eiskaltem Wasser auf. „Tür zu.“ Flötete Leon. Ich winkte zum Abschied.

Etwas erfrischt ging ich durch die Küche zur Hintertür. Dort sah ich Frank. Ich nahm einen Schluck und genoss das glitzernde Spiel meines Getränkes in dem Glas. Das angenehme Nass an der  äußeren Glasseite, wo das kondensierte Wasser abperlte. Ich war kurz in Versuchung diese Perlen abzulecken. Stattdessen nahm ich noch mal einen herzhaften Schluck.

„Hei Frank. Was machst du denn in der Hitze hier draußen?“ Frank drehe sich schwerfällig um und ich konnte seine rot verbrannte Nase bewundern. „Du hast ja einen Sonnenbrand auf der Nase.“ Lachte ich. Er fasste sich an diese und zuckte leicht. „Au.“ „Was machst du?“ „Essen.“ „Grillst du?“ „Nein.“ Er war nicht gerad der gesprächigste aber eine wahre Seele von  – ja ich erwähnte es schon – Menschenteilen. Außerdem sah er heute besonders witzig aus. Ich liebte ihn einfach. Er hatte ein Hawaiihemd an. Eine kurze Hose, Sandalen und griff jetzt nach einem Sonnenhut. Er sah zum Schiessen aus. Fehlte nur noch der Drink mit dem obligatorischen Strohhalm, den ich dann sogar entdeckte. Im Baum saß Keya, die zu uns an Weihnachten stieß. Als Baumnymphe hatte sie versucht den Weihnachtsbaum zu retten, mit Erfolg. Sie und Frank waren, ich denke man kann es so nennen, ein Paar. Ich winkte ihr zu. Sie sah traumhaft aus. Sie trug luftig leichte Kleidung, die mit zarten Blüten bedeckt war. Oder war sie nur in Blüten gekleidet? Einfach nur traumhaft. So zart. Welch ein Paar.

Ich blickte zu Frank. Er hatte auf einer Metallplatte ganz dünne Fleischscheiben und Eier ausgebreitet, die vor sich hingarten, in der Sonne. Die Sonne war so heiß, dass man keine externe Wärmequelle benötigte, außer vielleicht manchmal einen kleinen Anstoß unserer Haushexe, Minerva, die in einem gewagten Bikini auf der Liege im Schatten lag. Ich war also umgeben von hübschen Frauen und traute mich nicht einen Blick in die Fenster der Terrassentür zu werfen. Ich sah eher wie eine gestresste Mutter von drei Kindern aus. Schweiß stand mir auf der Stirn. Nicht nur auf der Stirn. Mein Tank Top war vorne und hinten verdächtig feucht mit verräterischen nassen Flecken. Ich hoffte, dass wenigstens mein Deo nicht versagte und schnüffelte unauffällig. Meine Haare hatte ich mit einem Gummiband nach oben gebändigt. Es sah wie ein Vogelnest aus. So sah ich aus, wenn es heiß war. Und auch sonst immer.

„Hitzefrei.“ Hörte ich Amelia und rollte mit den Augen. Von der Terrasse konnte man direkt in den anliegenden Garten gehen, der dringend mal einen Gärtner gebraucht hätte. Ich schrieb es auf meine virtuelle To-Do-Liste. Gärtnern, oder einen Gärtner. Mal sehen. Frank hatte sich ein kleines Stück abgesteckt in dem er leckeres Gemüse und Obst gepflanzt hatte. Ich schlenderte zu den Erdbeeren und zupfte paar ab. Hmmmm – so süß.

Wo war eigentlich Richard? Der kühlte sich bestimmt irgendwo ab. Im Freibad vielleicht. Ich schlenderte durch den verwilderten Garten und bemerkte, dass ich gar nicht wollte, dass er hergerichtet werden würde. Er war zauberhaft. Nein, er sollte so bleiben. Vielleicht könnte Minerva ihn etwas zurechtrücken. Oder Keya – sie hatte ja die Gabe zu den Pflanzen zu sprechen. Da ließe sich bestimmt was planen. Auf dem Boden sah ich eine verdächtige weiße Binde. Morphi – unsere Mumie. Ich folgte der aufgewickelten Binde und blieb erschrocken stehen. Dort in dem Mini-Tümpel, von dem ich gar nichts wusste, hatte sich Morphi hineingesetzt. Nackt. Eine nackte Mumie. Bitte lasst mich das nicht erklären, das war schon etwas verstörend. „Äh, hallo Morphi.“ Erschrocken blickte er mich an und suchte nach etwas mit dem er seine Blöße bedecken konnte. Ich drehte meinen Kopf und wartete. „Tschuldige.“ Murmelte er. „Ach kein Problem. Bei dieser Hitze muss man sich ja irgendwie abkühlen.“ Antwortete ich verlegen. Er war als lebender bestimmt eine Augenweide gewesen. Unter der mumifizierten Haut konnte man tatsächlich eine Art Sixpack entdecken. Ja, er war gut ausgestattet. Leicht errötend reichte ich ihm seine Mullbinde und verabschiedete mich. „Bis später.“ „Mhm.“

Ja – wenn es so heiß war, bekam man die skurrilsten Dinge zu sehen. Da war Richard. „Hitzefrei.“

„Richard, hier bist du ja. Was machst du?“ „Ich habe einen Pool gekauft. Ist das nicht toll?“ Skeptisch zog ich die Augenbrauen nach oben. „Einen Pool?“ dabei musste ich an Morphi denken. „Ja, da können wir uns alle abkühlen. Ach Lissie, bei den Temperaturen gibt es nichts besseres, oder?“ „Hm, ja wahrscheinlich.“ „Hitzefrei.“ Richard sah mich fragend an. „Frag mich nicht, das macht sie schon den ganzen Tag, ich weiß nicht woher sie das hat und was sie damit verbindet. Ich hab sie noch nicht gesehen.“ Er nickte und fing an aufzubauen. „Brauchst du Hilfe?“ „Ne – ich glaube nicht. Das sieht einfach aus.“ „Okay, dann gehe ich zurück zu den anderen. Ruf wenn du mich brauchst.“ „Okay.“

Auf dem Rückweg nahm ich mir vor, sobald es kühler war, den Garten zu erkunden. Wer weiß, welche Schätze mich da noch erwarteten. Oder Fallen. Auf keinen Fall alleine gehen, notierte ich mir gedanklich. Als ich auf die Terrasse zurückkam blieb ich abrupt stehen. Dracula war zu uns gestoßen. Ich konnte mich nicht beherrschen und musste laut lachen. Er war das schmalere und blassere Abbild von Frank. Der sonst so adrett gekleidete Gentlemen trug ein Hawaiihemd mit Shorts und Sandalen. Eine Sonnenbrille und ein Mexikanischer Sombrero rundeten die Karikatur ab. Er blickte mich böse an. „Diese Hitze macht sogar mir zu schaffen. Obwohl ich immer Kalt bin, ist mir zu heiß. Also unterlasse bitte blöde Kommentare, klar?“ „Klar.“ Lachte ich. „Aber wie kann es sein, dass du überhaupt rauskannst? Es ist hell und die Sonne scheint.“ „Minerva hat mir geholfen. Sie hat irgendein Schutzschild über mich gezaubert.“ Ich blickte zu der kühlen Schönheit auf der Liege. Sie winkte schwach ab. „Das war doch gar nichts.“ Murmelte sie verschlafen.

„Hitzefrei.“ „Amelia, tauch sofort hier auf.“ Rief ich. Und sie erschien. Sie entschlüpfte der Kühltasche. „Leute, wir haben Hitzefrei.“ „Von was hast du denn Hitzefrei? Weißt du denn was das überhaupt bedeutet?“ Fragte ich sie genervt. „Was meinst du? Hitzefrei ist wenn man frei hat, oder verstehe ich das falsch?“ „Nein, das ist schon nah dran, aber von was hast du Hitzefrei. Man muss arbeiten oder lernen um Hitzefrei zu bekommen.“ Sofort zog sie einen Schmollmund. „Glaubst du herumspuken ist keine Arbeit? Hä. Du bist ganz schön arrogant. Also so was.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Entschuldige, natürlich. Das war wirklich überheblich von mir. Was hast du vor wenn du Hitzefrei hast?“ Schon war sie wieder fröhlich. „Ich will in den Pool springen, den Richard aufbaut.“ Sofort änderte sich ihr Outfit. Sie war in einem Bade – wie soll ich es nennen. Badekleid? gekleidet. So wie man das aus der Vergangenheit kennt. Viel Rüschen und wenig Haut. Es sah entzückend aus.

„Dann würde ich doch sagen wir gehen schnell zu Richard und helfen ihm. Dann können wir alle eintauchen. Amelia, hol doch Morphi aus seinem Pool, er soll zu uns kommen. Richard hat bestimmt noch eine Boxershorts für ihn.“ Meinte ich verschmitzt.

Schnell begaben wir uns zu Richard, der leicht verzweifelt wirkte. „Hier ist die Verstärkung. Kommt Leute, schnell, da muss noch Wasser rein, damit wir endlich ins kühle Nass kommen.“

Minerva schob sich nach vorne. „Richard, ich hoffe ich trete deiner Männlichkeit nicht zu nahe, aber soll ich das nicht schnell erledigen?“ Er blickte sich um und stützte seine Hände in die Hüften. Seine Stirn legte sich in Falten und er überlegte scharf. Der ungeduldige, hoffnungsvolle Blick, dem wir ihm zuwarfen reichte wohl um ihn umzustimmen. Er trat bei Seite und machte eine ausholende Handbewegung. „Bitte schön, es wäre mir eine Freude, wenn das Ding schnell stehen würde.“ Ich flüsterte ihm noch schnell zu, dass er doch für Morphi eine Shorts holen sollte. Schnell schlüpfte er ins Innere um kurz danach eine Shorts in Hawaiimotiven in den Händen wieder aufzutauchen. Was soll das mit dem Hawaiimotiv??

Etwa dreißig Minuten später saßen wir alle im Wasser. Amelia war in der Mitte und tauchte immer wieder unter. Ich glaube für sie zählte einfach nur der Spaß, denn fühlen konnte sie das kühle Nass leider nicht. Wir hatten kleine Bootchen in dem unsere Drinks schwammen und genossen den schönen Sonnenuntergang. Es war einfach herrlich mit seinen Freunden einen so tollen Tag zu teilen.

ENDE

Bisher erschienen:

  1. Schreibkicks – die vererbte Zeitkapsel
  2. Schreibkicks – Weihnachstspezial – Die Sache mit dem Rentier
  3. Mach was…mit einer Festtags-Leckerei
  4. Schreibkicks – Märchen der guten Vorsätze
  5. Schreibkicks – Rückkehr der Freunde
  6. Schreibkicks – Die Welt bei Nacht mit einem Hausschuh.
  7. Schreibkicks – Im Spiegel lauert die Gefahr
  8. Schreibkicks – Mai – Lachen heilt alle Wunden
  9. Schreibkicks 2 in 1 – Auf dem Dach vom Glück gegrüsst. Part 1 v 2
  10. Schreibkicks 2 in 1 – Auf dem Dach vom Glück gegrüsst. Part 2 v 2
Schreibkicks, WG

Schreibkicks 2 in 1 – Auf dem Dach vom Glück gegrüsst. Part 2 v 2

Hallo ihr Lieben. Da ich zum 01.06 Aufs Dach gestiegen nicht geschafft habe, habe ich das Thema für den 01.07 Grüsse vom Glück kombiniert. HIER findet ihr den 1. Teil.

