Weihnachten in der WG
Hallo ihr Lieben. Es ist Weihnachten und ich hoffe, ihr könnt alle dieses tolle Fest genießen. Euch allen sende ich einfach paar virtuelle Glücksgefühle hinüber. Die Welt hat Euch alle lieb. Ob im Kreise Eurer Liebsten oder alleine. Lasst dieses Gefühl in Euch einkehren und verbringt paar schöne besinnliche Stunden.
Wir – das heißt die Bewohner unserer kleinen WG, können es nicht abwarten. Das ist mein zweites Weihnachtsfest mit meiner neuen Familie und ich freue mich wahnsinnig darauf. Ich denke, es wird ohne Zwischenfälle statt. Das ist ja bei meinen Freunden nicht so unbedingt immer der Fall.
Wie sich das in einer WG gehört, hat jeder so seine Aufgaben. Und wie das in jeder WG der Fall ist, funktioniert das ohne Probleme? – natürlich nicht. Die zugeteilten Aufgaben passen natürlich dem ein oder anderen nicht.
Der Einzige, der wirklich zufrieden mit seiner Aufgabe ist, ist Frank – er kocht unser Weihnachtsmenü und backt die Weihnachtsplätzchen. Und seit Tagen riecht es so verführerisch aus der Küche. Ein Problem, wenn man eines von Frankensteins Monstern als Koch beherbergt – er hat die Gewalt über die Küche. Also läuft das im Moment so: Er verweigert uns allen den Zutritt zur Küche. Ab und zu hört man ein unflätiges Fluchen, das so gar nicht zu unserem Frank passt. Dann klirrt immer mal was – obwohl wir das meiste ja schon in unzerbrechliches getauscht haben, findet er immer wieder etwas, was zu Bruch gehen kann. Keine Ahnung wo er da wühlt, dafür. Vielleicht gibt es eine geheime Kammer, die sich nur für den Koch öffnet? In diesem Haus würde mich das nicht wundern.
Wo war ich – ach ja – die Küche. Ihr fragt Euch, wie wir an unser Essen kommen? Lieferdienst. Ja – wir lassen uns Essen liefern. Ist das zu fassen. Da haben wir einen genialen Koch und müssen uns Essen liefern lassen. Hinterm Haus stapeln sich die Essensverpackungen. Ihr könnt mir glauben, wir lechzen schon nach echtem, gesunden Essen. Immer mal wieder schleicht einer von uns vor der Küchentür herum und bettelt nach dem gut duftenden. Das einzige, das er uns vor die Tür stellt, ist Kaffee, Kakao und Draculas Mahlzeiten – Blut. Aber heute ist es so weit – mir läuft schon bei dem Gedanken an das gute Essen das Wasser im Mund zusammen.
Kommen wir zum Rest. Keya, die Baumnymphe, haben wir dieses Jahr gebeten, das mit dem Weihnachtsbaum zu regeln. Letztes Jahr hatten wir sie ja in unserem aufgestellten Baum entdeckt. Sie war erzürnt, dass wir ihn einfach getötet hatten. Das managt sie dieses Mal. Der Baum aus dem letzten Jahr hatte sie vor dem Haus platziert. Sie sagt, den können wir nicht haben, er hätte ein Trauma aus dem letzten Jahr behalten und panische Angst erneut eingesperrt zu werden. Er würde uns nur erlauben ihn zu schmücken, weil das seine Laune heben würde und die Depressionen dadurch verdrängt würden. Das haben wir dann Keya überlassen. Ich hatte doch bisschen bedenken, dass uns der Baum vielleicht mit seinen Ästen verprügelt, um sich zu rächen. Er sieht aber jetzt wirklich sehr hübsch aus. Keya hat viel Naturmaterialien verwendet. Aber eine Lichterkette musste trotzdem dran. Wenn man unten im Dorf ist, sieht er einfach göttlich aus. Schön groß und toll beleuchtet. Er thront quasi über dem Dorf. Der König der Weihnachtsbäume.