Mehr zu den Schreibkicks findet ihr HIER.

Teilgenommen am 01.07 haben:

Corly

 

Das Thema für den 01.08. lautet: Hitzefrei

 

Bisher erschienen:

  1. Schreibkicks – die vererbte Zeitkapsel
  2. Schreibkicks – Weihnachstspezial – Die Sache mit dem Rentier
  3. Mach was…mit einer Festtags-Leckerei
  4. Schreibkicks – Märchen der guten Vorsätze
  5. Schreibkicks – Rückkehr der Freunde
  6. Schreibkicks – Die Welt bei Nacht mit einem Hausschuh.
  7. Schreibkicks – Im Spiegel lauert die Gefahr
  8. Schreibkicks – Mai – Lachen heilt alle Wunden

Ich es auf zwei Tage verteilt, da es sonst zuviel zu lesen wäre.


Aufs Dach gestiegen und Grüsse vom Glück.

Amelia hatte sich verdächtig ruhig benommen. Das war so gar nicht ihre Art. Als wir endlich wieder in der Halle waren blühte sie auf.

„Wie lange wird denn der August bei uns bleiben?“

„Ich weiß nicht. Der Deal war solange er will.“

„Das kann ganz schön lange sein, oder?“

„Ja – das ist möglich. Was willst du mir denn sagen?“ So langsam nervte mich nämlich ihr gestammel.

„Ach nichts.“ Winkte sie ab.

„Amelia, sag schon, ich habe keine Nerven, das jetzt alles aus dir heraus zu kitzeln.“

„Haha. Kitzeln. Ein Gefühl, das ich schon lange nicht mehr gespürt habe.“ Ich rollte mit den Augen.

„Schon gut, schon gut. Ich hasse Clowns. Ich fand sie als Kind schon gruselig und heute nicht weniger. Dieses seltsame grinsen und die riesen Füße und das komisch rote Gekräusel auf dem Kopf mit dem viel zu kleinen Hut. Was soll denn diese viele Farbe im Gesicht. Nein, ich hasse Clowns.“

„Tja, meine Liebe, es tut mir wirklich leid, aber da müssen wir alle durch. Clowns sind auch nicht gerade meine Favoriten. Aber wenn er Mary erlöst, soll das gut sein. Wir werden das überstehen. Vielleicht sehen wir ihn ja nicht so oft. Hm.“

„Ja, ja, vielleicht.“ Maulte sie und verblasste.

Als wenn ich es mir aussuchen könnte, mit wem ich lebte. So einfach waren sie auch nicht. Aber das interessierte ja keinen. Tse.

Da an diesem Tag sonst nichts Besonderes war, zog ich mich in mein Zimmer zurück. Endlich konnte ich mal das neu gelegte Internet ausprobieren. Und mal wieder Serien streamen. Das hatte ich schon fast aus meinem Leben gestrichen. Aber heute nicht. Der Tag sollte mir gehören, oder wenigstens der Nachmittag. Aus meinem Versteck hinter der Wandvertäfelung neben dem Kamin, schnappte ich mir eine Tüte Chips und ein kühles Radler – Alte Häuser waren bald besser als ein Kühlschrank. Ich klappte den Laptop auf und startete mein Programm. Ich war so fern von aktuellen Serien, dass ich ewig brauchte um eine auszuwählen. Ich drückte Play und lehnte mich in dem bequemen Sessel zurück. Als es draußen rumpelte. Ich schloss die Augen, seufzte, stellte auf Pause und mein Bier auf den Tisch. Dann erhob ich mich. Widerwillig öffnete ich die Tür, zögernd. Ich war kurz davor sie einfach wieder zu schließen. Ich wollte echt nicht wissen was los war.

Ich zog die Tür auf, wie man ein Pflaster abriss. Schnell und ohne weiteres Zögern. Dann schob ich vorsichtig den Kopf raus um einen Knäul riesiger Schuhe und roter krauseliger Haare zu erblicken. Innerlich zögerte ich und dachte mir, irgendjemand wird kommen. Ja. Wer denn Lissi? Der „Irgendjemand“ bist immer du – schalt ich mich selbst.

Ich rannte los und kniete mich neben das Knäul Arme und Beine.

„August? August? Alles in Ordnung?“

„Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten, Fräulein. Aber sieht es so aus, als wäre alles in Ordnung?“ Immer höflich, der gute Kerl.

„Was ist passiert? War das Mary?“

„Oh, Himmel nein. Die Gnädigste würde so was niemals tun. Die Gütigste.“ Gütigste? Er wusste schon, wer sie war?

„Nein, ich bin über diese riesigen Schuhe gestolpert. Diese Dachbodentreppe ist nicht geeignet für solch ein Schuhformat.“

Ich nickte verständnisvoll. Mit meinen Einhornplüschschuhen hatte ich da auch schon diverse Probleme zu bewältigen. Ich sollte sie irgendwie absichern. Irgendwann mal.

„Komm, wir entknäulen dich erst mal und dann schauen wir was es leckeres zu Essen in der Küche gibt.“ Ich warf einen  sehnsüchtigen Blick in mein Zimmer in der die Flasche Bier und die offene Chipstüte neben meinem Laptop auf mich warteten. Ich seufzte und half August wieder auf die Beine.

Unten angekommen trafen wir auf die restlichen Bewohner. Amelia verkroch sich gleich ans andere Ende und beäugte August misstrauisch. Entweder ignorierte er es, oder nahm es gar nicht wahr.

Wir setzten uns an den Tisch. In der Mitte standen schon lauter kleine Häppchen und mir lief sofort das Wasser im Mund zusammen. Ich schaute mich nach der Glocke um. Keine – also kam der Pawlowsche Effekt direkt aus meinem Inneren.

Wir aßen und quatschten. August unterhielt uns mit Anekdoten aus dem Zirkus und zeigte uns auch einige seiner Nummern. Trotzdem sie schon echt alt und abgedroschen waren mussten wir alle herzlich lachen. Und mit allen, meinte ich alle. Sowohl Amelia hatte sich entspannt in die Ecke gesetzt und lachte, als auch ein bekanntes Gesicht aus dem Spiegel neben ihr. Sie lachte und lachte. Ich glaubte sogar etwas Farbe in dem Grauen Bild zu erkennen. Vielleicht hatte die Wahrsagerin Recht. Lachen heilte alle Wunden.

Wir lösten uns langsam auf. Ich begab mich wieder in mein Zimmer. Aber ich konnte nicht schlafen. Im Bad schnappte ich mir einen Handspiegel und begab mich aufs Dach. Wie so oft in alten Villen gab es eine Art Dachterrasse. Ich hatte den Aufstieg beim Besichtigen der oberen Stockwerke entdeckt. Aber den anderen nicht gesagt. Er lag hinter einem Wandteppich versteckt. Noch sollte er mir alleine gehören. Ich stieg also aufs Dach mit dem Spiegel in der Hand. Was ich erwartete wusste ich nicht. Aber ich wollte Mary irgendwie mal kennen lernen. Ich hatte keine Zeit mich mit ihr zu beschäftigen. Und wenn sie vielleicht erlöst werden würde, wäre sie weg.

Eine kleine steinerne Bank war vor Ort. Ich hatte mir schon eine Kissen zurechtgelegt, das ich jetzt aus der dazugehörigen Box holte. Es war ein herrlicher Abend. Schon bisschen warm und die Lichter der Stadt blinkten beruhigend wie Sterne am Boden.

Ich zog den Spiegel aus der Bademanteltasche und blickte hinein.

„Mary? Kannst du mich hören?“

So schnell wie sie erschien, blieb mir fast das Herz stehen.

„Ah Lissi. Wie schön, dass du dir Zeit für mich nimmst. Soll ich mich neben dich setzen und wir genießen den Ausblick gemeinsam. Für eine gewisse Zeit?“

„Netter Versuch. Nein, du kannst ruhig im Spiegel bleiben. Ich dachte wir unterhalten uns etwas.“

„Echt. Das ist doch irgendwie öde, oder?“

„Nein finde ich nicht. Erzähl mir doch ein bisschen von dir. Wie ist das alles geschehen?“

„Was meinst du? Dass ich im Spiegel gelandet bin? Dass ich töten will? Ich weiß es nicht. Es ist schon so lange her. Ich kann mich nicht erinnern. Weißt du. Es betrifft nicht mich direkt. Ich bin schon lange hier drinnen. Aber ich war nicht immer hier. Aber die Legende um Bloody Mary gibt es schon länger als mich.“

„Oh, okay. Das bedeutet, selbst wenn du frei sein könntest. Es wird immer eine Bloody Mary geben?“ „Ich weiß es nicht. Wenn dieser Fluch gebrochen wird, vielleicht nicht. Dann nur die Legende.“

„Hm.“ Ich grübelte. Würde es dann überhaupt Sinn machen sie zu befreien? Ich blickte in ihr trauriges Gesicht. Doch. Ja. Diese Bloody Mary hatte genug gelitten und anderen Leid zu gefügt. Für sie sollte es zu Ende gehen. Und wer weiß. Vielleicht würde mit ihr tatsächlich eine Legende ohne Begleiterscheinungen bestehen bleiben.

Wir unterhielten uns noch etwas und es machte richtig Spaß. Manchmal wurde sie mir zu eklig und brutal. Aber oft erzählte sie von Familien, die sie durch die Spiegel beobachtet hatte und wie sehr ihr das fehlte.

Es war sehr spät, oder fast schon wieder früh, als ich endlich ins Bett sank. Aus meiner Bademanteltasche vermeinte ich ein leichtes Schnarchen zu entnehmen. Mary schlief also auch.

Einige Wochen später hatte sich August sehr gut eingelebt und auch eingebracht. Wenn er nicht gerade Mary bespasste half er hier im Haus fleißig beim Renovieren und Restaurieren. Seine Aufenthalte in maroden Zirkussen hatten ihn einige Tricks lernen lassen.

Wir strichen gerade den oberen Flur, als ich ihn fragte:

„Wie geht es mit Mary voran? Mag sie dich?“

„Ja, ich glaube sie mag mich und meine Witze. Du solltest mal wieder vorbei kommen. Sie hat mir von eurem nächtlichen Aufenthalt erzählt. Sie war sehr einsam, bevor sie hier her kam. Ich glaube es dauert nicht mehr lange. Komm doch vorbei und guck mal zu.“

„Ja, das mache ich.“

Wir strichen schweigend weiter. Jeder in seine Gedanken versunken.

Am Abend ging ich mit nach oben. Richard hatte die Treppe etwas abgesichert mit Teppich und einem Geländer. Sehr viel besser.

Mary erwartete uns schon.

„Lissi. Wie schön, dich wieder zu sehen. Gut siehst du aus.“

„Danke.“ Erwiderte ich und war erstaunt über die Veränderung, die bei Mary vorging. Sie wirkte nicht mehr so grau. Nein, fast fleischfarben. Die Haare wirkten nicht mehr so strähnig und auch ihre Augen glänzten nicht mehr vor Wahnsinn. Sie glänzten freudig. Es war toll zu sehen wie sehr sie sich erholte. Ich glaubte August. Es war bald soweit.

Ich genoss August auftritt und kam jetzt öfter.

Dann war es soweit. Ich konnte es sehen. Mary flackerte. Sie lachte über einen von August Witzen dermaßen, dass sie anfing zu flackern. Ich stand auf und ging zum Spiegel.

Mary schaute mich an. Sie schaute mir tief in die Augen und ich bekam keine Gänsehaut. Es war soweit. Mary würde herauskommen. Der Fluch schien tatsächlich gebrochen. Ihr Fluch.  Ich hoffte, diesen Fluch würde es nie wieder geben.

Mary stieg aus dem Spiegel. Sie sah wunderhübsch aus. Wir waren alle noch etwas zurückhaltend. Als erstes ging August auf sie zu.

„Ach Mary – es ist so schön, dass du endlich frei bist. Du kannst jetzt endlich leben. Was wirst du machen?“

„Ich weiß nicht. Es ist alles so neu für mich. Ich werde wohl erst mal mein Leben genießen, oder? Zum Glück weiß ich durch die vielen verschiedenen Spiegelbesuche wie es jetzt so ist. Ich will, ich will. Ich weiß nicht…ich will frei sein.“

Sie streckte ihre Arme aus und drehte sich im Kreis. Dabei versprühte sie eine Lebensenergie und einen Lebenswillen, das es nur anstecken konnte. Wir alle lachten und tanzten bis in den späten Abend.

Ich ging zu Mary.

„Meine Liebe. Wenn du willst kannst du noch etwas bei uns bleiben, bis du weißt wo du hinwillst.“

„Ach Lissi, das ist so lieb von dir. Aber sei mir nicht böse. Ich war echt lange genug bei euch. Ich werde mit August reisen. Er hat noch bisschen gespart und damit tingeln wir um die Welt. Bis uns das Geld ausgeht und dann werden wir sehen.“ An der Tür klingelte es. Wir hatten chinesisches Essen bestellt.

Schnell trampelten wir hinunter. Frank deckte den Tisch. Richard ging mit dem Portemonnaie an die Tür und wir anderen setzten uns schon. Ein leckeres Essen und jeder hatte einen Glückskeks erhalten.

Wir lachten und knackten sie.

Als Mary dran war, hielten wir den Atem an. Sie knackte ihn und zog den kleinen Zettel heraus.

„Was steht drauf?“ Fragte ich ungeduldig.

„Komm sag schon.“

Mary hielt den Zettel hoch. Minerva schnippte mit den Fingern und er verwandelte sich in ein fliegendes Transparent. Mit glitzernder Schrift stand drauf:

Grüße vom Glück.

 

ENDE

Allgemein, Schreibkicks, WG

Schreibkicks 2 in 1 – Auf dem Dach vom Glück gegrüsst. Part 1 v 2

Hallo ihr Lieben. Da ich zum 01.06 Aufs Dach gestiegen nicht geschafft habe, habe ich das Thema für den 01.07 Grüsse vom Glück, kombiniert.

Mehr zu den Schreibkicks findet ihr HIER.

Teilgenommen am 01.06 haben:

Teilgenommen am 01.07 haben:

Das Thema für den 01.08. lautet:

 

Bisher erschienen:

  1. Schreibkicks – die vererbte Zeitkapsel
  2. Schreibkicks – Weihnachstspezial – Die Sache mit dem Rentier
  3. Mach was…mit einer Festtags-Leckerei
  4. Schreibkicks – Märchen der guten Vorsätze
  5. Schreibkicks – Rückkehr der Freunde
  6. Schreibkicks – Die Welt bei Nacht mit einem Hausschuh.
  7. Schreibkicks – Im Spiegel lauert die Gefahr
  8. Schreibkicks – Mai – Lachen heilt alle Wunden

Ich es auf zwei Tage verteilt, da es sonst zuviel zu lesen wäre.


Aufs Dach gestiegen und Grüsse vom Glück.


Nach unserem Besuch bei der Freak Show standen wir alle vor dem Platz im Kreis.

Ich wusste nicht wo mir der Kopf stand. In unserer Mitte stand der dumme August und grinste uns glückselig an.

„Hallo, ich bin der August und Makayla meinte, ihr würdet mich mitnehmen. Für einige Zeit ein Dach über den Kopf anbieten. Dafür muss ich nur bisschen ein Clown sein.“

Richard blickte mich fragend an.

„Makayla?“

„Öhm – ja, wenn ich schon mal in einer Freak-Show bin, muss ich doch auch zu einer Wahrsagerin gehen, oder etwa nicht?“ Fragte ich, mich rechtfertigend.

„Natürlich musste sie dahin gehen. Es ist einfach Schicksal.“ Trällerte Amelia tanzend.

Dracula schnaufte nur und meinte:

„Ich bin gegen einen Clown. Ich mag Clowns nicht. Sie ärgern einen immer. Ich bin strikt gegen lachen.“

„Ja, Dracula, das wissen wir. Du demonstrierst es regelmäßig.“ Flachste ich.

Er drehte sich erbost zu mir und ein Funkeln lag in seinen Augen. Ich straffte meine Schultern und er zuckte mit seinen, als wäre es nicht der Mühe wert sich mit mir anzulegen. Ich atmete leise durch, denn er machte mir manchmal schon bisschen Angst.

„Gut, ähm. Ja August. Du bist uns ein Willkommener Gast. Lass uns nach Hause fahren und nach einem Zimmer für dich schauen. Kommt Leute, es wird Zeit.“

Jetzt mussten wir uns nur noch in den Transporter zwängen, aber das dürfte ja für einen Clown kein Problem sein. Weiß man doch, dass sie zu Haufen aus diesen kleinen Minis krabbeln. Ich gluckste und erntete dafür einen strengen Blick von Richard.

Ich hängte mich bei August ein und wir folgten den anderen. Clowns waren wirklich nicht mehr so gefragt. Diese Slapsticks sind einfach nicht mehr in Mode. Da kann keiner mehr lachen.

„Was ist denn vorgefallen, dass du nicht mehr auftreten darfst?“

„Haben sie das so gesagt? Dass ich nicht mehr auftreten darf? Ich will nicht mehr. Der Weiße Clown ist ein Idiot. Er denkt er könnte eine Solokarriere starten und hat mich hinausgemoppt. Er hat blöde Gerüchte über mich verbreitet und meine Showeinlagen sabotiert. Er hat sogar meine Uhren verstellt, dass ich zu spät kam und irgendwann hat die Geschäftsleitung dann gemeint, es wäre wohl besser unsere Wege würden sich trennen.

In meiner tiefen Verzweiflung bin ich zu Makayla gegangen um mir die Zukunft vorher sagen zu lassen. Und sie hat mir gesagt, dass ihr kommen würdet und meine Hilfe bräuchtet. Ich hätte eine gute Zeit bei euch, nicht ungefährlich, aber ich würde meine Bestimmung finden und auch eine Lösung für mein Problem. Und dann kamt ihr tatsächlich. Und hier bin ich.“

„Ja, hier bist du.“ Ich mochte ihn. Als Kind ging ich gerne in den Zirkus und fand die Clowns immer witzig. Aber dieser Humor verlässt einen wenn man älter wird. Einfache Gags werden dann uninteressant.  In diesem Moment vermisste ich meine Kindheit. Sie war so unbeschwert.

„Minerva wird uns aufs Dach steigen.“ Meinte Dracula.

„Sie hasst Clowns.“ Ergänzte er.

„Warum?“ blickte ich fragend zu ihm.

Frank bewegte sich unwohl hin und her.

„Nicht sagen.“ Schubste er den Vampir an. Ich wunderte mich. Eigentlich war Frank immer zurückhaltend. Ein Gott in der Küche, aber auch ungeschickt wie ein Elefant im Porzellanladen.

„Wieso, Frank? Dracula? Was ist denn vorgefallen?“

„Nein, nein, ich sag nichts. Ich bin doch nicht lebensmüde. Wenn ich was von ihr erzähle, zaubert sie mich in einen Sarg und verbuddelt mich, so dass keiner mich die nächsten hundert Jahre findet. Nein, da musst du sie schon selbst fragen!“

Ich runzelte die Stirn. Was konnte nur vorgefallen sein? Ich wurde sehr neugierig. Minerva war noch auf dem Brocken und würde erst später wieder auftauchen. Vielleicht würde das eine andere Geschichte werden. Jetzt wollten wir uns erst mal mit August beschäftigen und seiner Aufgabe.

Er sollte nämlich, laut Makayla in der Lage sein unseren Problemgast, Bloody Mary, zu helfen.

Es war schon sehr spät, als wir ankamen und ich gähnte herzhaft.

„Ich glaube, ich werde jetzt nicht mehr alt. Lasst uns alles Weitere auf morgen verschieben. Komm August, ich zeige dir dein Zimmer. Wo ist dein Koffer?“

„Ich habe keine Koffer, nur dieses Bündelchen.“ Er zeigte auf ein zusammengebundenes Tuch an einem Stock. Ich stöhnte innerlich auf. Herrjeh, ich lebte in einem Klischee.

„Was meinst du damit, du wirst heute nicht alt? Du willst doch nicht etwa sterben? Oder doch, dann hätte ich eine Geisterfreundin. Es kann schon manchmal sehr langweilig werden, wenn ihr schlaft. Wirklich. Und manche von euch haben einen echt festen Schlaf, da kann ich durch euch durch und keiner wird aus versehen wach. Sehr öde. Es wäre toll noch einen Geist um mich herum zu haben.“

„Bloß nicht, ein Geist reicht wirklich. Du bist schon aufdringlich genug. Glaubst du ich merke nicht, wie du dich immer in meinem Sarg schleichst. Ich bin vielleicht schon tot, aber nicht so tot. Ich kann dich spüren.“ Kam die Antwort von Dracula.

Man könnte meinen ein leichter Rotschimmer verfärbte Amelias Wangen. Aber das konnte täuschen. Ich dachte mir sowieso schon, dass sie so ganz heimlich für Dracula schwärmte. Was ich wirklich nicht nachvollziehen konnte. Er war wirklich ungehobelt. Und das für einen Vampir, der angeblich Gentleman sein soll. Pft. Also nicht meiner hier. Der war immer genervt und patzig. Und beängstigend. Eine leichte Gänsehaut überzog meinen Arm und ich spürte den stechenden Blick des Vampirs. Ich sollte mal lernen meine Gedanken abzuschotten. Minerva würde mir bestimmt helfen können. Es war nicht erbaulich, wenn jemand deine Gedanken lesen konnte.