Im Inneren hat sie uns eine hübsche Nordmanntanne vermittelt. Eine edle Dame hat Keya uns gesagt. Sie will verwöhnt werden. Das bedeutet, bestes Wasser und hübschester Schmuck. Wir haben uns wirklich Mühe gegeben. Sie ist in Gold und Silber gehalten – einer Dame würdig. Schöne goldene und silberne Kugeln, die von innen heraus leuchten. Sie sind schön verziert. Mit Häuschen und Sternchen, die besonders schön glitzern. Das ist der Vorteil, wenn man eine Hexe im Haus hat – sie kann das ganze magisch etwas aufpeppen. Auch die Schleifen haben wir in Gold und Silber gehalten. Etwas Rot für die Akzente wurde dazwischen gemischt. Die Girlande ist der Höhepunkt. Sie windet sich um den Baum und verleiht ihm Lebendigkeit. Ich glaube, die Tanne ist ganz zufrieden so. Ich weiß nämlich, von Keya, dass sie sonst den Schmuck einfach abgeworfen hätte. Minerva – unsere Hexe – hat einen Zauber gewirkt, dass es direkt über der Tanne schneit. Es sieht einfach traumhaft aus.
Aber nicht, dass Ihr denkt, Minerva hätte das freiwillig gemacht. Ha! Mit Nichten. Sie war der Meinung, sie hätte dieses Jahr schon genug gezaubert und auch Ihr würden Weihnachtferien zustehen. Sie weigerte sich, dem Ganzen den nötigen Schuss Magie zu verpassen. Tagelang haben wir auf sie eingeredet. Aber, nach dem wir alle sie angefleht hatten, war sie gnädig und wirkte diesen hübschen Zauber. Dafür muss ich ihr meinen Einhorn Hausschuh überlassen, damit sie ab und zu mal in die Vergangenheit reisen kann.
Ich ging hinunter in den Keller. Das Reich von Morphi und Dracula. Ich bin selten hier unten. Der Keller ist mir immer bisschen unheimlich. Umso erstaunter könnt Ihr mir glauben, war ich jetzt. Eigentlich wollte ich die Herren bitten mir bei der Weihnachtsbeleuchtung der Außenfassade zu helfen. Was ich hier unten sah, raubte mir den Atem. Ich kam in ein Winter Wonder Land. Die Treppen waren mit einem Läufer verkleidet, der tatsächlich winterlich war. Man konnte Weihnachtskugeln erkennen und goldene Sterne mit Schweif. Die Wände waren mit Lametta und glitzernden Girlanden geschmückt. Dazwischen leuchteten die kleinen Kerzen von Lichterketten. An der Decke waren mehrere Tannengirlanden aufgehängt. An ihnen waren verschiedene Sterne, Kugeln, Rentiere und Schleifen befestigt. An der Frontwand war ein Wandteppich befestigt, der den Schlitten des Weihnachtsmanns als Silhouette erkennen, ließ. Der Vollmond leuchtete dem Schlitten mit der wertvollen Fracht den Weg. Ich folgte der weihnachtlichen Musik und stand vor Draculas Zimmer. Nein, hier würde ich erst mal nicht hinein gehen. Ich fühlte mich manchmal unwohl in seiner Gegenwart, er hat zu oft in meinem Gehirn einen Abstecher gemacht und meine Gedanken gelesen. Ich ging weiter zu Morphis Zimmer. Auch hier blieb ich unentschlossen stehen. Im Sommer hatte ich einen Blick auf seinen unbandagierten Körper werfen können, das ließ mich jetzt ein wenig erröten.
Ich straffte meine Schultern und schob meine falsche Scham beiseite. So ein Blödsinn. Ich klopfte. „Herein.“ Ich drückte die Türklinke hinunter und trat ein. Mein Mund stand offen. Auch hier war alles in einer weihnachtlichen Harmonie geschmückt. Niemals hätte ich das erwartet. Der Kaminsims war mit Girlanden und Socken verziert. Ein kleiner Weihnachtsbaum stand in der Ecke. Und überall verschiedene Dekorationsartikel. Ich blickte ihn erstaunt an. Ich würde ja gerne meinen Blick gesehen haben. Ich traute meinen Augen nicht. Ich konnte nicht anders, ich musste lachen.