Müde schleppte ich mich nach oben und verabschiedete mich winkend. August schlappte mit seinen großen Schuhen hinter mir her und trällerte ein kleines Lied. Ich schaute ihn von der Seite an – welch eine Frohnatur. Na das würde ja interessant werden.

„Hier ist dein Zimmer. Bleib solange du willst. Schlaf gut. Es gibt keine festen Frühstückszeiten. Irgendwie schaffen wir es immer gemeinsam aufzutauchen.“ Kaum hatte ich das ausgesprochen regte sich ein Verdacht in mir. Sollte Amelia dafür sorgen, dass wir immer so schön regelmäßig auftauchten? Hm, nicht abwegig.

Einige Zeit wälzte ich mich allerdings doch noch in meinen Laken. Es war zu warm in meinem Zimmer. Ich stand auf und öffnete das Fenster. Die kühle Nachtluft verursachte mir erst mal eine Gänsehaut. Das Dracula in diesem Moment vor meinem offenen Fenster, kopfüber erschien, erschreckte mich kaum.

„Ähm, Gute Nacht Lissi?“

„Fragst du  mich gerade? Bis jetzt ist sie noch nicht so gut. Ich kann nicht schlafen. Du ja wohl auch nicht.“

„Du weißt doch, die Nacht ist meine Zeit, da gehe ich – ähh. Essen.“

„Ähhhhh – so genau will ich es nicht wissen. Jetzt bekomme ich das Bild nicht mehr aus meinem Kopf.“

„Soll ich dir helfen, dabei?“

Ich riss empört die Augen auf.

„Bleib aus meinem Kopf.“ Er zuckte die Schultern und machte sich weiter zum Abstieg.

„Du weißt, dass du auch die Treppe nehmen kannst, nicht?“

Er drehte sich um und lächelte mich verschwörerisch an.

„So ist es viel traditioneller.“

Ja, wenn jemand Wert auf Traditionen legte, dann wohl Dracula.

Ich ging zurück ins Bett und kuschelte mich in meine Decke. Es dauerte keine Minute und ich war eingeschlafen.

Wie gerädert erwachte ich am nächsten Morgen. Ich hatte wirre Träume von fliegenden Hausschuhen, bluttriefenden Jungfrauen und mittendrin einem Clown, der sich ständig auf die Nase drückte die dabei hupende Geräusche von sich gab.

Ich schlurfte hinunter in die Küche. Neben mir erschienen Richard, Morphi, Minerva. Wir trafen uns vor dem Treppenabgang. Das bestätigte irgendwie meinen Verdacht, dass Amalia uns alle zusammentrieb um gemeinsam zu frühstücken. Denn sie erwartete uns fröhlich lächelnd am Fuß der Treppe.

„Hallo, ihr Lieben. Das ist schön, dass ihr schon alle auf seid. Frank hat schon leckeres Frühstück bereitet und der Kaffee dampft schon in euren Tassen. „

Kaffee war das Zauberwort. Wir schlurften in einem gemeinsamen Zombiewalk Richtung Küche.

„Oh, die Dame des Hauses ist ja auch endlich wach.“

„Guten Morgen Dracula – ich kann nicht verstehen, dass du so fit bist – du bist doch Nachtaktiv. Ist mir echt ein Rätsel. Und dann noch gute Laune?“

„Das macht die Ernährung, meine Liebe. Proteinhaltig.“ Sagte er schmunzelnd und nippte an seinem Becher mit verdächtig dickflüssig rotem Inhalt.

Ich musste fast würgen, bei dem Gedanken was der Inhalt war. Wie eklig, am frühen Morgen. Pfui.

Nach einigen Schlucken Kaffee und einem leckeren Hörnchen war ich ansprechbar. Mein Ofen war hochgefahren und ich konnte klar denken.

„Okay Leute, erst mal – sind alle spiegelnden Flächen bedeckt und versteckt?“

Mary hatte mittlerweile herausgefunden, wie sie uns noch mehr nerven konnte – sie erschien nicht mehr nur in Spiegeln, sondern auch in spiegelnden Gegenständen, wie Töpfen oder Besteck. Das war schon extrem gruselig, wenn man sich den Löffel zum Mund führt und darin ein grinsendes Gesicht erschien. Das verdarb einen gehörig den Appetit.

Nachdem wir für Frank alles in unzerstörbares Metall umgewechselt hatten, mussten wir wegen Mary auf Plastikbesteck und Geschirr übergehen. Nicht sehr ökologisch – aber das war mein geringstes Problem.

„Ja, alles sicher verstaut und abgedeckt.“ Antwortete Richard.

„Gut, heißen wir erst mal unseren neuesten Gast willkommen. Hallo August – wir freuen uns dich kennen zu lernen. Du weißt, dass du mit einer wichtigen Aufgabe betraut werden sollst?“

„Hallo Leute, ich bin August und ja, du redest nicht lange um den heißen Brei herum. Ich weiß, dass ich für den Aufenthalt hier arbeiten muss. Und dass es nicht ganz ungefährlich werden wird.“

„Jaaaa – das klingt nicht ganz so nett, aus deinem Mund, aber es entspricht der Tatsache. Dafür kannst du aber auch so lange bleiben wie es dir beliebt. Auch was, oder? Nicht jeder kann von sich behaupten mit dem berühmten Grafen Dracula unter einem Dach zu leben und es überlebt zu haben…Oder von einem der Frankenstein Geschöpfe bekocht zu werden. Also, das macht sich schon ziemlich gut im Lebenslauf für Freakshows, oder?“

„Ach ich glaube Freakshows, da bin ich weg von. Aber klar ich werde euch bei eurem Dämonproblem helfen.“

„Ah, super, das finde ich echt klasse von dir. Ein Hörnchen?“ Ich reichte, widerwillig, eines der leckeren Hörnchen an August weiter. Davor musste Frank auf jeden Fall noch paar für mich machen. Die waren verboten lecker.

„Gut, dann sind wir wohl fertig mit dem Frühstück. Wie wäre es, wenn wir mal zu Mary gehen? Noch hat sie keinen genervt heute – das ist ein bisschen zu ruhig für sie. Hoffentlich hat sie keiner gerufen.“

Im Gänsemarsch begaben wir uns alle zur Dachbodentreppe. Ich machte die Vorhut und Richard die Nachhut, für den Fall eines Rückzugs.

Aber es schien alles friedlich. Durch das einströmende Sonnenlicht konnte man den Staub glitzernd fliegen sehen. Es sah richtig magisch aus. Wir bewegten und in geschlossener Formation Richtung des verhangenen Spiegels. Frank zog das Laken weg und vor uns saß sie – Mary. Sie wirkte bedrückt. Konnte ein Dämon bedrückt sein. War sie ein Dämon? Was war sie eigentlich.

„Ich bin eine geschundene Seele, um deinen Wirrwarr im Kopf mal abzukürzen. Und ich langweile mich. Ihr lasst mich die ganze Zeit alleine und habt ohne mich Spaß. Denkt ihr ich weiß nicht, dass ihr alles worin ich mich zeigen kann, abdeckt. Das ist echt ungastlich. Das gibt in der Bewertung Punktabzug.“

„Hallo Mary. Die Frage, wie es dir heute geht, erübrigt sich dann wohl?“ meinte ich sarkastisch. Sie tat mir schon irgendwie leid, aber ich hatte gehörigen Respekt vor ihr. Schließlich war sie höchst tödlich, wenn sie frei war.

„Ja, so ist das, wenn man gefangen gehalten wird – ich hoffe, das bleibt euch erspart. Nicht einer lädt mich zu sich ein. Ich wäre wirklich ganz brav, zu Freunden.“

„Ja, ja klar.“ Murmelte Minerva. „Und die Erde ist eine Scheibe, oder auch eine Kugel. Je nach dem wem man glaubt.“

Ich blickte fragend zu Minerva, aber sie zuckte nur genervt mit den Schultern.

„Wir haben einen neuen Gast. Den würden wir dir gerne vorstellen. Hast du Lust?“

„Interessiert das überhaupt jemanden, ob ich auf etwas Lust habe? Lässt er mich raus?“

„Vielleicht, später. Wer weiß, was kommen wird. Aber erst mal solltet ihr euch kennen lernen. Ein bisschen quatschen und Spaß haben.“

„Spaß – was ist er, ein Serienkiller? Mit dem könnte ich tatsächlich Spaß haben.“

Entsetzt riss ich die Augen auf und zerrte August vor den Spiegel.

„August, Mary. Mary, August. “

„Hallo gnädigste Maid. Mein Name ist August.“

„August, wer heißt den August. Und warum siehst du so komisch aus?“

August drehte schüchtern seinen kleinen roten Hut in den Händen. Er war im ersten Moment etwas brüskiert über die unhöfliche Entgegnung seines Grußes. Aber er war Profi. Er wusste mit schwierigen Publikum umzugehen.

„Gnädigste“, er deutete eine Verbeugung an.

„Ich bin ein dummer August. Ein Meister meiner Zunft. Ich bin ein Clown. Und mein Bestreben ist es Freude und Lachen zu bringen. Ganz zu ihren Diensten. Gnädigste.“

„Lissi – was ist das denn für einer? Wo hast du den denn aufgegabelt? Und was soll ich mit ihm? Töten?“

Ich hob beschwichtigend die Hände.

„Nein, um Gottes Willen. Nicht töten. Dich mit ihm unterhalten. Er ist gerade Arbeitslos und hat viel Zeit. Also kann er sich deine Geschichten anhören und vielleicht hast du Lust auch seine zu hören?“ Mary schaute misstrauisch.

„Ist das irgendein Trick?“

„Ein Trick mit einem Clown? Vielleicht wenn er ein Endlostaschentuch aus seiner Manteltasche zieht. Dass dann ja.“ Gab ich vorsichtig zu.

Der Blick den Mary mir zuwarf, die Gänsehaut die er verursachte spürte ich noch Stunden danach. Dieses Mädchen war wirklich gruselig. Eigentlich hatte ich gehofft, wir könnten eine Freundschaft aufbauen. Das wäre schon interessant gewesen. Aber Mary war einfach zu hinterlistig und verbittert.

Ich hoffte August würde ihr helfen können.

„Ja, ähm. Wir lassen euch dann einfach mal alleine. Wenn etwas ist, kann Mary ja mal kurz durch einen Spiegel Bescheid sagen. Nicht wahr. Das machst du ja so gerne.“ Sarkasmus, das konnte ich. Eine Art Selbstverteidigung gegen dieses unangenehme Gefühl in ihrer Nähe.

Fortsetzung morgen

Schreibkicks, WG

Schreibkicks – Mai – Lachen heilt alle Wunden

Es ist der 1. Mai und ein sonniger Feiertag. Ach, so könnte ich leben. Ausschlafen, gemütlich Kaffee trinken und meine neuen Geschichten rund um unsere Schreibkicks-WG präsentieren.