Morphi sah mich entgeistert an. Danach wurde sein Blick herausfordernd. „Mag Weihnachten.“ Er war nicht der gesprächigste. „Hahaha, ja das sehe ich.“ Und prustete wieder los. Er stemmte seine Hände in die Hüfte und erhob sein Kinn. „Mag Weihnachten.“ Es war einfach herrlich. Er hatte seine Bandagen gewechselt. Er war, ich kann fast nicht drüber sprechen, ohne gleich wieder zu lachen. Kennt Ihr diese breiten Geschenkbänder aus Stoff? Die mit den hübschen weihnachtlichen Motiven? Ja, Morphi hatte sich genau in solch breite Schleifenbänder gewickelt. Er war in Grün und Rot gehalten und immer wieder wurde diese Farbkombination durch Engelchen oder Rentiere unterbrochen. Er sah einfach zu niedlich aus. „Oh, Morphi, das ist so niedlich.“ Er schnaubte. Etwas motzig antwortete er: „Mag Weihnachten.“ „Das ist herrlich. Ich liebe Dein Outfit. Wirklich. Es ist wirklich toll. Glaub mir. Ich war nur etwas überrascht, das vergilbte Zeug hatte ich erwartet und wurde mit so etwas überrascht.“ Dabei zeigte ich auf seine Bandagen. „Was ist los?“ „Ich brauche Deine Hilfe für die Beleuchtung am Haus.“ „Komme gleich. Jetzt geh.“ Ich kicherte, drehte mich um und verließ sein Zimmer. Immer noch ergriffen von Morphis auftreten stand ich vor Draculas Zimmer. Jetzt wusste ich ja, wer für die Dekoration verantwortlich war. Entschlossen klopfte ich. „Komm herein Lissi.“ Natürlich wusste er wer davor stand. Er hätte mich wahrscheinlich gerochen. Da habe ich lange gebraucht, das nicht persönlich zu nehmen. Was schon schwer ist, wenn einem ständig gesagt wird, man könne mich riechen. Ich öffnete die Tür. Ich trat ein und blieb stehen, als wäre ich gegen eine Glaswand gelaufen. Ich drehte mich einmal um meine eigene Achse. Es war unglaublich. Dieses Zimmer war ebenfalls weihnachtlich geschmückt. Damit hätte ich noch weniger gerechnet. Natürlich war es hier stilvoll. Alles eher schlicht und traditionell. Die Wände waren mit weihnachtlichen Bildern geschmückt. An ihnen waren rote Schleifen befestigt. Der Weihnachtsbaum war ebenfalls mit Schleifen geschmückt. Strohsterne und Holzfiguren verschönerten ihn noch mehr. Das Bett, nein er hatte den Sarg irgendwann entsorgt. Das war ihm zu Klischeehaft. Er hatte sich ein Boxspringbett gekauft und Vorhänge befestigt. Und genau von diesen Vorhängen blickten mir verschneite Bäume und Häuschen entgegen. Eine wunderschön verschneite Landschaft. „Schließe doch endlich Deinen Mund, das sieht wirklich dämlich aus.“ Ich blickte auf Dracula. Ich konnte noch nicht mal lachen, so entsetzt war ich. Dachte ich, ich wäre schon im Sommer über seine Hawaii Hemden erheitert gewesen, war ich doch baff, dass er einen Weihnachtspullover trug. Und er stand ihm hervorragend. Bei den meisten sah es ja wirklich albern aus – aber bei ihm einfach nur edel. Ich räusperte mich. „Ähm, könntest Du mir bei der Außendekoration helfen?“ „Macht das nicht Richard und Minerva?“ „Ähm, ja schon, aber das Haus ist so groß und Minerva hat keine Lust mehr, sie hat sich ja schon um den Weihnachtsbaum gekümmert.“ „Na gut. Es ist ja Weihnachten.“ „Ähm, ja genau.“ „Geh ruhig schon vor, ich komme gleich. Ich denke, Morphi kommt auch?“ „Ähm – ja – äh – ja. Ja ich gehe.“ Ich war irgendwie abgelenkt. Er wirkte so anders. So nett. Ohne Sarkasmus war er gar nicht so unattraktiv. „Bis gleich.“ „Ja, okay.“ Ich schloss die Tür hinter mir und stand im Kellerflur. Ich konnte es nicht glauben. Damit hätte ich am wenigsten gerechnet. Schnell stieg ich die Treppe wieder hinauf. Oben erwartete mich Amelia – unser Hausgeist. „Lissi, da bist Du ja. Schau mal. Ich hab überall an der Decke und an den Wänden noch goldene Schleifchen befestigt. Auch an mir – aber es fällt immer durch mich durch. So ein Mist. Es würde so toll an mir aussehen.“ „Ach herrje.“ Stöhnte Minerva und schnipste mit den Fingern. „So, jetzt bist Du wie ein Weihnachtsbaum geschmückt.“ „Oh toll, danke, danke, danke Minerva.“ Schrie Amelia entzückt und schwebte auf Minerva zu. Diese hielt ihre Hand nach oben, um sie zu stoppen. Zwecklos – Amelia schwebte mit ausgestreckten Armen auf sie zu, um in Ihr zu verschwinden und auf der anderen Seite wieder aus Ihr herauszukommen. „Ach, Amelia, das ist eklig. So kalt.“ „Ich liebe Dich und Dich und alle anderen. Ach das Fest der Liebe, ich liebe es. Falalalalala.“ Entschwand Amelia.