Mit dabei waren dieses mal:

Das heutige Thema ist Der Clown 

Das Thema für den 1.6. lautet: Aufs Dach gestiegen

Ein Clown ist das, was unserer Gemeinschaft noch fehlt. Mal sehen wie er sich integriert. Aber erstmal muss er ja auftauchen, das erleben wir heute.

Kommt mit und begrüsst alte Bekannte.

Diesen Ohrwurm am Anfang, hatte ich letzt wirklich gehabt…er passte einfach perfekt in den Anfang.


Schreibkicks – Clown

“Smelly Cat, Smelly Cat,

What are they feeding you?

Smelly Cat, Smelly Cat,

It’s not your fault. Hmmmhhmhmmmmhmmmhmmmm AHHHHH. Amelia – verdammt noch mal, ich hab dir doch gesagt, du sollst das lassen. DU SOLLST NICHT IN MEIN BADEZIMMER GLITSCHEN, vor allem wenn ich gerade dusche.“ „Und komische Lieder singst?“ „Ich hab einen üblen Ohrwurm aus einer der letzten Friends-Serie – das  Lied verfolgt mich jetzt schon paar Tage. So ein Mist. Aber jetzt verschwinde.“ „Ich weiß gar nicht was du hast – wir sind doch Mädchen – ich kenn doch alles, was du so hast – und ich kann dir sagen – das sieht alles sehr gut aus bei dir.“ Ihr anerkennender Blick ließ mich erröten. Ich griff nach meinem Handtuch. „Ähm – ja danke – aber ich mag doch irgendwie meine Privatsphäre.“ Amelia seufzte: „Na gut.“

Ich rollte die Augen. Wusste ich doch, dass sie das immer wieder machen wird. Ich brauch einen Geisterabwehrzauber, oder so was. Da sollte ich mal Minerva fragen. Ich trocknete mich also ab. Der Spiegel war angelaufen. Ich wischte darüber und…“AHHH – ja verdammt – wollt ihr mich hier wirklich alle umbringen?“ „Mir ist langweilig. Komm und besuch mich. Am besten um Mitternacht, mit einer Kerze. Was meinst du? Dann können wir uns wie Freundinnen unterhalten.“ „Mary. Wie schön dich zu sehen. Und so überhaupt nicht gruselig.“ Seit neuestem wusste ich, dass Bloody Mary hier in einem Spiegel hauste. Auf dem Dachboden. Sie kann sich nun in den Spiegeln bewegen. Was wirklich sehr gruselig ist, da sie auch noch gruselig aussieht. Mit diesen langen dunklen Haaren, die immer irgendwie über ihr Gesicht hängen und den dunklen stechenden Augen. Brrrr. „Komm schon, mir ist echt langweilig.“ „Du warst so lange eingesperrt, wie kann dir jetzt langweilig sein?“ „Mir war da auch schon langweilig. Aber ich hatte niemanden dem ich es erzählen konnte. Früher, das waren noch Zeiten, da wurde ich immer mal gerufen. Mutprobe und so. Aber irgendwie – ich scheine wohl nicht mehr in Mode zu sein?“ „Ach naja – Klassiker sterben nie wirklich aus.“

Ich drehte mich um und verlies einfach mal das Badezimmer – vielleicht hatte ich in meinem Zimmer mehr Ruhe und konnte mich auch mal anziehen. So langsam fühlte ich mich bisschen schamhaft. Ich betrat mein Zimmer und war nicht so wirklich überrascht: „Minerva – na warum überrascht mich das nicht?“ „Hm? Ach du meinst diesen Überfall?“ „Du bist nicht die erste heute.“ „Soso. Nun gut. Eigentlich wollte ich dir sagen, dass ich diese Nacht nicht da sein werde. Als musst du bisschen vorsichtig sein.“ „Okay – Aber eigentlich musst du dich nicht bei mir abmelden.“ „Das weiß ich doch. Aber es ist Walpurgisnacht – und – nun, da werde ich bisschen – abgelenkt sein.“

„Walpurgisnacht. Echt. Du machst da mit? Küsst du dem Teufel dann auch den Hintern und heiratest ihn?“ „Ach, das war früher so, heute sind auch wir in der Zukunft angekommen. Natürlich nicht. Der Teufel ist ein Ar….sehr unangenehmer Zeitgenosse – und stinken tut er auch – also seinen Hintern küsse ich bestimmt nicht. Allerdings sind seit paar Jahren auch Hexer zugelassen – und – ja. Ähm ich wollte dir nur sagen. Auf dem Brocken ist so was wie ein Funkloch – ich kann also nichts wahrnehmen – was hier so geschieht.“ „Komm, erzähl schon. Ist da ein bestimmter Hexer, auf den du es abgesehen hast? Ich hab ja gehört die Walpurgisnacht ist eine große Orgie.“ „Lissi! Schäm dich. Ich wusste gar nicht, dass du so ungehörig bist.“ „Waas? Man darf doch bisschen neugierig sein?“

„Das finde ich aber auch.“ Wir blickten beide ertappt hoch. Der Spiegel. „Mary. Schon wieder?“ „Genau das meinte ich. Ich werde nicht da sein um SIE“ dabei zeigte sie ihre Hand im Kreis drehend, auf Mary – „im Zaum zu halten.“ „Du musst mich nicht im Zaum halten – ich weiß mich zu benehmen. Ich will auch bisschen Spaß. Nimm mich mit auf dem Brocken.“ „Nur Hexen, keine Dämonen. Verschwinde.“ Mary tat wie ihr befohlen.

„Also sei Lieb und spiel nicht mit Mary. Sie ist hinterlistig.“  „Okay – vielleicht finde ich ja eine Lösung für ihr Problem.“ „Das glaube ich kaum. Da suchen schon lange andere nach. Also ich mach mich mal auf den Weg. Ich will nicht zu spät kommen.“ „Pass auf und verflieg dich nicht.“ Sie winkte mir koket zu und ich war ein bisschen neidisch. Ich könnte auch mal wieder einen ausgelassenen Abend gebrauchen.

Ich ging hinunter. Eigentlich hatte ich, nach diesem Start nicht so wirklich Lust. Obwohl ich Minerva ja mal einen ausgelassenen Abend gönnte, machte es mich bisschen traurig, dass ich keinen haben würde. In der Küche hörte ich Tumult. „Hei, was ist denn hier los?“ „Ein Zirkus, ein Zirkus ist in der Stadt.“ „Was, heute?“ „Jaaaa. Ein Zirkus.“ Amelia tanzte durch die Küche, was wirklich seltsam aussah, da sie teilweise immer wieder in den Küchenschränken verschwand. „Und was ist so besonderes an diesem Zirkus?“ Fragte ich erstaunt. Richard drehte sich auf dem Stuhl in meine Richtung. „Ein Zirkus.“ „Jaaaa? Das hab ich verstanden. Aber ein Zirkus ist doch nichts Außergewöhnliches.“ „Ach, jetzt sag es ihr schon, Richard.“ Er seufzte und funkelte Dracula an, der mit einem Glas Blut lässig an der Spüle lehnte und in die Dunkelheit hinaus sah. „Nun gut – es ist ein Underground Zirkus.“ „Underground?“ „herrjeh, sie versteht wieder mal gar nichts. Wen hat Ernestine nur hierher geschickt? Komm Kind, setz dich.“ Dracula klopfte auf den Stuhl neben sich, auf dem er mittlerweile Platz genommen hatte. Augenrollend und ein klein bisschen Schmollend, setzte ich mich und schaute ihn wie ein genervter Teenager an. „Also was ist das jetzt?“ Maulte ich. „Ein Underground Zirkus ist das was man als Freak Show kennt.“ Ich riss die Augen auf. „Freak Show. So aus Anfang 1900? Mit Missgeburten und geknechteten Menschen? So was?“ Betreten schaute mich Richard an und Dracula seufzte genervt. „Natürlich ist das, das was vermittelt wurde. Aber ein Underground Zirkus, der ist für uns da. Für die Geschöpfe der Nacht.“ Wie machte er das nur mit diesem dramatischen Echo, das sich manchmal unter seine Stimme mischte. Das verschaffte mir eine Gänsehaut.

„Hm – okay – das bedeutet?“ „Ach jeh. Frank, bitte schenk mir doch noch ein Glas dieses hervorragenden Tropfens ein. Diese Frau bringt mich zum Verzweifeln.“ Frank, ganz galant mit einem weißen Tuch über dem Unterarm geschlungen und einer Flasche roten Inhalts, trat an den Tisch, stolperte und schüttete den Halben Inhalt auf Dracula. Zum Glück nicht auf mich, Igitt….“Grrrr. Frank!“ „Tschuldigung.“ Murmelte dieser betroffen. „Wir gehen in den Zirkus, wir gehen in den Zirkus.“ Trällerte unterdessen Amelia weiter. „Hör zu, Lissi.“ Sprach Richard mich an. „Unsere Freunde haben nicht wirklich viel Auswahl am Ausgehen. Da gibt es Fasching und Halloween. Das war es. Aber so ab und zu kommt solch ein Kuriositäten Laden zu uns. Und da müssen sie einfach hingehen. Glaube mir. Du wirst es mir danken, wenn sie einen guten Abend haben, von dem sie noch ein paar Wochen zehren können. Wirklich, du musst mir glauben.“ Dabei sah er mir flehend, schon fast verzweifelt tief in die Augen. Als wolle er mich hypnotisieren. „Ja, ist okay. Ich hab ja nichts dagegen. Ihr seid ja vor mir auch dahin. Habt ihr geglaubt ich verbiete es?“ Die Gruppe blickte sich fragend an. „Ja.“ „Warum?“ „Weiß nicht, du wirkst so steif.“ „Waaaasss? Ich bin total locker.“ Ein Lachen erhob sich. Und verstummte sofort. „Ja, natürlich, total locker.“ Ich verzog das Gesicht und streckte ihnen die Zunge hinaus. Also bitte. Ich war wirklich locker. Meistens.

„Gut, wann gehen wir?“ Fragte ich. Amelia war aufgeregter als noch die ganze Zeit davor. Sie kam neben mich und drückte mir einen kalten Kuss auf die Wange. Oder sagen wir – sie versank in meiner Wange und dieses Gefühl war wirklich eklig. Sehr kalt und ich konnte ihre Gedanken fühlen. Sehr, sehr schräg. Natürlich war ich jetzt sehr neugierig, was wir denn in dieser Freak Show antreffen würden. „Hei, ich will mit. Ich bin auch ein Freak. Holt mich doch mal einer aus diesem verdammten Spiegel. Dracula? Ach ne – du siehst ja nix im Spiegel. Frank?“ Dieser blickte entsetzt zu mir. Ich beruhigte ihn mit einem sanften streicheln über den Arm. „Nicht, dann Amelia? Süße Amelia? Wir könnten viel Spaß haben. Tanzen, Haare flechten.“ „Oh, das klingt toll. Darf ich?“ „NEIN!“ Riefen Richard und ich. „Ach kommt, ihr seid Spielverderber. Richard – komm lass mich raus. Wir können auch miteinander spielen.“ Wie süß, Richard errötete und zog schnell die Stirn in kraus. „Auf keinen Fall. Bis wir dich entschärft haben, bleibst du im Spiegel. Und das sage ich hier jedem. Lasst sie bloß nicht raus. Verstanden?“ Alle nickten. Richard war selten so bestimmt. Sehr sexy.