Ich blickte mich um. Richard, den hatte ich schon draußen gehört. Ich zog mir meine Jacke und einen Schal an und trat heraus. Hier oben war es immer etwas kühler. Ich schaute mich um und konnte Richard nicht sehen. Ich ging ums Haus herum. Einige Lichterketten hatte er schon befestigt. „Richard? Wo bist Du?“ „Lizzi, komm schnell, hilf mir.“ Erschrocken lief ich in die Richtung seiner Stimme. Da saß er auf dem Dach. Sein Anorak war angetackert und die Leiter hatte er umgekippt. Er saß auf dem Dach und versuchte seinen Ärmel wieder zu lösen. Dabei war seine Mütze verrutscht. Er sah fast verwegen auf mit seiner schiefen Nikolaus Mütze. Ich lachte. „Wie schaffst Du das nur immer?“ „HaHa! Hilf mir lieber. Stell die Leiter wieder hin, damit ich besser an die Jacke komme.“ Ich bückte mich und griff nach der Leiter. Sie war schwer und ich zog kräftig. „Ohh, ist die schwer.“ Ich zog und sie wollte sich nicht so wirklich vom Boden erheben. Ich ging einen Schritt zurück. Das konnte doch nicht wahr sein. So schwach war ich doch auch nicht. Ich spürte wie ich beiseitegeschoben wurde. Dracula griff mit einer Hand nach der Leiter und zog sie nach oben, als wäre es eine Kinderleiter. „Ach Mädchen, keine Kraft. Du solltest eine Brühe trinken.“ Er lachte dunkel. Da war er wieder. Der sarkastische Dracula. Das vertrieb meine Unsicherheit. „Ja, ja. Männer. Macht das nur, ich verschwinde ins Warme. Wir Frauen werden dann mal paar Quillt nähen und uns über Geburten unterhalten.“ Ich drehte mich um und verließ die drei.
Endlich war es so weit. Wir waren alle fertig. Gemeinsam gingen wir vor das Haus. Richard stand mit dem Stecker vor uns und hielt eine Rede. „Liebe Bewohner des…. Ja – dieses Hauses. Nächstes Jahr müssen wir mal einen Namen für dieses Haus finden. – Liebe Bewohner, Freunde. Wieder ist ein Jahr vergangen. Wir haben einiges erlebt. Einige neue Freunde und Bekannte gefunden. Auch einige Abenteuer erlebt. Aber wir haben immer zusammen gehalten. Auf das wir ein weiteres erfolgreiches Jahr vor uns haben werden. Frank: bitte den Eierpunsch.“ Frank löste sich aus dem Schatten des Hauses. In seiner Hand hatte er ein Tablett mit mehreren Gläsern. Jedem hielt er das Tablett vor die Nase. Amelia sah uns, schmollend an. „Das ist sooo gemein. Ich kann niemals mit anstoßen oder irgendwas probieren. Geist sein ist doof.“ „Ach komm schon, Du hast so viel Spaß als Geist. Kannst überall auftauchen und bist doch sonst immer so fröhlich, da wird Dir doch so was nicht die Laune verderben.“ Meinte ich tröstend. „Du hast recht. Das Leben als Geist ist schon toll. Ich pfeife auf darauf.“ Sie winkte ab und tanzte um uns herum. Dabei sang sie ein Jingle Bells.
Gemeinsam gingen wir wieder herein und setzten uns an die reichlich gedeckte Tafel. Frank hatte sich selbst übertroffen. Und es stand sogar echtes Porzellan auf dem Tisch. Ich blickte mich fragend um. Morphi zuckte mit den Schultern. „Mag Weihnachten, mit Porzellan.“
Es waren einfach herrliche Stunden, die wir in unserer Gemeinschaft hatten. Wir lachten über die ein- oder andere Erinnerung und im Hintergrund liefen schöne klassische Weihnachtslieder. Ich blickte mich versonnen um und lächelte. Über dem Kamin hing ein Bild meiner Tante Ernestine. „Danke Tantchen. Ich bin so froh, dass Du mir das hier anvertraut hast. Vielen Dank.“ Mir war so, als würde mir Ihr Bild zuzwinkern und lächeln.
Frohe Weihnachten für alle.