„In einer halben Stunde geht es los. Treffen in der Halle.“ Richard ging hinaus und wir  anderen blickten uns an. Dann fuhren wir alle aus den Stühlen hoch und rannten in unsere Zimmer. Ich war mittlerweile so angesteckt von der Euphorie, ich würde doch noch was erleben heute.

Etwa dreißig Minuten später trafen wir uns in der Halle. Es waren alle da. Ich, Richard, Dracula, Morphi – ich glaube er hatte seine Binden entstaubt? Frank und seine angebetete Keya – unsere liebe Baumnymphe. Und unsere imaginären Freunde Leon der Chamäleonkrake und Waldemar der Hund.  „Wo ist Minerva? Ach, ja ich erinnere mich, Walpurgisnacht.“ Wir quetschten uns in den Transporter und Richard fuhr los. Viel rum gekommen war ich in diesem Städtchen noch nicht. Die Arbeiten am Haus hatten mich immer davon abgehalten. Sehr schade, denn es sah wirklich sehr gemütlich aus. Ich muss unbedingt mehr ausgehen, dachte ich.

Wir fuhren etwa eine Stunde und ich würde nie wieder heim finden. „Wann sind wir denn endlich da?“, fing ich an zu nörgeln. „Wenn wir da sind.“ Blaffte Richard zurück. Keine zehn Minuten später stellte er das Auto ab und stieg aus. Wir waren in einem Moor. „Ein Moor? Sehr zuverlässig. Beinhaltet die Freak Show auch paar Moorleichen, oder brauchen sie vielleicht noch welche, weswegen wir hier eingeladen wurden?“ „Haha. Sie kann ja witzig sein.“ Sagte Dracula und schupste mich beim Vorbeigehen an. Ich folgte ihm und die anderen mir. Nicht weit und wir standen vor einem Tor. „Parole?“ Echt eine Parole – waren wir in den Zwanzigern und wir gingen jetzt in einen verbotenen Club. Ich war so aufgeregt, das war so spannend. Dracula flüsterte dem Wächter etwas ins Ohr, dieser blickte uns an und öffnete die Tür. Wir gingen hinein und ich war sprachlos. Hinter dieser Tür befand sich ein Jahrmarkt. Ich befand mich in der Vergangenheit und fühlte mich wie ein Kind. Da war der starke Mann, die dicke Frau mit Bart, die Schlangenfrau, der Feuerschlucker, das Wolfsmädchen, alles was man jemals mit dieser Attraktion in Verbindung gebracht hatte. Und ihr werdet es nicht glauben: Es liefen Vampire, Mumien, Wertiere und viel andere Fabelwesen hier herum.

Dracula eröffnete das Wort: „ich würde sagen, jeder geht einfach mal los. Wir haben ja unterschiedliche Interessen. Treffen wir uns einfach irgendwann am Ausgang. Okay?“ und schon war er weg. Er hatte sich aufgelöst – eine kleine Säule aus Qualm war noch übrig. Ich blickte Richard an: „Das kann er auch….ach was ein Klischee dieser Vampir doch ist.“ „Willst du bei mir bleiben, ähm, oder machst du dich alleine auf den Weg?“ Fragte Richard mich. Ich hatte das Gefühl, er wollte lieber alleine sein. Ein Tête-à-Tête? „Nein, nein, gehe nur. Ich werde schon zurechtkommen.“ Ich winkte ihm und drehte mich schon um. Alles war schön in einem Kreis angeordnet – das war sooo gut. Ich fing einfach mal beim starken Mann an. Er hatte, wie man es aus alten Filmen kennt, sogar ein geringeltes Trikot und einen langen Schnauzbart. So ging ich weiter zur dicken, bärtigen Frau, zur Schlangenfrau und der Feuerschlucker, der sogar ganz niedlich aussah. Es gab sogar diese Frau-Mann Person, die eine Hälfte war eine Frau, wunderhübsch und die andere ein ansehnlicher Mann. Herrlich. Meine Runde endete an dem Zelt der Wahrsagerin.  Ich dachte mir: Ach komm Lissi, eine Wahrsagerin, hast du nicht schon genug an der Backe – eine Wahrsagerin? „Komm rein, hübsches Kind. Hab keine Angst. Es geschieht dir nichts.“ Ich blickte mich erstaunt um und trat ein.

Ein tolles Ambiente erwartete mich. In dunklen Rottönen hingen viele Tücher herunter. Es funkelten überall Sterne und an einem runden Tisch saß eine hübsche Frau mit einer Glaskugel. Sie war etwa in meinem Alter und wirklich rassig. Eine Sinti. Ihre dunklen Augen nahmen mich sofort gefangen. Bis sie den ersten Satz sagte: „Ich sehe, du hast Probleme?“ Okay – schon war der Zauber dahin. „Ja, wer nicht?“ „Stimmt – jeder hat Probleme. Entschuldige bitte Lissi, für diesen blöden Einstand.“ Ich riss die Augen auf und den Mund. „Woher ich deinen Namen weiß? Ich spreche mit Geistern.“ In diesem Moment tauchte Amelia im Hintergrund auf. „Hehe.“ „Na toll. Ihr wollt mich also veralbern. Toll.“ Aber lachen musste ich trotzdem. Die Frau war einfach zu sympathisch. „Aber jetzt mal ernsthaft. Du hast ein Problem. Und zwar mit Bloody Mary.“ „Amelia?“ „Nein, das weiß ich nicht von Amelia.“ Ich hob meine Augenbrauen und legte meinen Kopf gespannt in meine gefalteten Hände. „Weiter.“ Bat ich sie. „Bloody Mary ist gefährlich. Das weißt du. Sie ist eine geschundene Seele und will jeden für ihren Tod büßen lassen. Sie brauch…“ Eine theatralische Pause .“…August.“ „August?“ „Ja August.“ „Was ist ein August?“ „Na sie meint den Sommer, du Dummerchen.“ Zwitscherte Amelia  „Was den Monat? Was hat den der August mit Bloody Mary zu tun? Das versteh ich nicht.“ „Ach Amelia, nicht den Monat – den Dummen August.“ „Einen Clown?“ „Ja – einen Clown.“ „Das versteh ich immer noch nicht. Was soll denn ein Clown mit Bloody Mary zu tun haben?“ „Er wird sie zum Lachen bringen und es gibt nichts besseres, eine geschundene Seele zu heilen, als Lachen.“

„Natürlich – einen dummen August – und wo kann ich einen bestellen? Ich mein, man läuft ja nicht mehr so vielen Clowns über den Weg, seit Pennywise und Twisty haben die Kinder ja eher Angst vor Clowns.“ „Ja – ein seltsames Phänomen“ meinte die Wahrsagerin nachdenklich. „– aber wie der Zufall es will. Wir haben einen dummen August, der ein neues zu Hause sucht. Er hat sich mit dem weißen Clown verstritten und hat keine Lust mehr. Oder sagen wir so – er muss wohl hier weg, ist wohl wirklich hässlich geworden, zwischen den beiden. Also er bräuchte eine neue Unterkunft.“ „Na wie praktisch.“ Meinte ich. „Ja – das ist doch echt Schicksal, oder?“ Lachte die Sinti, deren Name Makayla war. „Ach bitte, Lissi. Ein Clown, das fehlt uns doch noch in unsere Mitte.“ „Meinst du? Als wenn ich nicht schon genug Spaß mit euch hätte.“ Antwortete ich sarkastisch.  „Das kann ich nicht alleine entscheiden, das muss die Gemeinschaft entscheiden. Ich frage sie und sag dir dann bescheid.“

Vor dem Zelt von Makayla nahm ich mir erst mal Amelia zur Brust. „Was soll das? Musst du jedem von uns erzählen?“ sie blickte mich etwas betrübt an. „Ich habe nichts erzählt – wir sind doch bekannt. Jeder weiß von uns und auch von dir. So was spricht sich in unserer Gemeinde einfach schnell rum. Jeder würde gerne bei uns wohnen. Wir sind so nett.“ Ich legte meinen Kopf schief. „So, nett also. Nun, schauen wir mal was das mit dem dummen August werden soll.“ Ich ging zum Treffpunkt. Einige waren schon versammelt. Nur Dracula und Richard fehlten noch. Beide ließen aber nicht lange auf sich warten. Und sie sahen etwas derangiert aus. Ich hob eine Augenbraue, worauf Richard wieder errötete und Dracula geheimnisvoll lächelte. Kurz erläuterte ich die Situation. „Ach ich weiß nicht. Ein Clown. Dann liegt überall Konfetti herum und wir bekommen ständig Wasser ins Gesicht gesprüht.“ Dracula schüttelte sich. Richard antwortete: „Aber anscheinend brauch er unsere Hilfe. Und erinnert euch, warum ihr bei uns seid.“ Betroffene Blicke. Ich schaute jedem ins Gesicht. Mein Kopf drehte sich hin und her – irgendwas passte nicht. Ein Gesicht war mir unbekannt. Ich schrak zurück. Ein rotgeschminktes Gesicht mit dicker Nase grinste mich an. „Hallo, ich bin August.“

ENDE

 

Bisher erschienen:

  1. Schreibkicks – die vererbte Zeitkapsel
  2. Schreibkicks – Weihnachstspezial – Die Sache mit dem Rentier
  3. Mach was…mit einer Festtags-Leckerei
  4. Schreibkicks – Märchen der guten Vorsätze
  5. Schreibkicks – Rückkehr der Freunde
  6. Schreibkicks – Die Welt bei Nacht mit einem Hausschuh.
  7. Schreibkicks – Im Spiegel lauert die Gefahr
Schreibkicks, WG

Schreibkicks – Im Spiegel lauert die Gefahr

Wieder haben wir den 1. und es Schreibkickzeit. Wir besuchen die besondere WG, die ich dank euch gerne beschreiben.

Das Thema für den 1 war dieses Mal – Im Spiegel

Mit dabei waren diesen Monat:

Letztes Mal hat Lissi von ihren Freunden ein besonderes Geschenk bekommen. Sie haben eine Tür geöffnet, durch die Lissi die Welt und die Zeiten bei Nacht durchreisen kann. Dabei geholfen bekommt sie von Littlerock. Ihr Einhorn-Kuschel-Hausschuh. Sie besucht das Jahr 1969 um den Anfang ihres Hauses zu sehen.

Da Lissi dieses Mal von ihren Freunden getrennt ist, wird es etwas dramatischer und auch ein bisschen gruselig.


Oh wow…ich flog mit Littlerock durch die dunkle Welt und er brachte mich zu meinem Haus in 1969. Das musste ungefähr die Zeit gewesen sein, in der Ernestine dieses Haus erstanden hatte und auch nach und nach einrichtete. „So Lissi. Hier kannst du jetzt bleiben solange du willst. Denke dran – das ist die Vergangenheit. Die Dinge sind schon geschehen. Du kannst nicht eingreifen und irgendwas ändern. Du brauchst dir also keine Gedanken um einen Schmetterlingseffekt zu machen. Du kannst nur beobachten. Alles klar?“ Mir war noch bisschen schwindelig, da dieser Zeitsprung schon etwas ungewohnt war. Vergleichbar mit einer Achterbahn im Dunkeln. Abgefahren. „Ah, ja. Da bin ich schon etwas erleichtert. Wer weiß was mich sonst zu Hause erwarten würde. Das Chaos, das jetzt herrscht, reicht mir schon, wer weiß was sonst passieren würde. Beobachten reicht mir schon und vielleicht bisschen lernen.“ „Gut, dann ziehe ich mich mal an deinen Fuß zurück. Wenn du zurück willst, oder wo anders hin musst du nur dran denken.“ Ich nickte und etwas kitzelte mich. Als ich auf meine Füße schaute, waren beide Einhorn-Plüsch-Hausschuhe wieder an ihrem rechtmäßigen Platz. Ich betrachtete das Haus. Es war dunkel, aber ich konnte ganz gut sehen. Ein Rumpeln erklang und ich konnte erkennen, wie ein alter LKW sich die Straße, oder was aussah wie eine zukünftige Straße, zum Haus hochquälte. Im Führerhaus saß eine Frau. Sie war so in den Dreißigern-Vierzigern. Schwer zu schätzen. Ich wusste ja auch gar nicht wie alt Ernestine geworden war.

Ich schaute mich um. Das Haus war in einem schlimmen Zustand, da sah es ja heute noch richtig gut aus. Das Dach war teilweise eingestürzt, die Fenster entweder eingeschmissen, oder stumpf. Die Fassade, da hatte sich nichts geändert, die war immer noch so trist-grau. Der Baumbestand, den würde ich identisch schätzen. Natürlich ohne unseren tollen hauseigenen Weihnachtsbaum, der kam ja erst dieses Weihnachten dazu. Ein alter Reifen, der als Schaukel diente hing an dem Baum direkt vor dem Haus. Also musste es mal Kinder gegeben haben. Der Reifen war heute nicht mehr da. Er bewegte sich. Wild schaukelte er hin und her. Aber es ging kein Wind. Ein Geist! Noch ein Geist? Ich konnte ein Schemen erkennen, aber er zeigte sich nicht deutlich.

Der LKW hielt vor dem Haus, die Frau sprang heraus und ging nach hinten. Sie ließ die Laderampe herunter und aus dem dunklen inneren sprang ein großes Etwas. Frank – oh Frank. Ich wollte zu ihm und ihn begrüßen, als mir einfiel, dass ich ja nur stiller Beobachter war. Leicht enttäuscht beobachtete ich, wie es weiter ging.

„Frank mein lieber, du wirst wohl die meiste Arbeit haben. Die Dinge aus dem LKW müssen erst mal ins Haus, kümmerst du dich drum? Aber bitte, sei vorsichtig. Da sind wirklich wichtige Dinge drin und die dürfen nicht kaputt gehen. Okay?“ „Okay!“ nickte er.

Ernestine ging die Treppe zum Eingang hoch und steckte den Schlüssel, den ich auch heute noch benutzte ins Schloss. Die Tür klemmte. Sie stemmte sich dagegen. Aber nichts tat sich. Frank kam zu ihr und drückte vorsichtig gegen die Tür. Mit einem tiefen Seufzer öffnete sie sich und ein Schwall kalter, muffiger Luft entwich dem Eingang. In diesem Moment hatte der Reifen aufgehört zu schaukeln. Aber es achtete keiner drauf.

Ich hatte mich neben Ernestine gestellt und wir gingen nebeneinander her. Die Eingangshalle war ein wahres Chaos. Durch die kaputten Scheiben war allerlei Blattwerk und Äste hineingeweht worden. Ebenso lagen einige Tierskelette herum. Die Bodenfliessen waren fast schwarz vom Jahre alten Staub und sonstigen Verwitterungen. Ich schlug die Hände vor den Mund. Ach du gute Güte. Wie hatte Ernestine das alles erledigt?

Ernestine trat mit mir wieder an die Luft. „Oh Frank, das wird eine Heidenarbeit werden. Aber ich weiß schon, dass hier bald Unterstützung eintreffen wird. Das wird wunderbar werden. Ich freu mich schon so.“ „Mpf.“ Kam es aus dem LKW. Danach rumpelte eine Kiste heraus. „Frank, pass doch auf. Da sind zerbrechliche Dinge drin.“ „Tschuldige.“ Ernestine zuckte mit den Schultern und lachte. „Schon gut.“

Ich schaute nach oben, da ich eine Bewegung wahrgenommen hatte. Da flog etwas verdammt schnell und akrobatisch über uns weg. „Ah – unsere Unterstützung kommt.“  Ich blickte immer noch nach oben und nahm eine Bewegung am oberen Fenster wahr. Da wo heute mein Zimmer lag. Irgendwas war in dem Haus. Dann wurde ich aber auch schon abgelenkt. Ein starker Windhauch erwischte mich. Oder sagen wir, ich fühlte es in der Erinnerung. Eigentlich spürte ich gar nichts. Trotzdem erschrak ich. Ein kleiner Wirbel landete auf der Eingangsstufe. „Minerva. Meine liebste Freundin. Schön, dass du uns unterstützen willst bei unserem Unterschlupf.“ „Aber nur weil du meine Freundin bist und wir schon so viel erlebt haben. Und, na ja ich brauche auch ein neues Zuhause. Also nicht so uneigennützig.“ Ein tiefes Lachen erklang. Eines das ich schon so gut kannte. Aber nur selten in dessen Genuss kam.

Wieder gingen wir drei hinein. Minerva blickte sich um. „Ist noch jemand bei uns?“ „Nein, nur Frank, bis jetzt.“ „Hm.“ Meinte sie misstrauisch.  Sie schüttelte sich und ging weiter. „Oh wei. Da hast du dir ja eine Bruchbude ans Bein gebunden.“ „Ich hoffte, du wirst das ändern.“ „Das dachte ich mir schon. Nun gut, ich werde aber schon ein bisschen Zeit brauchen. Das ist ganz schön herunter gekommen.“ „Du hast alle Zeit der Welt.“  Die beiden Frauen gingen weiter. Hinter Minerva bemerkte ich schon, dass sich die Bodenfliessen veränderten. Sie erlangten nach und nach ihren heutigen Zustand. Auch die Fenster setzten sich wieder zusammen. Die Sonne schien gerade herein und hinterließ das schöne Muster, das ich so liebte. Das Fenster über der Eingangstür war in einem Mosaik gestaltet. Wenn man es genauer betrachtete konnte es ein Schwanz von einem Pfau sein. Es warf einfach tolle Farben ins Innere.

Ich drehte mich schnell um, da ich schon wieder einen Schatten wahrgenommen hatte. Kaum hatte ich ihn gesehen, zerbarst das Fenster. Ich duckte mich um nicht geschnitten zu werden. Ein Reflex – ich war ja hier unverletzlich. Die Tür schlug zu. Was war das nur? Und dann sah ich es. Nein sie. Amelia. Sie war schon vor allen anderen da? War das ihr Haus? Und warum war sie so wütend?

Ich hatte wohl ein Gespräch mit ihr zu suchen. Da kam Frank in die Aula. Er hatte eine flache, mannshohe Kiste bei sich. Minerva und Ernestine kamen zurück und blickten sich um. „Was ist denn hier passiert? Frank?“ „Nicht ich. Ich draußen.“ Minerva blickte sich um. „Ich glaube wir sind nicht alleine. Ein kleines Problem, darum kümmern wir uns später. Was ist das? Ist es das, was ich befürchte? Wieso hast du es mitgenommen. Wir hätten es zerstören sollen.“ „Ich weiß, aber sie ist doch auch nur eine gequälte Seele. Vielleicht kann irgendwann ihr jemand helfen. Wenn sie drinnen bleibt, kann man sich ganz gut mit ihr unterhalten. Nur wenn irgendein doofer Teenie mal wieder meint sie rufen zu müssen, dann wird sie bisschen, na sagen wir gefährlich?“ „Ein bisschen. Na ich weiß ja nicht. Das ist etwas untertrieben.“

Wovon redeten die beiden nur? Ich folgte Frank auf den Dachboden. Er stellte die Kiste in die hinterste Ecke, in der ich noch nicht war. Es war sehr voll gestellt und schmutzig und dunkel dort. „Frank, stell bitte noch was davor. Man soll es nicht gleich sehen. Ich  muss mir überlegen was wir mit ihr machen. Solange sollte sie erst mal hier bleiben. Ich hoffe, die Schutzmechanismen halten sie dort fest.“ „Sie wird gefunden werden. Du weißt von wem?“ „Ja, wie soll ich sie nur darauf vorbereiten? Minerva?“ „Guck mich nicht an. Das ist deine Aufgabe.“ „Ich werde dann nicht mehr da sein. Ich kann sie nicht schützen. Das müsst ihr dann übernehmen.“ „Ach verdammt. Ich wusste, dass da ein Haken sein würde, wenn ich hier einziehen würde. Du bist hinterlistig.“ „So kannst du das nicht sagen. Nennen wir es, vorbereitet.“ Lachte meine Tante. Ich hätte sie gemocht. Sie war locker und sympathisch. Von wem sprachen sie? Von mir? Was war nur in der Kiste?

Ich hatte genug gesehen. Ich glaube ich sollte langsam wieder nach Hause. Ich könnte ja jederzeit wieder kommen.

Ich dachte an meinen Hausschuh und schon erschien Littlerock vor mir. „Na schon fertig?“ „Ja, ich werde langsam müde und will wieder nach Hause. Es war ein toller Tag, äh tolle Nacht. Aber ich habe noch was zu überprüfen.“ „Gut halte dich fest.“

Minerva und Ernestine standen in der Halle. „Was meinst du, wird sie nach der Kiste suchen?“ „Glaub mir Ernestine, sie wird. Vielleicht ist sie die Richtige der Kleinen zu helfen. Ich werde auf jeden Fall da sein und mein Bestes geben.“ Ernestine klopfte Minerva zuversichtlich auf die Schulter. „Ich weiß meine Liebe, ich weiß.“

**

„Wo bleibt sie denn so lange? „Maulte Amelia. „Will sie denn gar nicht mehr zu uns zurückkommen.“ „Ich würde nicht mehr kommen.“ Brummte Dracula. „Ihr seid so anstrengend, da würde ich lieber unterwegs bleiben.“ Amelia fuhr durch ihn durch. „Hei, lass das. Du bist ja noch kälter als ich.“ „Dann ärgere mich nicht. Sie soll gefälligst wieder kommen. Das sollte doch nur ein kleines Geschenk sein, das sie ab und zu mal entspannen kann. Aber sie muss wieder kommen. Sie muss.“ Amelia stampfte mit ihrem Fuß auf und verschwand im Boden. Kurz darauf tauchte sie dort wieder auf. „Mist, noch nicht mal stampfen kann ich ohne im Boden zu verschwinden. Ihr habt es so gut mit echten Körpern.“

„Du nervst.“ Meinte Richard. „Sie kommt bestimmt wieder. Wir sollten einfach mal nach unten gehen. Ich bekomme Hunger. Frank. Haben wir noch einen kleinen Snack?“ „Ja. „Brummte er. Da hatte sich nichts geändert. Er war heute genauso sprachgewandt und gesprächig wie vor fünfzig Jahren. „Gut, ich hab auch langsam Hunger.“ Meinte Dracula. „Vielleicht gibt es noch ein bisschen Blutpudding für mich.“ „Igitt. Du bist eklig.“ „Was, wieso denn. Ich bin ein Vampir, das ist unsere Nahrung. Sei froh, dass ich Renfield nicht mitgebracht habe. Dann hätten wir wenigstens keine Spinnen und Käfer mehr hier, der hätte sie alle gegessen.“  Amüsiert betrachtete Dracula wie Amelia würgte. „Es reicht – da vergeht einem ja der Appetit.“ Minerva blickte zweifelnd zu Richard. „Das würde dir ganz gut tun. Da zeichnet sich ein kleines Bäuchlein unter deinem Shirt ab. So bisschen Appetitlosigkeit wäre da nicht schlecht.“ „Das sind nur Blähungen.“ „Ja klar.“ Frank stimmte brummend in Minervas Gelächter ein. „Und die kleinen Leckereinen, die Frank backt verschwinden von alleine Nachts. Haben wir vielleicht ja noch einen Bewohner, der sich darüber hermacht. Bestimmt das Orakel.“ Alle lachten und Richard schnaufte empört. „Ihr werdet schon sehen. Das ist kein Bauchansatz.“ Langsam begab sich die Truppe nach unten. Frank setzte einen Topf mit Milch auf und holte die Snacks aus dem Schrank. Dracula verfeinerte seine heiße Schokolade mit einem gehörigen Schuss Blut und löffelte genüsslich seinen roten Pudding. Amelia umkreiste alle und schnüffelte an den leckeren Sachen. Manchmal fuhr sie ihre Zunge aus und leckte dran. „Ahhh.“ „Lass das, das ist eklig.“ „Was denn, ich kann es doch gar nicht berühren, aber es schmeckt so lecker.“ „Wie kannst du was schmecken?“ „Ich kann nichts schmecken, aber ich erinnere mich…hmmmm.“

Ein Plumpsen vom Dachboden ließ die Gruppe verstummen. So schnell, dass man es nicht wahrnahm, verschwand Amelia durch die Decke. „Sie ist wieder da.“ Rief sie immer leiser werdend. Schnell standen die anderen auf und folgten ihr über die Treppe.

Ich stand auf dem Dachboden und Amelia wirbelte um mich herum. „Da bist du ja, da bist du ja wieder. Ich dachte du kommst nicht wieder. Wo warst du?“ „Langsam. Mir wird ja ganz schwindelig.“ Sagte ich und blickte in die Ecke, in der die flache Kiste stand. Hinter den anderen Kisten konnte ich die Ecke erkennen. Die anderen erschienen und ich antwortete. „1969 hier.“ „Uh.“ „Du bleibst schön hier. Ich weiß, dass du hier schon gelebt hast. Ich hab dich gesehen.“ Ich glaube, sie wurde rot. „Darüber will ich bei Gelegenheit mehr erfahren. „Ist nicht so aufregend.“ „Das kann ich ja dann noch entscheiden.“ Aber jetzt will ich erst mal ein kleines Geheimnis meiner Tante lüften. Frank!“ „Hm?“ „Sei doch so lieb und schaff die Kisten, die du damals vor die Flache, dahinten gepackt hast, bei Seite. Ich will doch mal sehen was dahinten drin ist.“ Er schüttelte verneinend den Kopf. „Nö. Soll gefährlich sein.“ „Quatsch.“ „Nö.“ Richard blickt mich fragend an. „Was soll denn da sein?“ „Das weiß ich ja noch nicht. Aber sie haben ein riesiges Geheimnis gemacht. Minerva?“ Minerva drückte sich an den anderen vorbei. „Schätzchen. Willst du das wirklich?“ „Ja, auf jeden Fall.“ „Gut, ich wusste es. Aber höre die Warnung. Sobald der Schutz der Kiste weg ist, wird sie gefährlich, wenn sie jemand anruft. Die letzten fünfzig Jahre war sie nur eine Legende, da sie nicht mehr auftauchte, aber wenn du den Schutz entfernst und kannst ihr nicht helfen, ist sie gefährlich.“ „Wer denn? Wer ist so gefährlich, dass ihr sie hier mitgebracht habt?“ „Mary“. „Mary? Welche Mary?“ „Bloody Mary.“ Mir fiel die Kinnlade herunter. „Die Bloody Mary im Spiegel?“ „Genau die.“ „Verdammt.“ Ein Raunen ging durch die Gruppe. Alle flüsterten vorsichtig ihren Namen. „Bloody Mary.“  Richard meinte dann: „Lass bloß den Schutz dran. Spinnst du, die Kiste öffnen zu wollen?“ Minerva hob ihre Hand. „Es wird nicht anders gehen. Es scheint Lissis Aufgabe zu sein Mary zu helfen.“ Dracula meldete sich. „Bei was helfen?“ „Eine Legende zu bleiben.“

Morphi hatte sich von der Gruppe gelöst und schlurfte langsam in die Richtung der Kiste. Er zog Frank mit sich. „Räum es weg.“ Meinte er und es hörte sich an wie „Räu ee weeg“ Diese Mullbinden. Ich hielt mich zurück – Morphi redete so selten, da musste man ihn einfach mal aufbauen. „Ja, Frank räum es weg. Morphi hat recht.“ Frank blickte zu Minerva. Sie nickte und er verschob die Kisten. Dann standen wir alle vor der unheimlichen Kiste. Richard hatte ein Stemmeisen aufgetrieben und fing schon an die Nägel zu lösen.

Amelia stand vor mir und zitterte leicht. „Bist du dir sicher, dass wir sie im Haus haben wollen. Können wir den Spiegel nicht einfach zerschlagen?“ Minerva antwortete. „Oh nein. Das geht nicht. Im Spiegel ist sie gefangen. Sie kann ihn nur verlassen wenn sie angerufen wird. Also achtet drauf nicht fünf Mal hinter einander ihren Namen zu nennen. Das könnte nicht gut ausgehen für euch.“ „Na toll. Ich bin ja schon tot. Mir kann es ja egal sein, oder?“ „Hm, wer weiß.“ Meinte Minerva, geheimnisvoll. Das war ihre kleine Rache, da Amelia und sie immer mal wieder aneinander gerieten.

Der letzte Nagel fiel. Wir hielten alle die Luft an. Frank hob den Deckel ab. Ein wunder schöner Rahmen erschien. Wunderschöne Verzierungen umgaben das Innere.  Ich trat näher. Richard hielt mich zurück. „Vorsicht.“ Ich nickte. Oben war der Spiegel mit einer Obstschale verziert, die von zwei Löwen gehalten wurden. Die Seiten waren schmucklos und unten waren Efeupflanzen verrankt. Aber der eigentliche Blickfang befand sich im Spiegel.

Eine junge Frau blickte mir entgegen. Sie war farblos. Wirklich farblos. Also Schwarz-Weiß. Und sie blickte mich mit dunklen hasserfüllten Augen an. Ihr Mund war zu einem Schrei verzogen. Ich wollte mir die Hände auf die Ohren drücken. Aber es war nichts zu hören. Ich schaute sie mir an. „Hallo. Mary? Ich bin Lissi.“ Ihre Gesichtszüge entspannten sich. Sie legte ihren Kopf schräg und blickte mich neugierig an. „Und, warum sagst du  mir das? Lass mich raus, dann können wir uns kennen lernen. Sag meinen Namen. Ich war so lange alleine hier drinnen.“ Minerva beobachtete die Szene. Bereit jeder Zeit einzugreifen. „Ach komm. Glaubst du wir kennen die Legenden die um dich Ranken nicht. Ich weiß, dass du heraus kommst um mich zu töten. Aber so spielen wir das nicht. Ich soll dir wohl helfen können. Viellicht lösen wir das Rätsel gemeinsam. Solange solltest du im Spiegel bleiben.“

„Du weißt, dass ich heraus komme wenn mich jemand ruft?“ „Das weiß ich. Aber die Legende hat sich geändert. So leicht bist du nicht mehr heraus zu holen.“ „Sei dir nicht zu sicher, Lissi.“ „Sicher, was ist schon sicher? Du wirst nichts dagegen haben, wenn wir den Deckel darauf machen, dann hast du deine Ruhe. Während wir uns beratschlagen. „Neeein bitte nicht.“ „Das ist zu deinem Besten, glaub mir.“ Frank legte den Deckel wieder auf und Richard befestige ihn mit einem Zugband.

„Was hat sich denn in der Legende geändert?“ Fragte Dracula. „Das erzähle ich euch bei einem leckeren Kakao.“ Schnell verließen wir den Dachboden. Ich war bisschen zittrig. Mary hat mir ganz schön Angst eingeflößt. Aber die anderen sollten das nicht wissen. Ich wollte sie nicht beunruhigen.

„So jetzt erzähle.“ Forderte mich Richard auf. „Ihr wisst ja bestimmt, dass ich ein Horror-Film-Fan bin. Also hab ich auch schon einige Filme über Bloody Mary gesehen. In der wahren Legende heißt es, ihr Name soll fünf Mal gerufen werden. Aber die Filme und Bücher haben mittlerweile verbreitet, dass man sie drei Mal anrufen soll. Also ist das falsch. Deswegen wird sie wohl kaum ausbrechen und Unheil verursachen. Wenn nicht jemand über die Wahrheit stolpert.“ „Das ist aber sehr wackelig.“ „Ich weiß, aber das ist das einzige, das wir haben. Wir sollten also schnellstens herausfinden, wie wir ihr helfen können.“

So saßen wir alle in Gedanken versunken da und nippten an unserem Kakao, während über uns die Gefahr schwebte.

ENDE

Bisher erschienen:

  1. Schreibkicks – die vererbte Zeitkapsel
  2. Schreibkicks – Weihnachstspezial – Die Sache mit dem Rentier
  3. Mach was…mit einer Festtags-Leckerei
  4. Schreibkicks – Märchen der guten Vorsätze
  5. Schreibkicks – Rückkehr der Freunde
  6. Schreibkicks – Die Welt bei Nacht mit einem Hausschuh.